Essen. Hier erklärt Hüseyin Tüzin, wie anspruchsvoll sein Job als Rasen-Chef ist, und wie er das Grün nach dem American-Football-Spiel wieder hinkriegt.
Hüseyin Tüzin (45) liebt seinen Rasen. Er hegt und pflegt ihn, mal mit Düngemittel, mal mit neuer Saat, mal mit einem seiner vielen Geräte. Was an seinem Job als Greenkeeper bei Rot-Weiss Essen so toll ist? „Alles ist toll“, sagt Tüzin. „Die Natur bietet tagtäglich was Neues. Man macht was und nach acht Stunden Arbeit sieht man schon das Ergebnis.“
Dienstagvormittag, 11 Uhr, im Stadion an der Hafenstraße. Am Samstag (12. Oktober) hat hier das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im American Football stattgefunden. Zwei Footballmannschaften, bestehend aus breitschultrigen Männern, auf dem Grün: Das bedeutet eine nicht unerhebliche Belastung und Belastung heißt Krise für den Rasen. Doch Tüzin hat vorgesorgt.
Footballspiel im Essener RWE-Stadion: Greenkeeper hat vorgesorgt
Schon im vergangenen Jahr hatte der GFL Bowl im Essener Stadion stattgefunden. Basierend auf seiner Erfahrung von 2023 hat Tüzin den Rasen mit einem Spezialsand behandelt, um die oberen zwei Zentimeter besonders zu schützen. „Letztes Jahr war der Rasen durch die Footballer extrem plattgetreten. Jetzt habe ich einen Pflegehorizont aufgebaut, sodass er sich nicht mehr so stark verdichten konnte“, erklärt er. Statt Farbe habe man für die Linien auf dem Football-Feld in diesem Jahr eine spezielle Kreide verwendet: „Die kann man einfach wegwischen.“
Trotzdem gibt es noch einiges zu tun. Tüzin zieht ein Stück Rasen heraus und zeigt die verschiedenen Schichten. Er erklärt, wo sich „Rasenfilz“ bilden kann. Das ist nicht oder unvollständig zersetztes organisches Material, das sich in der Grasnarbe angesammelt hat. „Vor dem Football-Spiel konnte der Platz 60 Liter Wasser in der Stunde aufnehmen, danach knapp zehn Liter“, sagt der 45-Jährige. Nun bearbeite er den Platz mit dem sogenannten Aerifizierer, um den Boden zu lockern und so mit Sauerstoff zu versorgen. „Kommen Sie rüber“, winkt er uns ein Stück weiter und zeigt: „Hier ist es schon viel weicher.“
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Greenkeeper bei Rot-Weiss Essen: „Man muss tagtäglich jeden Quadratmeter abgehen“
Tüzin ist Experte für seinen Rasen. Er düngt ihn, lockert ihn, sät nach. Er weiß, dass der Boden sensibel ist. In der Saison habe der Rasen manchmal kaum Zeit, sich zu erholen. Der Greenkeeper weiß auch, dass man den Teil des Platzes, der auf der Sonnenseite liegt, anders behandeln muss als den im Schatten. „Man muss tagtäglich jeden Quadratmeter abgehen“, predigt er.
Nur wenn man wachsam sei, könne man beispielsweise erkennen, wenn ein Pilz den Rasen befallen habe. „Und es gibt Pilzerreger, die den Platz innerhalb kürzester Zeit kaputt machen können“, betont Tüzin. Habe man einen Befall entdeckt, so verteile man 650 Liter Wasser, gemischt mit einem Gegenmittel, und verteile es per Feldspritze. Manchmal könne sich ein Pilz durch hohe Luftfeuchtigkeit gut einnisten, auch Vögel könnten ihn auf den Rasen tragen, und nicht zuletzt Menschen mit ihren Schuhen: „Deshalb achten wir immer darauf, dass keine Fremden auf dem Rasen unterwegs sind.“
RWE-Greenkeeper lockert regelmäßig den Boden auf dem Platz
Jeden zweiten Tag mäht er den Rasen aktuell mit einem Aufsitzmäher. Die perfekte Grashalmlänge bewege sich etwa zwischen 22 und 30 Millimetern, berichtet er. Im Sommer schneide er ihn etwa auf 26 Millimeter. Im Winter, wenn das Wachstum aufgehört habe, auf 30 Millimeter. Bis zu einer Bodentemperatur von etwa 6 Grad wachse noch etwas. „Danach muss man mit dem arbeiten, was man hat“, sagt Tüzin. „Man muss genau wissen, was die Pflanze braucht, um sie zu schützen und stabil zu halten.“ Dazu setze man zum Beispiel verschiedene Dünger ein.
