Essen/Mülheim. Das Nahverkehrsunternehmen tauscht seine museumsreife Zugsicherung aus, alle Stellwerke werden digitalisiert. Was das für Fahrgäste bedeutet.
„Das Klackern, das Sie im Hintergrund hören, ist Musik in unseren Ohren“, sagt Ruhrbahn-Chef Michael Feller beim Besuch des Stellwerkes an der Schweriner Straße, eines von fünf Stellwerken der Ruhrbahn in Essen und Mülheim. Was dort klackert, sind Relais-Schalter, ohne die in beiden Städte keine U-Bahn oder Straßenbahn fahren würde. Genauer gesagt: Es ist das K50-Relais. „50 steht für das Jahr, in dem es entwickelt wurde“, erläutert Guido Rumpel von Siemens Mobility, womit klar ist: Wir befinden uns in einem Museum.
Seit den 1970er Jahren steuern die von Siemens entwickelten Relais-Schaltungen den Schienenverkehr in Essen und Mülheim. Musik in den Ohren der Verantwortlichen ist diese Technik nur, weil sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters immer noch funktioniert, was auch dem Fachmann von Siemens Respekt abnötigt. „Mich beeindruckt, wie sie es geschafft haben“, das am Laufen zu halten“, sagt Guido Rumpel. Trüge er einen Hut, er würde ihn wohl ziehen.
Ersatzteile für die Zugsicherungstechnik der Ruhrbahn lassen sich nur noch mit großer Mühe beschaffen
Weil aber alles im Leben einmal endet, wie es Ruhrbahn-Chef Feller formuliert, hat die Ruhrbahn damit begonnen, die museumsreife Technik zu modernisieren. Alle fünf Stellwerke werden bis 2031 digitalisiert. Das ist offenbar höchste Zeit. Denn Ersatzteile lassen sich nur noch mit Mühe beschaffen. „Wir haben uns bevorratet durch Plünderungen bei anderen Verkehrsunternehmen, die ihre Systeme bereits umgestellt haben“, gesteht Ingolf von Seht von der Ruhrbahn. Nicht Bauteile sind schwer zu finden, auch Mitarbeiter, die wissen, wie man sie verbaut. Denn die sterben langsam aber sicher aus.
180 Millionen Euro investiert die Ruhrbahn in den kommenden sechs Jahren in die Digitalisierung ihrer Stellwerke. 60 Prozent der Kosten tragen Bund und Land. Mit dem Austausch der Relais-Schalter ist es nicht getan. Hunderte Tonnen Kabel müssen entfernt und neu gezogen werden.
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Die Fahrgäste sollen davon nichts mitbekommen. Gearbeitet werde nachts, damit der Betrieb tagsüber ungestört weitergehen kann. Merken sollen es die Fahrgäste erst, wenn alles fertig ist. Dann sollen Verspätungen seltener vorkommen, als es heute der Fall ist. Auch wenn dafür häufiger Falschparker oder Unfälle verantwortlich sind, als schwächelnde Relais-Schalter, wie Michael Feller betont. Durch die Modernisierung werde das System wartungsarmer, zuverlässiger und im Betrieb wirtschaftlicher, heißt es.
Am U-Bahnhof Rathaus haben die Arbeiten bereits begonnen
Insbesondere in den U-Bahntunnel verspricht sich die Ruhrbahn „mehr Stabilität“. Dies auch deshalb, weil im Tunnel zusätzliche Gleise verlegt werden, auf denen Bahnen, die aufgrund einer Störung anhalten mussten, umfahren werden können. Eine liegengebliebene Bahn bremst damit nicht mehr den gesamten Verkehr aus.
Die fünf Stellwerke werden nun nach und nach umgebaut, nachdem Siemens Mobility in einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag bekommen hat. Die nötige IT-Sicherheit, die den digitalisierten Schienenverkehr vor Hackerangriffen schützen soll, hat die Ruhrbahn gleich mit eingekauft. Sie gehört zum Rundumpaket.
Am U-Bahnhof Rathaus haben vorbereitende Arbeiten bereits begonnen. Das Stellwerk am Mülheimer Hauptbahnhof, erbaut 1979, ist 2026 an der Reihe. Das Stellwerk am Essener Hauptbahnhof wird geteilt, in zwei Stellwerke.
Noch ist es das größte Stellwerk Europas. Täglich werden dort 5000 Mal Weichen gestellt und 23.000 Mal Signale gesetzt, jedes Mal begleitet von einem Klackern. Anfang 2031 soll endgültig Ruhe herrschen. Dann ist es vorbei mit der Musik in den Ohren des Ruhrbahn-Chefs und seiner Techniker.
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