Essen. Wenig Schlaf, späte Pizza, Spitzenmedizin: Drei Chefärzte erzählen von Anfängen und Entwicklung der Kardiologie im Elisabeth-Krankenhaus Essen.
Seit 40 Jahren gibt es die Kardiologie im Essener Elisabeth-Krankenhaus, gegründet im November 1984. Für Klinikträger Contilia ist es ein Jubiläum – für Chefarzt Prof. Dr. Oliver Bruder ist es auch ein Gefühl: Als junger Medizinstudent hat er Ende der 1980er Jahre in der damals noch jungen Abteilung für Herzmedizin gearbeitet, hat Pioniergeist, Neugier, Teamplay und Schlafmangel erlebt und wusste danach: „Das ist so cool, ich werde Kardiologe!“
Medizinstudent erlebte Aufbruchstimmung und Teamgeist
Gleich nach dem Abi im Jahr 1985 hatte Bruder das Medizinstudium begonnen, kam nach einigen Semestern als Famulant ins Elisabeth-Krankenhaus und dort in die Klinik für Kardiologie. Im streng hierarchisch organisierten Krankenhausbetrieb habe diese durch ein vergleichsweise teamorientiertes Arbeiten bestochen und durch Aufbruchstimmung: Vor allem Entwicklung und zunehmende Einsatzmöglichkeiten des Herzkatheters sollten die Disziplin revolutionieren. „Das Treibende war damals der Katheter – dass man in die Gefäße konnte.“
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Der Herzkatheter ist ein feiner Kunststoffschlauch, der unter Röntgenkontrolle von der Leiste oder vom Arm durch ein Blutgefäß bis zum Herzen geschoben wird. Er wird zum Beispiel genutzt, um die Herzkranzgefäße zu untersuchen und mögliche Engstellen festzustellen. Auch bei der Diagnose anderer Herzerkrankungen spielt er eine zentrale Rolle. „Wir waren damals bis abends im Katheter-Labor“, erzählt Bruder.
Pizza nach Feierabend und früher Start am nächsten Morgen
Nach Arbeitstagen, die um 22, 23 Uhr endeten, seien die Kollegen noch zum Pizzaessen gefahren, danach in den Club gegangen. „Um sechs Uhr morgens standen wir wieder in der Klinik.“ Der Spitzname „Elli“ für das Elisabeth-Krankenhaus passe gut zu diesem Arbeitsplatz, an den Bruder später dauerhaft zurückkehren sollte.
„Wir waren damals bis abends im Katheter-Labor. Und um sechs Uhr morgens standen wir wieder in der Klinik.“
Doch die familiäre Atmosphäre solle nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Klinik für Kardiologie und Angiologie bei allen Entwicklungen ihrer Disziplin zu den Pionieren gezählt habe, ergänzen Bruders Chefarztkollegen Dr. Thomas Schmitz und Prof. Dr. Heinrich Wieneke. Von Ablation über Elektrophysiologie bis Schrittmacher, von Herzklappentherapie bis zur Implantation von Defibrillatoren gelte: Das „Elli“ war früh dabei, hat (mit) die höchsten Fallzahlen in der Region – oder beides. Bei der Krankenhausreform habe das NRW-Gesundheitsministerium jetzt alle beantragten Leistungen bewilligt; auch das werten sie als Bestätigung.
„Viele alte Menschen glauben leider, dass es Teil des Alters ist, dass sie die Einkaufstaschen nicht mehr tragen können, ohne aus der Puste zu kommen.“
Man sei auf Fachkongresssen vertreten, bei Auszubildenden beliebt und habe keine Probleme, Stellen zu besetzen, sagt das Chefarzt-Trio selbstbewusst. „Kollegen aus dem In- und Ausland kommen zu uns, um hier zu lernen.“ Am Mittwoch, 20. November, wollen die drei Mediziner ihre Arbeit in der Reihe „Kardiologie im Gespräch“ auch einem nicht fachlich vorgebildeten Publikum vorstellen.
