Essen. Noch heute erinnern Fachwerkhäuser aus verschiedenen Jahrhunderten an Zeiten, als dort vorwiegend Milchbauern und Bergleute lebten.
Vom dünn besiedelten, bäuerlich geprägten Gebiet zum begehrten Wohnstadtteil im Essener Südwesten: Der Haarzopfer Heimatforscher Herbert Schmitz (83) hat sich mit dem Wandel seines Stadtteils beschäftigt. Er ist dabei auf Überbleibsel aus alten Zeiten gestoßen, die bis heute von der Vergangenheit zeugen.
Herbert Schmitz hat die Veränderungen teils hautnah erlebt. Der gebürtige Haarzopfer ist an der Hatzper Straße aufgewachsen, wo sein Vater einen Gemischtwarenladen unterhielt und die umliegenden Bauern mit Sämereien versorgte. Der 83-Jährige forscht seit vielen Jahren zur Stadtteilgeschichte und veröffentlicht historische Aufsätze.
Der Stadtteil Essen-Haarzopf war früher durch Bauern und Bergleute geprägt
Aus dem Wohnort von Köttern, Milchbauern und Bergleuten ist ein Stadtteil mit dichter Bebauung und einem modernen Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum, der 2008 eingeweihten Neuen Mitte Haarzopf, geworden. Es gibt Arztpraxen und Apotheken und einen kleinen, aber gut ausgestatteten Wochenmarkt. „Allerdings sucht man ein Café und geeignete Gastwirtschaften vergebens“, bedauert Schmitz. Das sei früher anders gewesen.
Die Geschichte der „Hersapa“ genannten Bauer- und Honnschaft als Ursprung des Stadtteils reicht laut Schmitz mindestens bis 1215 zurück. Sie gehörte mit dem Dorf Mülheim als Mittelpunkt zur bergischen Unterherrschaft Broich. Erst 1915, also 700 Jahre später, kam die Bauerschaft im Zuge der Eingemeindung der Bürgermeisterei Bredeney in die „aufblühende Stadt Essen“.
In der Vergangenheit spielte laut Schmitz die jeweilige christliche Konfession eine Rolle dabei, wohin sich die Bewohner orientierten. Die zunächst nur wenigen katholischen Einwohner Haarzopfs gingen zur Werdener Luciuskirche, die evangelischen besuchten über Jahrhunderte die Kettwiger Kirche und wurden auch dort begraben – bis Haarzopf 1905 einen eigenen Friedhof erhielt.
Die alten Höfe und Kotten in Essen-Haarzopf lagen oft an Wasserläufen oder in Siepentälern
Die alten Höfe und Kotten, die das Bild des Stadtteils prägten, lagen laut Schmitz bis zum Zweiten Weltkrieg verstreut an Wasserläufen und in Siepentälern in der weitgehend landwirtschaftlich genutzten Fläche. „Nach 1945 veränderte die über eine Trümmerschutzrampe angelegte Raadter Straße das Ortsbild total“, so Schmitz.
Bis dahin sei Haarzopf Wohnort etlicher Milchhändler und Bergleute gewesen, die besonders entlang der Humboldtstraße lebten. Die Bergleute arbeiteten auf den Zechen in den Stadtteilen Fulerum und Rüttenscheid. Die Milchhändler lieferten vor Ort, fuhren mit ihren zweirädrigen Pferdekarren mit großen Milchkannen aber auch in benachbarte Vororte und zu Wochenmärkten.
Der Stadtteil Essen-Haarzopf wuchs damals schnell
Der einst dünn besiedelte, ländliche Stadtteil Haarzopf wuchs im Laufe der Zeit beachtlich: von 338 Einwohnern (1812), über 438 Einwohner (1845) und 1500 Einwohner (1911) auf 7565 Einwohner in 2016.
Beim Spaziergang durch Haarzopf kommt man an Fachwerkhäusern vorbei, die teils mehrere Jahrhunderte alt sind und an frühere Bewohner des Stadtteils erinnern. Diese sind zwar bisher von Abriss verschont geblieben, erscheinen heute aber teils stark verändert, sind zum teils unbewohnt und vom Verfall bedroht.
Wie der Kotten des Haarzopfer Milchfuhrmanns von Berg am Sonnenscheinsweg 3. Er sei, so der Heimatforscher, früher mit Holzschindeln aufwändig verkleidet gewesen. Nun sei er seit Jahren unbewohnt und verfalle. In alte Hofakten hat Herbert Schmitz gefunden, dass das Bauland ein Flurstück mit dem Namen „in der Mark“ war, eine alte Viehhütung in der Waldmark des unweit gelegenen Bauernhofes Thielenkamp.
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Erbauer des Kottens waren laut Schmitz 1851 die Eheleute Friedrich von Berg, die ihren Besitz bis heute in der Familie weitergaben. „Interessant ist der in Haarzopf nur noch an dieser Stelle erhaltene Ziehbrunnen für den Wasserbedarf des Hauses und des Viehs“, so der Heimatforscher.
Alte Urkunden zeugen vom Bau und Verkauf der Fachwerkhäuser
Ein weiterer Fachwerkbau steht unweit davon Im Siepken 50. Der Linnmannkotten sei um 1823 durch den Zimmermann Heinrich Linnmann errichtet worden. Das hat Schmitz in alten Notariatsakten gefunden. Noch heute sei erkennbar, dass der Erbauer damals das Gebäude mit vielen unterschiedlichen Holzbalken unregelmäßig erstellt habe. Das Anwesen ging 1884/85 an Milchfuhrmann Heinrich Ruhrmann und seine Frau, die es 1895/96 an die Eheleute Kalthoff weitergaben.
Herbert Schmitz: „Alte Haarzopfer erinnern sich noch an den Beinamen des Kottens ,Kalthoff im Kuckuck‘, womit die einsame und abseitige Lage des kleinen Kottens treffend bezeichnet wurde.“ Der zugehörige 18 Meter tiefe Wasserbrunnen sei verfüllt worden.
Als drittes Gebäude dieser Art ist der Winkel-Kotten erhalten geblieben, der laut Herbert Schmitz um 1698 auch mitten in der Haarzopfer Mark entstand, nach alten Urkunden offenbar von einem nicht sehr vermögenden Menschen namens „Ebert im Stück Hüßgen“ errichtet. Das Gebäude, das 1848/50 oberhalb der alten Kottenstelle durch einen Nachfolgebau ersetzt wurde, hatte im Laufe der Jahre mehrere Eigentümer. Es sei 1979 umgebaut und innen komplett erneuert worden, wobei die Außenfassade erhalten geblieben sei.
Heimatforscher erfreut sich an teils aufwendig restaurierten Gebäuden
Für den Heimatforscher eine besonders attraktive Erinnerung an die Haarzopfer Vergangenheit: „Das schöne Kottengebäude liegt an einem kleinen Zufahrtsweg oberhalb eines eigenen Teiches, innerhalb gut gepflegter Grünanlagen. Es dürfte in der Gesamtausstattung das ansehnlichste und bemerkenswerteste Fachwerkhaus in Haarzopf sein.“
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