Essen. Eine vermeintlich harmlose Erkältung wird für Fabian zum lebensgefährlichen Drama. Das Team der Uniklinik Essen rettet ihn. So geht es ihm heute.

Fabian war 14 Jahre alt, kam vom Schwimmen, fühlte sich erkältet. Nur Tage später musste der Junge mit einer lebensbedrohlichen Sepsis aus seiner Heimatstadt in die Uniklinik Essen geflogen werden: Dort kämpften die Ärzte 54 Tage lang um ihn. „Er stand dem Tode deutlich näher als dem Leben“, sagt Prof. Dr. Thorsten Brenner. Fabian hat beide Arme und Beine verloren – nicht seinen Lebensmut.

Mit dem Hubschrauber wird der Junge in die Uniklinik Essen geflogen

Brenner ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum, er hat täglich mit schwerkranken Patienten, mit heftigen Notfällen zu tun. Fabians Fall ist selbst für den erfahrenen Mediziner besonders: „So schwere Krankheitsverläufe und so ausgeprägte Amputationen sind selten.“ Die Familie aus Mönchengladbach erlebte so angsterfüllte wie kraftraubende Monate: Aus dem Nichts mussten die Eltern im März 2023 in den Katastrophenmodus umschalten.

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An einem Donnerstag, vier Tage nach Beginn der vermeintlichen Erkältung, fahren sie abends mit ihrem Sohn ins örtliche Krankenhaus: Fabian fällt das Atmen schwer, er hat Ausschlag im Gesicht. Doch die Untersuchung in der Notaufnahme verläuft unauffällig: Er hat kaum Fieber, die Sauerstoffsättigung im Blut ist okay. Wegen des Verdachts auf einen viralen Infekt rät man zum Kinderarztbesuch am nächsten Tag.

Fabians Eltern spielen dem bewusstlosen Sohn seine Lieblingsmusik vor

Durchlebten angsterfüllte Monate: Rebecca und Alexander Abels mit ihrem Sohn Fabian, der nach einem septischen Schock in Lebensgefahr schwebte.
Durchlebten angsterfüllte Monate: Rebecca und Alexander Abels mit ihrem Sohn Fabian, der nach einem septischen Schock in Lebensgefahr schwebte.

In der Nacht steigt das Fieber, Fabian bekommt keine Luft, um 4 Uhr wählen die Eltern den Notruf. Danach setzt die Erinnerung des Jungen für lange Zeit aus: „Ich bin schon im Rettungswagen ohnmächtig geworden.“ Fabians Mutter bleibt bangend mit dem zweiten Sohn zu Hause, der Vater fährt dem Rettungswagen hinterher in die Kinderklinik. Fabian wird wegen des hohen Fiebers in eine Kühlweste gepackt und im Hubschrauber nach Essen geflogen. Die Diagnose: septischer Schock.

Spenden für Forschung zur Sepsis

Die Stiftung Universitätsmedizin unterstützt Forschungsprojekte an der Universitätsmedizin Essen, um Prävention, Diagnostik und Therapie im Bereich der Sepsis (Blutvergiftung) weiter zu verbessern. Außerdem fördert sie Aufklärungs- und Präventionsangebote, um das öffentliche Bewusstsein für die Erkrankung zu stärken. So sagt Prof. Dr. Thorsten Brenner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin: „Impfungen gegen Viren und Bakterien können Sepsis vorbeugen.“

Bei der Sepsis handle es sich um eine Fehlregulation des eigenen Immunsystems auf Basis einer Infektion„Daher konzentrieren sich unsere Forschungsbestrebungen, unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz darauf, wie man das Immunsystem der Erkrankten wieder in die richtigen Bahnen lenken kann.“

Wer diese Forschung unterstützen möchte, kann eine Spende aufs Konto der Stiftung Universitätsmedizin überweisen: IBAN: DE09 3702 0500 05000 500 05, Stichwort „Sepsis“.

