Essen-Fulerum. Vor 100 Jahren wurden die ersten Häuser der Heimatdank-Siedlung in Essen-Fulerum bezogen. Warum die 212 Wohnungen dort so begehrt sind.
Ein besonderes Jahr geht für die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung Heimatdank in Essen-Fulerum zu Ende. Die sogenannte Gartensiedlung gegenüber vom Südwestfriedhof feiert ihr 100-jähriges Bestehen.
„Wir kennen uns untereinander, duzen uns und feiern gern gemeinsam. Es ist eine richtig gute Gemeinschaft. Hier will niemand weg“, sagt Werner Lingelbach. Der 70-Jährige hat beinahe sein ganzes Leben in der Siedlung verbracht, die heute der Wohnungsgenossenschaft Wohnbau eG gehört. Es gibt 212 Wohnungen in 58 Ein- und 36 Mehrfamilienhäusern. „Die Einfamilienhäuser sind vor allem jungen Familien mit Kindern vorbehalten“, erklärt Frank Skrube, Sprecher der Wohnbau eG.
„Die Genossenschaft tut einiges für die Siedlung“, ist Werner Lingelbach mit seiner Vermieterin zufrieden. Die Mieter kümmern sich aber auch selbst um ihr Umfeld, gestalten ihre Gärten. „Sie sollten mal im Sommer vorbeikommen, wenn hier alles blüht“, sagt Lingelbach. „Ein Problem ist aber, wie anderswo auch, der Mangel an Parkplätzen.“ Die Zahl der Autos habe einfach massiv zugenommen. „Als ich klein war, gab es hier zwei Autos in der Siedlung, die wir regelrecht bestaunt haben“, erinnert er sich.
In der Siedlung Heimatdank in Essen-Fulerum wird gute Nachbarschaft gepflegt
Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte Werner Lingelbach in dem Haus an der Fulerumer Straße, in dem sich viele Jahrzehnte die Gaststätte Heimatdank befand, im Volksmund „Zur letzten Träne“ genannt, weil dort wegen der Nähe zum Friedhof viele Beerdigungskaffeetrinken stattfanden. Vor rund zehn Jahren schloss das Lokal, das Haus wurde zum reinen Wohnhaus umgebaut.
Lingelbachs Eltern zogen irgendwann von der Wohnung in ein Einfamilienhaus in der Siedlung um. „Als junger Mann bin ich weggezogen, aber später wiedergekommen und wohne jetzt in meinem Elternhaus.“ Er selbst hat vier erwachsene Kinder, die schon versucht hätten, in die Siedlung zu ziehen – bisher ohne Erfolg.
Vor allem für Kinder bietet die Essener Siedlung bis heute viele Spielmöglichkeiten
„Die Häuser sind sehr begehrt, für Kinder ist das hier ein Paradies“, findet Lingelbach. „Familien mit mehreren Kindern werden bei der Vergabe der Wohnungen bevorzugt“, so Skrube. Nicht nur der Siedlungscharakter, die ruhige Lage und gute Nachbarschaft seien attraktiv: Das Wohnen in der Heimatdank-Siedlung sei noch immer recht preiswert, wie es den Grundsätzen der Genossenschaft entspreche. „Wir wollen keine Reichtümer anhäufen, sondern reinvestieren in den Erhalt der Häuser“, sagt der Sprecher der Wohnbau eG. Die Miete liege bei 6,78 Euro Kalt- und 9,35 Euro Warmmiete.
Helma Keller (79), eine der ältesten Bewohnerinnen der Siedlung, hat ihr gesamtes Leben dort verbracht, hat immer im selben Haus gewohnt. Weg will sie dort auf keinen Fall. „Es ist wunderbar hier, wie ein Dorf, eine tolle, große Gemeinschaft. Man kennt sich und hilft sich gegenseitig“, sagt sie. Das habe sich im Laufe der Zeit nicht geändert. „Wenn junge Leute hier hinziehen, spricht man sie an und dann gehören sie schnell dazu.“
Früher gab es Kneipen und Läden in der Siedlung in Essen-Fulerum
Ihre Großeltern seien damals in einen der Neubauten eingezogen. Früher bauten die Nachbarn noch viel Gemüse im Garten an, hielten Tiere hinter dem Haus. „Das ist heute natürlich anders, da pflanzt man eher Blumen“, so Helma Keller. Sie kann sich noch an Gastronomiebetriebe und zwei Läden in der Siedlung erinnern. Die gibt es schon länger nicht mehr, aber die Einkaufsmöglichkeiten in der Neuen Mitte Haarzopf, aber auch im Rhein-Ruhr-Zentrum oder in Mülheim sind per Bus gut erreichbar, der direkt an der Siedlung hält, findet die Seniorin.
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Die Heimatdank-Siedlung, die sich über die Fulerumer Straße, Mecklenbecksweg, Wienenbuschstraße und die Straße Heimatdank erstreckt, liegt an der Stadtgrenze zu Mülheim, direkt an einem Grüngebiet. Mehrere bewachsene Torbögen bilden den Eingang zur Siedlung.
Vor 100 Jahren war sie für Kriegsheimkehrer und Kriegsgeschädigte des Ersten Weltkriegs geplant worden. Dazu war im Mai 1919 die Baugenossenschaft mit dem vielsagenden Namen Heimatdank gegründet worden. Anfang 1924 waren zunächst 82 Wohnungen und 52 Mansarden bezugsfertig, entworfen von den Architekten Rings und Farmers. Für die Bauausführung war damals der Allgemeine Bauverein Essen (Allbau) zuständig. Finanzielle Probleme stoppten allerdings den Weiterbau, wie auf mehreren Infotafeln in der Siedlung zu lesen ist. Erst 1933 bis 1937 wurde der Bestand auf 285 Wohnungen und 56 Mansarden erweitert.
Das Ensemble wurde 1996 bis 2004 saniert und das Umfeld neu gestaltet
1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, erfolgte die Zwangsfusion der Baugenossenschaft Heimatdank mit der Vereinigten Spar- und Baugenossenschaft Essen, die ihren Namen in Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Essen-West änderte und seit 1990 Wohnbau eG heißt. Zwischen 1950 und 1960 waren 17 Häuser, die im Krieg von Bomben stark beschädigt worden waren, wieder aufgebaut worden. Eine Grundsanierung der Siedlung erfolgte zwischen 1996 und 2004. Dabei wurde auch das gesamte Wohnumfeld neu gestaltet, das Ensemble erhielt sein aktuelles Gesicht.
Bis heute wird gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft großgeschrieben. „Zur Aufstellung der Lore im vergangenen Jahr kamen 60, 70 Leute, die alle helfen wollten, obwohl es Freitag und eigentlich noch normale Arbeitszeit war, die Leute hier sind untereinander sehr gut vernetzt“, gibt Frank Skrube ein Beispiel.
Der gute Zusammenhalt sei vor allem durch die regelmäßigen Feste auf dem „Dorfplatz“ entstanden, die seit 2008 alle drei Jahre von den Nachbarn organisiert werden, weiß Werner Lingelbach, der sich dabei stark engagiert. Der 70-Jährige bedauert es, dass es die Gaststätte als Treffpunkt nicht mehr gibt. Früher habe man sich dort nicht nur zu Beerdigungen, sondern auch zu Familienfeiern wie runden Geburtstagen getroffen. Heute treffe man sich lieber mit einer Kiste Bier im Garten statt auszugehen.
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