Essen. Viele Motive ergeben noch kein Gesamtbild. Das Community-Projekt „Unlocking Paradise“ bei der Ruhrtriennale in Essen.
Paradis perdu! Der Maler Paul Gauguin gab das Paradies einst verloren, als er seinen Südseetraum vom reinen, unschuldigen Leben von den unschönen Spuren der Zivilisation beschmuddelt sah. Die Bilder, die er schuf, wurden freilich Meisterwerke. Auch auf Pact Zollverein soll die Paradies-Suche nun als Kreativitätsschub dienen. Nicht schönfärberisch, aber mit recht flachem Pinsel geht die Ruhrtriennale daran, ein Bild vom wieder aufgesperrten Garten Eden zu entwerfen: „Unlocking Paradise.“
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Es wird ein Wimmelbild, dessen Wirkung vor allem an seinen ganz unterschiedlichen Stilmitteln krankt. Zu sehen sind darauf Menschen, die sich auf der Bühne von Pact Zollverein zwar dauernd streifen, aber nie wirklich begegnen.
Es treten auf: ein internationaler Chor mit Wurzeln im Nahost (Orpheus XXI), eine Rom:nja-Tanzgruppe (Romano Than) und eine transgenerationale Theatergruppe (The Remains). Was an den Stadttheatern längst zur gängigen Praxis gehört, nämlich generationenübergreifende und divers aufgestellte Teams von Spielenden in die Theaterarbeit einzubinden, hat nun auch bei der Ruhrtriennale Einzug gehalten. Zwischen den groß besetzten Produktionen mit Stars von Sandra Hüller bis Isabelle Huppert wirkt das Community-Projekt aber noch recht verloren.
Erinnerungen an Glanzbilder und Gummitwist
In Essen tragen die Akteure zunächst einen kleinen Abfallberg aus Zivilisationsrelikten zusammen, um den Erinnerungen an das eigene Paradies auf die Sprünge zu helfen. Das Stückchen Kernseife als Überbleibsel vom Badetag bei Oma taucht da genauso auf wie die Erinnerung an Glanzbilder und Gummitwist oder die Fahrt mit der Straßenbahnlinie 107.
Es sind gesammelte „Protokolle aus‘m Pott“, Lebensminiaturen, die nun gerahmt werden von Erinnerungen an Flucht, Ankommen und Ausgegrenztsein, die seit langem auch zur Erzählung des Ruhrgebiets gehören. Drei Kulturkreise treffen aufeinander. Aber wie man sie künstlerisch wirklich in Beziehung setzt, darauf weiß auch dieser von Tomasz Prasqual entwickelte und von Ruhrtriennale-Chef Ivo Van Hove in Szene gesetzte Abend keine richtige Antwort.
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So lauscht man andächtig, wenn die schönen Stimmen des „Orpheus XXI“ Lieder von verlorener Heimat und Liebe singen. Und hält beim mitreißenden Turbo-Tanztempo der Dortmunder Rom*nja-Tanzgruppe „Romano Than“ den Atem an.
„Unlocking Paradise“ ist ein Abend, der aus den unterschiedlichen Klängen, Traditionen und Erzählungen der Vergangenheit ein gemeinsames Stück Zukunft destillieren will. Dass die Ideen vom kleinen Paradies oft ähnlich sind, zeigt die Einspielung der mit Akteuren geführten Video-Interviews. Friede, Freiheit, Familie, manchmal auch ein schnelles Auto, rangieren ganz oben.
Playback-Auftritt: Musicalsong erklingt zum Abschluss
Man hätte das so stehen lassen können. Dass alle Beteiligten am Ende des knapp 60-minütigen Abends noch in einer Art Playbackshow mit einem Musical-Song aus „Die Eisprinzessin“ gemeinschaftlich auf die Bühne treten, erscheint als eher bescheidener Ausweis eines vertieften interkulturellen Dialogs.
Das Publikum belohnte die Uraufführung mit lautem, langanhaltendem Applaus.
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