Essen-Gerschede. Familie Vogelpoth aus Essen verwandelt ihren Schottergarten in eine grüne Oase – mit Unterstützung des Bündnisses Grüne Lungen.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten: Für die einen sehen sie schick aus und bieten eine pflegeleichte Alternative zu Sträuchern und Blumenrabatten, für die anderen sind es „Gärten des Grauens“. Unter diesem Titel werden auf Social-Media-Kanälen deutsche Vorgärten aus Schotter angeprangert. Das „Bündnis Grüne Lungen für Essen“ hat sich auf die Fahnen geschrieben, für grüne, ökologisch wertvolle Vorgärten zu werben – und im Frühjahr dieses Jahres den Wettbewerb „Moneten für Schotter“ ausgeschrieben.

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Bis zu 1000 Euro für die Entsiegelung und Begrünung eines Schottergartens wurden ausgelobt. Bis zum 15. Juni konnten sich private Hauseigentümer aus Essen bewerben. Gesichert hat sich das Geld Familie Vogelpoth aus Gerschede – und dort geht man jetzt mit gutem Beispiel voran: Ihrem sechs mal siebeneinhalb Meter großem Schottergarten ging es am vergangenen Wochenende an den Kragen, respektive an die Steine.

Haus in Essen-Gerschede samt Schottergarten gekauft

Vor anderthalb Jahren hatte Andreas Vogelpoth für seine Familie mit Ehefrau Lena und dem fünf Monate alten Sohn ein Haus in Essen-Gerschede erworben. „Der Schottergarten war damals schon vorhanden“, erinnert er sich. „Wir fanden den nicht schön und hätten auch lieber etwas in Grün gehabt. Aber es gab in dieser Zeit einiges am Haus zu tun, da haben wir den Vorgarten erstmal hintangestellt.“

Hier sollen Hochbeete und eine Rasenfläche entstehen, weiter hinten eine Wildblumenwiese.
Hier sollen Hochbeete und eine Rasenfläche entstehen, weiter hinten eine Wildblumenwiese. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Der Aufruf des „Bündnis‘ Grüne Lunge“ kam da gerade recht. „Ich habe darüber zufällig im Internet gelesen und gedacht: Das ist etwas für uns.“ Vogelpoth erhielt einen Fragebogen und füllte ihn aus. „Wir mussten dann noch ein paar Fotos von dem Vorgarten schicken. Und dann rief Estelle Fritz vom Bündnis an und sagte, dass wir ausgewählt worden seien.“

Mit bis zu 1000 Euro unterstützt das „Bündnis Grüne Lungen für Essen“ nun den Umbau des Vorgartens. Die Ziele der Aktion: „Die Wohnumgebung kühlend und gesundheitsgerecht zu gestalten, das Stadtklima vor der Haustür zu verbessern und den Garten auf den neuesten Stand der Gesetzeslage zu bringen“. Apropos Gesetze: Tatsächlich hat das Land Nordrhein-Westfalen sein bereits seit Jahren bestehendes Begrünungsgebot erst in diesem Jahr weiter verschärft: Kunstrasen und Schottergärten sind landesweit nicht mehr zulässig. Zwar müssen bestehende Schottergärten nicht begrünt werden, es dürfen aber auch keine neuen mehr angelegt werden.

Grüne Gärten gegen Überschwemmung

Begründet wird das Ganze auch mit dem Klimawandel: Begrünte Vorgartenbereiche sorgen durch Verdunstung der Pflanzen für ein besseres Mikroklima, sie bieten Nahrung und Lebensraum für Insekten sowie andere kleine Tiere. Darüber hinaus mindert ein unversiegelter und begrünter Vorgarten die Risiken für starkregenbedingte Überschwemmungen oder Schäden, da das Regenwasser versickern kann. Dass ein Schottergarten pflegeleichter sei, da hat Vogelpoth übrigens seine Zweifel: „Damit das vernünftig aussieht, muss man da auch ständig das Grünzeug rausreißen, das zwischen den Steinen wächst. Dann lieber Arbeit in einen grünen Garten stecken.“

Schottergärten: Rechtliche Vorgaben

Sechs Bürgerinitiativen, die sich in ihren Stadtteilen für den Erhalt von Grün- und Freiflächen einsetzen, haben sich 2020 zum „Bündnis Grüne Lunge für Essen“ zusammengeschlossen. Informationen gibt es unter www.facebook.com/zukunftgruen.

