Essen. Essen sucht über 2000 Erzieher und Erzieherinnen. Aber der Arbeitsmarkt ist leer. Die Stadt hat sich daher nun Fachkräfte aus dem Ausland geholt.

Das triste, nasse November-Wetter der vergangenen Tage in Essen fand Karla Celi Bosa eher nicht einladend. Das sei in ihrer Heimatregion Barcelona, wenn nicht wie momentan heftige Regenfälle durchziehen, grundsätzlich besser. Und der Schmuddel-Winter in Essen kommt erst noch. Aber in ihrer Kita in der Hildesheimer Straße, in der sie seit wenigen Wochen arbeitet, ist das Klima gut: „Alle sind sehr nett“, sagt die 25-jährige Spanierin.

Zu Hause war die gelernte Erzieherin zuletzt arbeitslos. In Deutschland, in Essen dagegen wird sie dringend gebraucht. Denn es herrscht Erziehermangel, der in den kommenden Jahren noch deutlich wachsen wird. Essen muss bis 2030 fast 2600 Erzieher und Erzieherinnen einstellen, um die vorhergesagte Lücke zu schließen. Ein Kraftakt auf einem Arbeitsmarkt, der nahezu leer gefegt ist.

Deshalb setzt die Stadt Essen jetzt auch auf ausländische Fachkräfte wie Luisa Miranda Hernández. Sie und drei weitere junge Spanier hatten sich auf ein Abwerbeprogramm der Bundesagentur für Arbeit gemeldet und sich für eine Arbeit als Erzieher in Essen interessiert. In ganz NRW waren es 79 Bewerber. Dass immerhin vier davon nach Essen wollten, sieht man in der Stadtverwaltung schon als Erfolg. Die vier sind zwischen 25 und 29 Jahre alt und was für den Beruf hierzulande selten ist: darunter sind zwei Männer.

Essen hat „Task Force“, die sich um den Erziehermangel kümmert

Um die vier jungen Spanier hat sich die neu eingerichtete „Task Force Fachkräfte“ der Stadt gekümmert. Sie besteht aus drei Mitarbeiterinnen, die sich darum kümmern sollen, Essen für Erzieher attraktiv zu machen. Das Tempo, die Spanier nach Essen zu bringen, war hoch. Im April fanden die Bewerbungsgespräche per Video statt, Behördengänge mussten erledigt werden, Wohnungen gesucht und eingerichtet werden. Allbau, Jugendamt, Jugendhilfe waren mit im Boot. Parallel besuchten die vier Erzieher schon einen Deutsch-Sprachkurs der Bundesarbeitsagentur. Seit Ende September sind sie da und werden auch schon in vier städtischen Kitas als so genannte Ergänzungskräfte eingesetzt.

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Das Ziel aber ist klar, dass sie schon bald als „vollwertige“ Erzieher hier arbeiten: Alle haben einen akademischen Abschluss. Das ist in Spanien Voraussetzung, um in dem Beruf zu arbeiten. Damit sind sie rein formal sogar besser ausgebildet als ihre Kollegen in Deutschland. In den kommenden Wochen müssen sie nun noch einen berufsbegleitenden Sprachkurs abschließen. Danach wird es dann spannend: Denn dann beginnt das berufliche Anerkennungsverfahren, von dem der Einsatz als Erzieher abhängt.

Bange Frage: Wie lange dauert das Anerkennungsverfahren?

Andrea Demler, Chefin der Essener Arbeitsagentur, sieht keine Hürden, dass die Abschlüsse nicht anerkannt werden. Die Bundesarbeitsagentur habe dies bereits im Vorfeld prüfen lassen. Die große Frage ist nur: Wie lange dauert es? Immer wieder machen ausländische Fachkräfte die Erfahrung, dass die Behörden langsam sind.

Zeit zu verlieren hat Essen nicht. „Wir müssen solche Prozesse dringend beschleunigen“, sagt der städtische Dezernent Muchtar Al Ghusain, zuständig für Jugend, Kultur und Bildung. Auch er weiß, dass die vier jungen Spanier nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, ein „Baustein“, wie Al Ghusain sagt. „Wir werden viele solcher Bausteine sammeln müssen“. Vor allem der Rechtsanspruch auf einen Platz im Offenen Ganztag ab 2026 stellt die Stadt vor große Herausforderungen, genügend Personal zu finden. Aber auch in Heimen, wo schon heute Stellen nicht besetzt werden können. Al Ghusain schließt daher nicht aus, dass die Anwerbung der Spanier nunmehr als Blaupause gilt, weitere Fachkräfte aus dem Ausland nach Essen zu werben.

Die jungen Spanier sind in den Kitas in der Armstraße, in der Barthel-Bruyn-Straße, in der Hildesheimer Straße und im Hünningshausenweg beschäftigt. Anke Barkhoff ist stellvertretende Leiterin in der Kita Armstraße. „Ich ziehe den Hut vor den jungen Leuten, dass sie den Mut haben, ihre Heimat zu verlassen und in ein Land mit einer fremden Sprache gehen.“ Natürlich ist die Sprache momentan noch die größte Herausforderung. Allerdings können sich die jungen Spanier schon recht gut auf Deutsch ausdrücken. „Manchmal muss man die Kollegen bitten, langsamer zu sprechen“, lacht Karla Celi Bosa. Die Kommunikation fordert eben beide Seiten.

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