Essen. Eine Fahr-Anordnung der Polizei an die Ruhrbahn löst bei Gewerkschaft Verdi Kritik aus: Der AfD sei „ein roter Teppich ausgerollt“ worden.
Elf Tage nach Ende des AfD-Bundesparteitages in der Grugahalle hallt das Ereignis, das die Stadt ein Wochenende lang in Atem gehalten hat, nach. Kritik an der Polizeiführung äußert jetzt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Der AfD wurde der rote Teppich ausgerollt“, bemängelt Dennis Kurz, stellvertretende Geschäftsführer des Verdi-Bezirkes Ruhr-West.
Der Gewerkschaftsvertreter spielt damit auf einen Polizeieinsatz an, der vor Beginn des Parteitages am Samstag (30. Juni) einer geheimen Kommandoaktion gleich über die Bühne ging, ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas mitbekommen hätte.
Wie diese Redaktion erfuhr, musste die Ruhrbahn auf Anordnung der Polizei kurzfristig drei Linienbusse nebst Fahrern abstellen. Die Busse wurden nach Gelsenkirchen geleitet, wo sie vor einem Hotel rund 150 Delegierte der AfD aufnahmen. Insgesamt 600 Delegierte nahmen an dem Parteitag teil. Unter Polizeischutz wurden die Passagiere zur U-Bahnstation in Gelsenkirchen-Buer gebracht. Von dort ging die Fahrt, begleitet von der Polizei, in einem abgedunkelten U-Bahnzug der Linie U11 weiter ohne Zwischenstopp bis zum U-Bahnhalt Messe Ost/Gruga vor der Grugahalle.
Für die Öffentlichkeit war der U-Bahnhof aus Anlass des bevorstehenden Parteitages bereits am Donnerstagabend gesperrt worden. Die Ruhrbahn benannte den Halt kurzfristig symbolisch in „Vielfalt“ um. In der Grugahalle begann der Parteitag mit etwa einer halben Stunde Verspätung, trotz Protesten und vereinzelten Blockaden, die von der Polizei aufgelöst wurden.
Für die Gewerkschaft Verdi wirft Dennis Kurz die Frage auf, ob es Aufgabe der Polizei sei, Parteitagsdelegierte zum Veranstaltungsort zu bringen und dafür per Anordnung auf ein öffentliches Verkehrsunternehmen zurückzugreifen. „Öffentliche Gelder wurden dafür benutzt“, kritisiert Kurz. „Die AfD hätte auch ein privates Busunternehmen beauftragen können“, meint der Gewerkschafter.
Vor dem Parteitag hatte die Polizei erklärt, die AfD-Delegierten würden individuell anreisen
Kurz weist zudem auf den Migrations-Hintergrund von bei dem Transport eingesetzten Fahrern der Ruhrbahn hin. Diese hätten sich alles andere als wohlgefühlt angesichts einer als fremdenfeindlich empfundenen Haltung der AfD.
Auf einer Pressekonferenz vor dem Parteitag hatte der Einsatzleiter der Polizei, Detlef Köbbel, auf Nachfrage von Journalisten wörtlich erklärt: „Es ist nicht so, dass wir die Anreise eines jeden Delegierten, einer jeden Delegierten schützen müssen.“ Die Anreise zur Grugahalle erfolge individuell. Besonderen Schutz genössen nur einzelne Personen, die entsprechend eingestuft seien. Damit dürften Spitzenpolitiker der AfD gemeint gewesen sein, wie zum Beispiel die beiden Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla, oder der thüringische Landesvorsitzende und AfD-Rechtsausleger Björn Höcke.
Die Polizei hatte sich nach eigenen Angaben über Monate auf den Einsatz während des Bundesparteitages vorbereitet. Gruppen aus dem politisch linken Spektrum hatten angekündigt, den Parteitag verhindern zu wollen. Ob der besagte Geleittransport mit Bus und Bahn durch die Ruhrbahn Teil dieser Vorbereitungen war, oder ob die polizeiliche Anordnung aufgrund besonderer Umstände kurzfristig erlassen wurde, bleibt offen.
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Ein Sprecher der Essener Polizeibehörde wollte sich auf Anfrage gegenüber der Redaktion „aus polizeitaktischen Gründen“ nicht zu Details des Einsatzes äußern. Der Behördensprecher bestätigte lediglich, dass „Begleitungen“ stattgefunden hätten und die Polizei „auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen“ habe. Der Sprecher betonte, dass die Anreise der Delegierten durch das Versammlungsrecht geschützt sei. Einen Bustransport unter Polizeischutz verglich er mit dem von Fußballfans, die ebenfalls von der Polizei eskortiert werden.
Die Polizei vergleicht den Geleitschutz mit Fan-Bussen bei einem Fußballspiel
Für Dennis Kurz hinkt dieser Vergleich, da es sich bei den Fanbussen um öffentliche Verkehrsmittel handele. Die Ruhrbahn würde zudem dafür bezahlt. Ob die Ruhrbahn den Bus- und Bahn-Shuttle in Rechnung stellen wird, bleibt ebenfalls offen. Das kommunale Nahverkehrsunternehmen wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern und verwies auf die Polizei.
Für Verdi ist die Angelegenheit noch nicht beendet. Auch die Politik werde sich damit beschäftigen, so Dennis Kurz. Sowohl im Landtag als auch im Rat der Stadt stünden nach der Sommerpause Anfragen dazu an.
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