Essen. In der Pluto-Sauna stehen Kontakte im Mittelpunkt. Seit 25 Jahren trifft sich die Schwulenszene in der Essener Nord-City. Geschwitzt wird auch.
Der Eingang zur Pluto-Sauna an der Viehofer Straße in der nördlichen Essener City ist leicht zu übersehen. Die Einrichtung liegt auf der Rückseite des GOP Varieté-Theaters und zieht ein ganz anderes Publikum an. Das Angebot richtet sich ausschließlich an Männer, die meisten Gäste sind homosexuell. Sie kommen zum Schwitzen und Entspannen, aber vor allem, um sich sexuell auszuleben.
Eigentlich haben Frauen, abgesehen vom Reinigungsteam, hier keinen Zutritt. Für die Reporterin machen die Betreiber eine Ausnahme – allerdings außerhalb der Öffnungszeiten.
Die Pluto-Sauna in Essen ist Treffpunkt der Homo-Szene
In der Männersauna stehen Sehen, Gesehenwerden und Kontaktaufnahme im Vordergrund. „Wir sind ein Safe Space, ein sicherer Ort, wo die Männer sein können, wie sie sind“, erklärt Bernd Fredriksson (43), der seit 2008 in der Pluto-Sauna tätig ist, zu Anfang als Minijobber, seit vielen Jahren als Betriebsleiter. Heute könne man zwar sexuelle Kontakte jeder Art online knüpfen, „aber sich privat mit Fremden zu treffen und seine Adresse preiszugeben, ist nicht jedermanns Sache. Bei uns finden die Kontakte im geschützten Raum statt“, erklärt der Betriebsleiter.
Vor fast 25 Jahren wurde der Betrieb unter dem Namen „Phoenix“ gegründet. Treffpunkte von Schwulen waren damals noch nicht selbstverständlich und nicht jeder in der nördlichen Innenstadt begrüßte eine Gay-Sauna an der Viehofer Straße. 2016 erfolgte mit neuem Inhaber, dem Buchhändler Martin Sölle aus Köln, die Umbenennung in Pluto-Sauna. Von da an sei es weiter bergauf gegangen. „Unser Einzugsgebiet wird immer größer, wir hatten im vergangenen Jahr über 95.000 Gäste“, berichtet Fredriksson, der von seinem Stellvertreter Jonah Gelsing (24) unterstützt wird und ein Team von rund 30 Mitarbeitern leitet.
Die Öffnungszeiten sind durchaus ungewöhnlich: Die Pluto-Sauna ist an 365 Tagen im Jahr offen, montags bis donnerstags von 12 bis morgens früh um 6 Uhr, am Wochenende sogar durchgehend von freitags 12 bis montags 6 Uhr. Es gibt einen Gastro-Bereich mit Theke, wo Getränke, Snacks und Kuchen angeboten werden, Wellness-Angebote wie Trocken- und Dampfsauna, finnische Sauna, orientalischer Hamam, Massage, Whirlpool, heißer Stein, aber auch rund 30 Séparées und „Spielzimmer“. Der Eintritt kostet regulär 25 Euro pro Tag, es gibt diverse Rabattaktionen.
Die Essener Gay-Sauna bietet monatlich eine ärztliche Sprechstunde an
Den Besuchern stehen kostenlos Kondome zur Verfügung. „Es gibt keine Kondompflicht, das muss jeder für sich entscheiden“, sagt der Betriebsleiter, der aber mit Sorge beobachtet, dass angesichts des medizinischen Fortschritts eine gewisse Sorglosigkeit beim Thema HIV eingetreten sei. Neben HIV gibt es weitere sexuell übertragbare Krankheiten und die Pluto-Sauna sorgt nach Angaben der Betreiber in Zusammenarbeit mit der Aids-Hilfe Essen dafür, dass über Ansteckungsgefahren aufgeklärt wird.
Gern genutzt werde die ärztliche Sprechstunde, die die Pluto-Sauna monatlich anbiete. Besucher können sich dann vor Ort anonym und kostenlos auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. „Dieses sehr niederschwellige Angebot wird gut angenommen. Sich selbst und andere zu schützen, ist ja ein sehr wichtiges Thema für eigentlich alle Menschen mit wechselnden Sexualpartnern“, so Fredriksson.
