Essen. Einlasskontrollen, Alarmsysteme, Hausverbote, Strafanzeigen: So reagieren Essens Krankenhäuser auf zunehmende Gewalt gegenüber Klinikpersonal.
Mit verstärkten Sicherheitsmaßnahmen hat das Essener Elisabeth-Krankenhaus auf den beispiellosen Angriff vor gut zwei Wochen reagiert. Bis auf Weiteres kann niemand die Klinik in Huttrop ohne Kontrolle betreten. Auch andere Essener Krankenhäuser stellen nun ihre Sicherheitskonzepte auf den Prüfstand.
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Am 20. September waren die Angehörigen eines verstorbenen Notfallpatienten mit ungebremster Gewalt gegen ein Reanimationsteam vorgegangen. Sie verschafften sich Zutritt zum Herzkatheter-Labor, zerstörten Mobiliar, schlugen Pflegekräfte und Ärzte. Mindestens sechs Beschäftigte wurden verletzt. Die Polizei geht davon aus, dass polizeibekannte Mitglieder eines türkisch-libanesischen Clans an den Übergriffen beteiligt gewesen sein sollen; die Ermittlungen laufen.
Für die Randalierer ist das Essener Krankenhaus ab sofort tabu
Das Elisabeth-Krankenhaus hat die Beteiligten mit Hausverboten belegt. „Wenn sie sich anständig verhalten hätten, hätten sie sich eine halbe Stunde später in unserem Verabschiedungsraum von dem Verstorbenen verabschieden können“, sagt die Sprecherin des Krankenhauses, Dorothee Renzel. So aber sei ihnen auch in Zukunft der Zutritt verwehrt.
Es passiere immer wieder, dass Patienten oder Besucher ausfallend oder übergriffig gegenüber dem Klinikpersonal würden. Das Team sei geschult, mit Menschen umzugehen, die unter Drogen oder Alkohol stehen oder sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befänden, sagt Renzel. Im aktuellen Fall aber setzten sich die Angreifer so bewusst wie brutal über alle Regeln hinweg: „Es flogen Menschen durch den Raum, andere wurden gewürgt.“
„ Es flogen Menschen durch den Raum, andere wurden gewürgt.“
Für die Angreifer gelte wie für alle mit Hausverbot belegten Personen, dass sie weder als Besucher willkommen seien – noch als Patienten. „Sie werden ausschließlich im Rahmen einer akuten Gesundheitsgefährdung in den Räumen der Zentralen Notaufnahme geduldet. Sobald diese Gefährdung als abgewendet gilt, können diese Patienten durch das Personal zum Verlassen des Hauses aufgefordert werden“, stellt die Kliniksprecherin klar.
Wer das Krankenhaus derzeit für Behandlung oder Besuch betritt, wird von zwei Sicherheitsleuten am Empfang gefragt, mit welchem Anliegen und Ziel er komme. Nach den schlimmen Vorfällen erfahre man von den Patienten „viel Solidarität und auch Verständnis für die Einlasskontrolle“.
Im Elisabeth-Krankenhaus gelten Besuchszeiten von 14 bis 20 Uhr. Auch bittet man um gegenseitige Rücksichtnahme, gerade wenn mehrere Patienten ein Zimmer teilen: „Achten Sie auf eine moderate Besuchsdauer sowie eine angemessene Anzahl an Besuchern je Patienten.“ Richtwert seien zwei Personen je Patient; befolgt werde das oft nicht: „Immer wieder müssen wir Angehörige oder Besucher auf die Besuchsregeln und Hausordnung verweisen.“
Deeskalationstrainings für die Teams
Neben Securitys oder Alarmsystemen setzen Krankenhäuser bei der Sicherheit oft auch auf Deeskalationstrainings für ihre Mitarbeiter. Hier sollen sie einüben, kritische Situationen zu entschärfen.