Die Sepsis, landläufig Blutvergiftung genannt wird, werde in der Öffentlichkeit krass unterschätzt, sagt Prof. Brenner. Schlaganfall oder Herzinfarkt seien allgemein als lebensgefährlich bekannt; dass die Sepsis hierzulande die dritthäufigste Todesursache ist, wüssten indes die wenigsten. Ein Großteil der Intensivpatienten habe eine Sepsis. „Wenn das Immunsystem verrückt spielt, nimmt die Erkrankung einen fürchterlichen Verlauf.“ Viele Patienten sterben an Multiorganversagen.

Tückisch: Eine Sepsis ist anfangs oft schwer zu erkennen

Besonders fatal: „Anfangs ist eine Sepsis sehr schwer zu erkennen und einfach zu behandeln, im weiteren Verlauf erkennt sie jeder – aber sie ist nur noch äußerst schwierig zu behandeln“, erklärt Brenner. Sie kann praktisch durch jede Infektion – von Covid-19 bis Blinddarmentzündung – verursacht werden. Besonders häufig wird sie durch Bakterien ausgelöst, sodass die frühe Gabe eines Antibiotikums gut helfen könne. Auch bei Fabian war eine bakterielle Infektion der Auslöser.

Prof. Dr. Thorsten Brenner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Essen

„Er stand dem Tode deutlich näher als dem Leben. “

Prof. Dr. Thorsten Brenner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Essen, über seinen Patienten Fabian (15)

Nur: Während ältere Patienten oft verwirrt seien, falle die Sepsis bei Jüngeren oft länger nicht auf: „Es wirkt wie ein grippaler Infekt.“ Wie bei Fabian. „Und dann folgte bei ihm ein schlimmer Verfall, Niere, Lunge, Leber versagten.“ Auf der Intensivstation in Essen wird der Junge ins künstliche Koma versetzt und an die Ecmo, eine Art künstlicher Lunge, angeschlossen. Er erhält zahlreiche Medikamente, um seine Körperfunktionen aufrechtzuerhalten.

Gleichzeitig beginnen seine Gliedmaßen abzusterben, weil sie nicht ausreichend durchblutet werden. In dieser Situation sei es vorrangig, dass die lebenswichtigen Organe ausreichend durchblutet werden, erklärt Brenner. Fabians Eltern sitzen am Bett ihres Sohnes und sehen, „wie er erst ganz aufgedunsen war, dann färbten sich seine Finger blau“, erzählt Vater Alexander Abels.

„Ich träumte seltsam, hatte Wahnvorstellungen durch die Medikamente.“

Fabian Abels, 15, über die fast drei Wochen im Koma

Die schweren Folgen für Fabian seien ihnen da nicht klar gewesen: „Erstmal kämpften wir um sein Leben.“ Sie freuen sie sich über jede kleine Reaktion des Jungen. Sie reden mit ihm, spielen ihm seine Lieblingsmusik vor, sind so oft wie möglich in Essen. Ihr ältester Sohn ist schon erwachsen und ausgezogen, aber zu Hause in Mönchengladbach ist der Mittlere, 16 Jahre alt: „Der wurde ganz schnell erwachsen, gab uns Rückhalt“, erzählt Mutter Rebecca Abels.

„Wir sahen, wie er erst ganz aufgedunsen war, dann färbten sich seine Finger blau.“

Rebecca und Alexander Abels saßen wochenlang am Krankenbett ihres Sohnes, der nach einem septischem Schock im Koma lag.

Fabian ist 20 Tage im Koma; nicht nur für seine Eltern eine schlimme Zeit. „Ich träumte seltsam, hatte Wahnvorstellungen durch die Medikamente“, erzählt der Jugendliche. Als er zu Bewusstsein kommt, kann er sich nicht bewegen und wegen eines Luftröhrenschnitts auch nicht sprechen: Er kommuniziert nur mit den Augen.

Er schläft schlecht, hat Panikattacken, verliert 45 Kilogramm. Fabian sei voller Angst gewesen, habe nicht gewusst, was mit ihm geschehen war, erinnert sich seine Mutter. Er habe aber auch gesagt: „Ich bin froh, dass ich lebe.“ Dabei war der Kampf um sein Leben noch nicht vorbei. Fabian muss hilflos mit ansehen, wie beide Arme und das linke Bein amputiert werden.