Mit einem Tiefenlockerer sorgt Tüzin dafür, dass die untere Bodenschicht aufgelockert wird. Das ist unter anderem nötig, um die Wasserführung zu verbessern, damit Regen zum Beispiel gut versickern kann. Der Aerifizierer tut das selbe für die obere Schicht. Auch die Sauerstoffführung optimiere er mit diesem Gerät, erklärt der Greenkeeper: „Wenn man das nicht machen würde, würde der Boden irgendwann anfangen zu stinken, es würden sich Algen bilden und das Wurzelwerk würde sich nach oben ziehen.“
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Team bei Rot-Weiss Essen besteht aus fünf Greenkeepern
Besonders vor den Spielen und in der Halbzeit kommt der Trittstock zum Einsatz. Man kennt die Bilder, wie Greenkeeper damit Unebenheiten und Schäden im Boden beseitigen, damit der Ball gerade rollt und sich niemand verletzt. Bis zum Sommer hat Tüzin alle Spiele selbst betreut: die von Rot-Weiss Essen und die des Frauen-Bundesligisten SG Essen-Schönebeck. „Es gibt Tage, da ist man vier, fünf, sechs Stunden auf dem Platz“, berichtet er.
Inzwischen sei das Team gewachsen, sodass er auch Aufgaben abgeben könne, sagt Tüzin. Fünf Männer gehören zum Greenkeeper-Team von RWE. Tüzin ist der Head-Greenkeeper. Außer um den Rasen im Stadion kümmern sie sich noch um den Trainingsplatz und den Rasen am Nachwuchsleistungszentrum. Insgesamt seien das über 30.000 Quadratmeter, betont der 45-Jährige.
Marcus Uhlig holte den Greenkeeper 2021 zu Rot-Weiss Essen
Wie wird man Greenkeeper? In seiner Heimat, der Türkei, hat Tüzin zwei Lehren angefangen: Elektrotechniker und Koch. Beides habe ihm nicht wirklich Spaß gemacht, erzählt er. Seit 28 Jahren lebt er nun in Deutschland, 2008 fing er bei den Lebenshilfe-Werkstätten in Leverkusen an und landete dann auf Leihbasis bei Bayer Leverkusen. Dort lernte er den Greenkeeper-Beruf kennen. „Nachdem ich da ein bisschen Zeit verbracht hatte, habe ich gesagt: Okay, das ist mein Beruf, und dafür tue ich alles“, erinnert sich Tüzin.
Er habe dann seine Sprachkenntnisse verbessert, sei 2011 bei Bayer Leverkusen festangestellt worden, und habe 2012 seine Ausbildung begonnen. Tüzins offizielle Berufsbezeichnung ist Fachagrarwirt. Um Head-Greenkeeper zu werden, hat er verschiedene Weiterbildungen und Schulungen der Landwirtschaftskammer NRW gemacht. 2021 holte ihn der damalige Vorstandsvorsitzende Marcus Uhlig zu Rot-Weiss Essen.
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„Beim ersten RWE-Spiel habe ich Gänsehaut bekommen“
Er habe die Atmosphäre bei RWE schnell lieben gelernt. „In Leverkusen habe ich Spiele gegen Madrid, Manchester, Barcelona gesehen. Aber beim ersten RWE-Spiel habe ich Gänsehaut bekommen“, erzählt er. Viele hätten ihn für verrückt erklärt, von einem Bundesligisten zu einem damaligen Regionalligisten zu wechseln. „Ich habe aber gesagt: Ich gehe dahin, wo ich mich wohlfühle und wo ich mich weiterentwickeln kann“, sagt er.
Tüzin liebt seinen Beruf, auch wenn er manchmal ein dickes Fell haben muss. Sieht der Rasen schlecht aus, sind die Fans sauer. „Wenn man den Job macht, sollte man Kritik abkönnen“, sagt er. „Läuft das Spiel nicht gut, heißt es oft: Der Rasen ist schuld.“ Im vergangenen Herbst und Winter habe man mit dem Rasen zu kämpfen gehabt, unter anderem wegen des vielen Niederschlages.
„Von Oktober bis Dezember hatten wir 453 Liter Regen pro Quadratmeter“, sagt er. „Wir hatten ganz viele Spieltage im Regen.“ Kämen Niederschlag und die Belastung durch den Spielbetrieb zusammen, gehe mehr kaputt.“ Dieses Jahr seien die Bedingungen glücklicherweise besser.
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