An vielen Kliniken gibt es ein PSU-System, also eine Psychosoziale Unterstützung. Die Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) setzen daneben auf „kollegiale Ersthelfer“, die betroffene Kollegen bei besonderen Vorkommnissen unterstützen können.
Auch in anderen Essener Krankenhäusern gibt es ein geschärftes Bewusstsein für die „besonderen Herausforderungen des Krankenhausbetriebs“, wie es die Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) formulieren. Bedrohungen richteten sich hier vor allem gegen Mitarbeiter der Notaufnahme sowie der Klinik für Psychiatrie und Suchtmedizin. Das Notfalltelefonsystem in der Psychiatrie werde gerade erneuert und ausgeweitet.
Essener Kliniken: In besonders bedrohlichen Situationen setzt man Sicherheitsleute ein
Grundsätzlich wappne man sich mit Notfallmaßnahmen und -szenarien für Krisenlagen. Das schlägt sich sowohl räumlich als auch bei der technischen Ausstattung der Beschäftigten – Stichwort Notfallknopf – nieder. Nach und nach baue man die Notfall-Behandlungsräume so um, „dass schon bei Übergriffversuchen entsprechend schnell agiert oder reagiert werden kann“. Sicherheitsleute setze man „in besonders bedrohlichen Situationen“ ein.
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Der Schutz von Patienten und Beschäftigten genieße höchste Priorität. „Bei Gewalt gilt bei uns Null-Toleranz.“ Folgerichtig werde jeder Übergriff zur Anzeige gebracht und damit strafrechtlich verfolgt. Hausverbote verhänge man dagegen nur in Ausnahmefällen nach verbalen Attacken, Bedrohungen oder wenn Betroffene mit ihrem Verhalten „die Versorgung ihres Verwandten sowie den weiteren Krankenhausbetrieb erheblich gestört“ haben.
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Auch beim Alfried-Krupp-Krankenhaus mit seinen zwei Standorten heißt es, dass man nur „vereinzelt“ Hausverbote aussprechen müsse. „Wir treten insgesamt konsequenter auf, setzen Security zur Unterstützung auf die Stationen und in die Eingangshalle, und fordern Unterstützung der Polizei an“, sagt Sprecherin Hille Ahuis. In Rüttenscheid sei jede Nacht ein Sicherheitsmitarbeiter im Foyer, in der Steeler Notaufnahme nur am Wochenende. Bei Bedarf werde „kurzfristig aufgestockt“.
Aktuell überprüft die Krupp-Geschäftsführung ihr Sicherheitskonzept: „Der schockierende Angriff auf Kolleginnen und Kollegen im Elisabeth-Krankenhaus hat uns alle sehr bestürzt. Anlass für uns, die Sicherheitsstrategien auch für unser Krankenhaus umfassend neu zu denken.“ Deeskalations-Trainings für Mitarbeiter, Alarmsysteme oder Securitys seien nur „kleine Bausteine“; man werde in Kooperation mit Sicherheitsexperten weitere Maßnahmen entwickeln. „Der Arbeitsplatz unserer Mitarbeitenden muss immer ein geschützter Ort sein.“
Wenn die Situation eskaliert, ruft die Essener Uniklinik die Polizei
Und doch machen Klinikbeschäftigte immer wieder negative Erfahrungen, erleben Übergriffe. Das berichtet auch das Uniklinikum, das schon aus verschiedensten Gründen – von Bedrohung bis Diebstahl – Hausverbote erteilt hat. In gefährlichen Situationen können die Mitarbeiter den eigenen Sicherheitsdienst anrufen, „der rund um die Uhr das Gelände kontrolliert“. Wenn Unterstützung nötig sei, könne man einen privaten Securitydienst hinzuziehen, bei einer Eskalation rufe man die Polizei. „Zudem ist in unseren beiden Notaufnahmen ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr anwesend.“ Denn Notaufnahmen sind leider immer wieder Schauplatz von Gewalt.
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