In seinem Krankenzimmer hängt eine Mutmachwand

Gehübung auf dem Klinikflur: Inzwischen übt Fabian zu Hause, hat schon ein bisschen Fußball gespielt und möchte wieder mit dem Kickboxen anfangen.
Gehübung auf dem Klinikflur: Inzwischen übt Fabian zu Hause, hat schon ein bisschen Fußball gespielt und möchte wieder mit dem Kickboxen anfangen.

Lange ringt er um sein rechtes Bein, dass er am Ende auch verlieren wird. Doch er kämpft. Getragen von Familie, Freunden, Mitschülern, die Fotos und Briefe für seine „Mutmachwand“ im Krankenzimmer schicken – und vom Team der Intensivstation, auf der er 54 Tage lang liegt.

Das ganze Team der Intensivstation bangt mit dem jungen Patienten


Wiedersehen mit einem besonderen Patienten: Das gesamte Team der Intensivmedizin an der Uniklinik Essen hat mit Fabian (Mitte) gebangt.
Wiedersehen mit einem besonderen Patienten: Das gesamte Team der Intensivmedizin an der Uniklinik Essen hat mit Fabian (Mitte) gebangt.

„Ohne diese Unterstützung hätte ich es nicht geschafft“, sagt der 15-Jährige heute. Geholfen hat auch, dass er vorher Kraftsport betrieben hatte. „Wäre ich nicht so sportlich gewesen, wäre das wohl nicht so gut ausgegangen.“ Drei Monate ist er nach dem Klinikaufenthalt in Bayern, um Muskeln aufzubauen, Gewicht zuzulegen: „In der Reha war es wie im Fitnessstudio.“ Am Ende bekommt er die vier Prothesen, die ihm Arme und Beine ersetzen. Links trägt er eine reine Unterschenkelprothese, rechts eine mit Kniegelenk: Im April 2024 musste das rechte Knie amputiert werden.

Schule bemüht sich, damit Fabian in seine alte Klasse zurückkehren kann

„Gehen ist relativ einfach, ich übe jeden Tag“, sagt Fabian, der erst im Rollstuhl zur Schule ging, dann ohne. Dank Hausunterricht und dem großen Bemühen seiner Schule, ihn in die 10 mitzunehmen, kann er in seine alte Klasse in der Gesamtschule zurückkehren.

Mit der neuen Hand schreibe er sehr gut, aber ja: „Man muss halt lauter kleine Dinge neu trainieren: Wie man eine Gabel hält, wie man eine Flasche öffnet.“ Bei manchen Handgriffen komme er mit einem Greifer besser zurecht als mit der künstlichen Hand.

Fabian lernt, seine Prothesen anzusteuern, übt Bewegungen ein

Hightech-Hand: Fabian muss viele Handgriffe mit der Prothese neu einüben.
Hightech-Hand: Fabian muss viele Handgriffe mit der Prothese neu einüben.

Was Fabian das Ansteuern der Prothesen erleichtert, ist der Zwilling des Phantomschmerzes, die Phantomsensation (Phantomgefühl): Er spürt die verlorenen Hände noch, kann dadurch besser Impulse an die Prothesen senden. Dass er manchmal ein Kribbeln fühle, störe ihn nicht. „Ich habe auch höchstens ein-, zweimal am Tag Schmerzen, nehme kaum Medikamente. Andere haben immer Schmerzen.“

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Wunden und unangenehme Druckstellen drohen Menschen mit Prothesen da, wo diese an die Körperteile angesetzt werden. Es sei unglaublich wichtig, die Schäfte perfekt anzupassen und regelmäßig anzugleichen, weil sich der Körper verändert, sagt Fabians Vater: „Wir sind einmal die Woche beim Prothetiker.“

Kickboxen, Schwimmen, Bogenschießen – alles mit Prothesen

Fabian trainiert viel zu Hause, dazu stehen Physiotherapie und Schwimmen auf seinem Programm. Bogenschießen hat er ausprobiert, selbst Kickboxen will er wieder anfangen, es gebe passende Angebote. Er habe auch schon mit Freunden ein bisschen Fußball gespielt: „Die Schüsse sind gerader als vorher.“

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