Einen politischen Vorstoß zum Verbot von Schottergärten unternahmen die Grünen im Rat der Stadt bereits im Jahr 2019. Sie wollten die Gestaltung von Vorgärten stärker reglementieren. Der damaligen Ratsmehrheit aus SPD und CDU ging das zu weit. Sie setzte stattdessen auf bessere Einsicht der Hausbesitzer durch Informationen und Aufklärungsarbeit.

Seit der Kommunalwahl sind die Karten im Rat neu gemischt. Schon in den Koalitionsgesprächen mit der CDU brachten die Grünen das Thema erneut auf die Tagesordnung. Beide Seiten verständigten sich darauf, zunächst abzuwarten, was die Landesregierung vorlegen wird.

Die Landesbauordnung NRW erhielt nun zu Beginn des Jahres 2024 eine Aktualisierung zum Thema „Schottergärten“. Demnach sind Schotterungen oder die Anlage eines Kunstrasens im Vorgarten generell nicht mehr zulässig. Überbaute Flächen gilt es, „wasseraufnahmefähig zu belassen“, sie sind zudem „zu begrünen und zu bepflanzen“.

Dass unversiegelte Vorgärten vielfältige Vorteile bieten, weiß Vogelpoth auch, und er ist froh, endlich an die Arbeit gehen zu können. Im Kopf ist der zweigeteilte Vorgarten bereits durchgeplant: Die eine Hälfte wurde am vergangenen Wochenende bereits vom Schotter befreit und mit Erde aufgefüllt. „Wir wollen einen Teil des Schotters aber behalten und vor Ort wiederverwenden“, erklärt Vogelpoth. „Dort vorne wollen wir Hochbeete aus Gabionen setzen, dafür können wir einige Steine gut gebrauchen.“

Gabionen sind Käfige, die mit Steinen gefüllt werden. Und weil das auch wieder sehr grau aussieht, sollen die Hochbeete vorne mit Holz verkleidet werden. Vogelpoth: „Von hinten dienen die Steine dann hoffentlich als Unterschlupf für Wildhummeln und andere Insekten.“ Auf dem Rest der Gartenhälfte soll eine Rasenfläche entstehen. „Wir haben eine Sorte gewählt, die man auch im Herbst säen kann, damit es hier vorangeht.“

Auf der zweiten Hälfte, die etwas höher liegt, wird es dann bunt: Hier plant Vogelpoth eine Wiese mit großen Wildblumen – ebenfalls gut für Insekten. Noch ist davon allerdings nichts zu sehen. Erst im kommenden Frühjahr dürfte die harte Arbeit des Wochenendes „erste Früchte“ tragen, um im gärtnerischen Bild zu bleiben.

Steine sollen weiter verwertet werden

Jede Anschaffung muss Vogelpoth über Quittungen nachweisen. Der ausgelobte Betrag wird aber wohl nicht ausreichen, was den Familienvater jedoch nicht weiter stört. „Das ist erstmal eine tolle Finanzierung, den Rest übernehmen wir selbst.“

Und was passiert mit dem ganzen Schotter? „Wir hatten gestern eine Anfrage über das Bündnis, wo jemand einige der Steine gebrauchen kann. Auch einer unserer Nachbarn will seine Einfahrt neu machen. Vielleicht müssen wir Steine auch entsorgen. Erstmal werden die jetzt zwischengelagert. Und dann gucken wir, ob wir eine gute Lösung finden.“ Für den Vorgarten sowie für Natur und Klima allgemein scheint eine solche zumindest ein Stückweit gefunden.

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