Herzexperten stehen Rede und Antwort
40 Jahre Kardiologie feiert das Essener Elisabeth-Krankenhaus am Mittwoch, 20. November, um 17 Uhr mit einer Patientenveranstaltung im Hörsaal, Klara-Kopp-Weg 1. Die drei Chefärzte der Klinik für Kardiologie und Angiologie möchten dann mit den Teilnehmern ins Gespräch kommen:
Unter der Überschrift „CT/MRT – Herzkatheter vermeiden“, erklärt Prof. Dr. Oliver Bruder, wann eine Diagnostik mit den beiden bildgebenden Verfahren ausreicht. Thomas Schmitz erläutert, wann ein Herzkatheter sinnvoll ist: „Der Blick ins Herz – Neues aus dem Herzkatheterlabor“. Schließlich heißt es bei Prof. Dr. Heinrich Wieneke: „Herzstolpern – was tun?“ Im Anschluss gibt es einen Imbiss.
Eine Anmeldung bis zum Donnerstag, 14. November, ist erforderlich per Mail an: u.piljic@contilia.de oder telefonisch: 0201-897 3207.
Oliver Bruder wird den Teilnehmern erklären, in welchen Fällen man eine Untersuchung per Herzkatheter vermeiden kann. „Um den reinen Verdacht einer koronaren Herzerkrankung auszuschließen, reicht eine Computertomographie.“ Sei das CT auffällig, folge eine weitere Diagnostik. Mittels Magnetresonanztherapie (MRT) könne man sich wiederum den Herzmuskel ansehen und Ursachen für eine Herzschwäche erkennen. Beide Verfahren gibt es seit Jahrzehnten, und die Bilder seien immer besser geworden.
Der Rettungswagen stand vor der Tür – falls etwas schief gehen sollte
Über „Neues aus dem Herzkatheterlabor“ wird Thomas Schmitz am 20. November sprechen. Längst wird das Verfahren ja nicht mehr nur diagnostisch genutzt, sondern für eine Vielzahl von Eingriffen. Eingriffe, die einst experimentell waren und nun Routine sind, etwa die Weitung von Engstellen in den Herzkranzgefäßen. „Da stand früher der Rettungswagen vor der Tür, um in die Herzchirurgie zu fahren, falls etwas schief gehen sollte“, sagt Schmitz. Heute könne man Stents per Katheter ambulant einsetzen. Überhaupt müssten immer weniger der jährlich 17.000 Patienten der Klinik stationär aufgenommen werden.
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Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind laut Statistischem Bundesamt weiter die häufigste Todesursache in Deutschland, doch vielen Herzkranken könnte geholfen werden, wenn sie nur früh genug zum Arzt gingen, sagen die Kardiologen, zum Beispiel bei Atemnot. „Viele alte Menschen glauben leider, dass es Teil des Alters ist, dass sie die Einkaufstaschen nicht mehr tragen können, ohne aus der Puste zu kommen“, bedauert Schmitz.
Neue Herzklappe für 98 Jahre alte Patientin
Dabei gebe es für betagte Herzpatienten ermutigende Nachrichten: Im vergangenen Jahr etwa hat Schmitz einer 98-Jährigen ohne den Brustkorb zu öffnen eine neue Herzklappe eingesetzt; per Katheter und mit lokaler Betäubung. „Anfangs haben wir die Methode nur bei Patienten angewandt, die der Chirurg abgelehnt hatte, weil sie 80 oder älter, vorerkrankt und zu schwach für eine aufwendige Operation waren.“ Wegen guter Resultate habe man die Zielgruppe des minimalinvasiven Eingriffs inzwischen erweitert.
„Es gibt viele gute Medikamente, die man schon bei leichter Herzschwäche einsetzen sollte, um diese zu stoppen oder mindestens zu verlangsamen.“
Mut machen will auch Schmitz‘ Chefarztkollege Heinrich Wieneke, der beim Patientenseminar über „Herzstolpern“ spricht. Bei vielen (auch bei jungen) Menschen gerate das Herz gelegentlich oder häufiger aus dem Takt. „Das ist nicht gleich eine todbringende Krankheit.“ Herzrhythmusstörungen könnten harmlos sein, doch ärztlich abklären lassen solle man sie in jedem Fall. „Früher starben viele Betroffene am plötzlichen Herztod“, sagt Wieneke. Heute könne man ihnen mit Defibrillator oder Herzschrittmacher oft gut helfen.
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Je eher der Patient kommt, desto mehr kann die Medizin für ihn tun – diese Formel gilt auch für die Herzschwäche, die lebensgefährlich werden kann. Wieneke betont: „Es gibt viele gute Medikamente, die man schon bei leichter Herzschwäche einsetzen sollte, um diese zu stoppen oder mindestens zu verlangsamen.“
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