Essen. Haustürgeschäfte dominieren den Glasfasermarkt. Verkäufer weichen gelegentlich von Besuchsvorgaben ab. Eine Betroffene erzählt.

Als es an der Tür klingelt, steige ich gerade aus der Dusche. Mit Besuch hat um 19.30 Uhr niemand mehr gerechnet. Mein Freund öffnet, über das Rauschen der Heizung hinweg versuche ich zu lauschen. Im Auftrag der Telekom komme der Mann, die kaufe die Internetverträge in meiner Straße im Essener Südostviertel auf. Ich warte, hoffe, dass mein Freund den Mann abwimmelt.

Draußen ist es längst dunkel, der späte Besuch macht mich stutzig. Eine schnelle Suche im Internet aus meinem Versteck im Bad ergibt: Der Vertriebsmitarbeiter lügt. Er möchte uns mit Falschbehauptungen einen neuen Vertrag andrehen. Als ich aus dem Bad komme, ist es zu spät. Mein Freund hat unterschrieben.

Haustürgeschäfte: Hauptvertriebsweg für Glasfaser-Verträge

Für Internetanbieter wie die Telekom sind solche Geschäfte an Haus- und Wohnungstüren unabdingbar: In Deutschland werden laut dem Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten über 75 Prozent der Glasfaser-Verträge an Haus- und Wohnungstüren unterschrieben. Haustürgeschäfte sind erlaubt, vorausgesetzt, sie kommen ohne Täuschung aus.

Der Vertriebsmitarbeiter an meiner Wohnungstür lässt es Anfang November so klingen, als würde das Internet morgen abgeschaltet, wenn mein Freund nicht unterschreibt. Er erzählt, der Vertrag bei der Telekom koste so viel wie unser bisheriger von Vodafone. Letzterer würde mit der Unterschrift bei der Telekom automatisch gekündigt. Im Nachhinein stellen wir fest: Bei der Telekom hätten wir monatlich vier Euro mehr gezahlt, die Verträge wären parallel gelaufen.

Erol Burak Tergek, Referent für Telekommunikationsrecht der Verbraucherzentrale NRW, ordnet Irreführungen und Täuschungen wie diese ein: Es handle sich um „unlautere Methoden“, vor denen das Wettbewerbsrecht Verbraucherinnen und Verbraucher schützen soll. Kunden, Mitbewerber oder Verbände wie die Verbraucherzentrale können von Unternehmen verlangen, Täuschung zu unterlassen. In bestimmten Fällen könne unlauteres Verhalten auch Strafen und Bußgelder nach sich ziehen.

Telekom arbeitet seit über 20 Jahren mit Ranger

Gegenüber unserer Redaktion bestätigt die Telekom, dass der Mitarbeiter an meiner Wohnungstür tatsächlich in ihrem Auftrag vom Vertriebspartner Ranger Marketing & Vertriebs GmbH geschickt wurde. Demnach arbeiten die beiden Unternehmen seit über 20 Jahren zusammen. Wie viele Vertriebsmitarbeiter von Ranger heute im Auftrag der Telekom durch Essen und das Ruhrgebiet ziehen, bleibt unklar. Auf meiner Straße sollte laut Telekom-Sprecher Maik Exner Anfang November zu „Tarifen und dem TV-Angebot der Telekom“ informiert werden.

Für solche Besuche gebe es Vorgaben zur Kontaktaufnahme, die die Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter einhalten müssen. Auch Niklas Vogel aus der Unternehmenskommunikation von Ranger betont, dass diese sich an den „Code of Contact“ der Telekom halten sollten.

Der besagt, dass die Mitarbeitenden erst nach zehn Pflichtschulungen klingeln gehen dürfen. Sie tragen bei ihren Besuchen Telekom-Kleidung, einen Lichtbild-Ausweis in Sichthöhe und haben ein Autorisierungsschreiben der Telekom dabei. Über die bundesweite Nummer 0800 3309765 könnten Verbraucher die Person an ihrer Tür zudem identifizieren lassen.

Haustürgeschäfte: Negative Erfahrungen in vielen Ruhrgebietsstädten

Mein Freund bat die Vertriebsmitarbeiter – auch aufgrund ihres professionellen Aufzugs – relativ schnell in die Wohnung. Auf die Frage, mit welcher Geschwindigkeit unser Internet laufe, konnte er nicht sicher antworten. „Ich kann das kurz messen“, bot der Mann an der Tür an. Damit war er drin.

Exner von der Telekom betont: „Die Wohnung dürfen die Berater nur betreten, wenn sie dazu eingeladen werden.“ Einträge in Foren wie Reddit und „Telekom hilft Community“ zeigen: Nicht nur bei mir wurden Vertriebsmitarbeiter nach Detailfragen und dem Angebot der Messung des Internets in die Wohnung eingeladen. Auch die WAZ berichtete in Städten wie Duisburg, Bottrop und Sprockhövel von Haustürbesuchen, bei denen abweichend vom „Code of Contact“ mit Lügen und Täuschung gearbeitet worden sei.

Wer einen Vertrag abgeschlossen hat, kann ihn innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen.
Wer einen Vertrag abgeschlossen hat, kann ihn innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. © dpa-tmn | Christin Klose

Nach Angaben von Ranger führt jede Reklamation zur Prüfung und „ggf. zu weitergehenden Maßnahmen“ wie Nachschulungen „oder darüber hinaus“. Die Telekom habe dazu bereits Kontakt mit dem Vertriebspartner aufgenommen.

Verbraucherzentrale NRW: „Ein Verkaufsgespräch an der Haustür ist immer risikobehaftet“

Die Verbraucherzentrale NRW sieht Haustürgeschäfte kritisch: „Ein Verkaufsgespräch an der Haustür ist immer risikobehafte“, warnt Referent Tergek Ein direkter Preisvergleich mit anderen Angeboten auf dem Markt sei an der Haustür nicht möglich. Zudem handle es sich um einen sehr sensiblen Bereich, die Gefahr bestünde, dass potenzielle Kunden überrumpelt würden.

Dennoch unterstütze die Verbraucherzentrale NRW den Glasfaserausbau und sei sich der großen Bedeutung von Haustürbesuchen bewusst. Grundsätzlich rät Tergek: „Informieren kann man sich an der Haustür, einen Vertrag sollte man aber nicht voreilig unterschreiben.“

Nach Haustürgeschäft: Den Vertrag widerrufen oder anfechten

Die Chance, es sich anders zu überlegen, haben Verbraucher nach der Unterschrift an der Tür ohnehin: Laut Ranger gibt es dann einen „Quality Call“. Erst nachdem der Kunde telefonisch alle Daten bestätigt hat, leitet der Vertriebsmitarbeiter die Auftragsbestätigung an die Telekom.

Nach Vertragsschluss haben Neukundinnen und -kunden zudem weitere 14 Tage Zeit, den Vertrag zu widerrufen. Sei ein Vertrag mit unlauteren Mitteln, etwa durch Täuschung zustande gekommen – wie bei mir Anfang November – kann man den Vertrag laut Tergek auch anfechten. Im Zweifel könnten sich Betroffene an die Polizei oder Bundesnetzagentur wenden. Unser Vertrag ist längst widerrufen, die Nachbarn wissen Bescheid. Mit Haustürbesuchen um 19.30 Uhr rechnen wir so schnell nicht mehr.

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