Die Proteste und die Ablehnung, die es vor der Eröffnung der Männersauna im Jahr 2000 gegeben hat, kennt der Betriebsleiter nur aus Erzählungen. Damals hatte es Bedenken von Geschäftsleuten und Anwohnern gegeben, die befürchteten, die Einrichtung würde die nördliche Innenstadt zusätzlich zu den dort ansässigen Sexshops negativ beeinflussen. Die Aufregung legte sich aber schnell, auch weil der Saunabetrieb nach Angaben der Betreiber äußerst diskret abläuft, was auch im Interesse der Besucher sei. „Es ist irgendwie erstaunlich, wie wir trotz der hohen Gästezahlen ein bisschen ‚unter dem Radar der Aufmerksamkeit‘ auf der Viehofer Straße existieren“, sagt Jonah Gelsing.
Die Essener Männersauna wird auch von vielen auswärtigen Gästen besucht
„Willkommen ist jeder ab 18, der sich als Mann fühlt, ganz gleich, ob homo-, bi-, trans-, metro- oder heterosexuell“, betont Gelsing. Die Gäste seien altersmäßig gemischt, kämen vorwiegend aus dem Ruhrgebiet, aber auch aus Holland, Belgien, Frankreich, Berlin, Hamburg, München und sogar aus Köln, das als die Gay-Metropole NRWs gilt. „Vielleicht liegt es daran, dass wir in der Szene eindeutig als die Nettesten gelten“, sagt er und lacht.
„Uns besuchen auch viele Muslime. Ein Angebot wie unseres scheint hier besonders wichtig, damit sie ihre Neigungen ausleben können, da Homosexuelle in ihrem Umfeld oft sehr stark diskriminiert werden.“
„Die Pluto-Sauna ist, abgesehen von ähnlichen Einrichtungen in Köln, weit und breit die einzige Sauna dieser Art und in der Szene ein absoluter Hotspot“, bestätigt Aaron (20) aus Essen, der eigentlich anders heißt. Er besucht den Treffpunkt einmal im Monat, meist zu der Party, bei der jüngere Männer verbilligten Eintritt bezahlen. 300, 400 Besucher pro Abend seien da keine Seltenheit. Wie die meisten Besucher kommt Aaron allein dorthin. Fast alle suchen in der Pluto-Sauna schnelle sexuelle Kontakte, aber der Essener kennt auch Paare, die sich dort verliebt haben und länger zusammengeblieben sind.
„Uns besuchen auch viele Muslime. Ein Angebot wie unseres scheint hier besonders wichtig, damit sie ihre Neigungen ausleben können, da Homosexuelle in ihrem Umfeld oft sehr stark diskriminiert werden“, so Gelsing. Viele Besucher seien Stammgäste. „Natürlich erfährt man da auch sehr private Geschichten, viele schütten uns ihr Herz aus, man ist gelegentlich als Psychologe gefragt“, sagt Fredriksson.
Das Team lege viel Wert auf Sauberkeit, Hygiene und Nachhaltigkeit. Letztgenannte sei auch für den Gesamtbetrieb der Sauna ein wichtiges Thema: Man achte auf Energieffizienz, umweltschonende Energiequellen und unterstütze Umweltprojekte.
Aufgrund der Citylage hat der Saunabetrieb kein Außengelände
Durch die starke Frequentierung müsse ständig irgendetwas ausgebessert und erneuert werden. Während der 18 Monate langen Corona-Schließung habe das Team in Eigenarbeit die Räumlichkeiten komplett renoviert, wofür staatliche Hilfen in Anspruch genommen werden konnten, aber auch Kredite aufgenommen worden seien. Renovierungsarbeiten würden üblicherweise im Sommer durchgeführt. An heißen Sommertagen sei die Sauna naturgemäß nicht so voll. „Wir haben aufgrund der Citylage ja kein Außengelände, was viele bedauern.“
„Ich habe schon Frauen abweisen müssen, die hier einen Wellnesstag verleben wollten. Da ist dann schon etwas Feingefühl gefragt.“
„Wir hatten befürchtet, dass die Coronazeit uns extrem schaden würde, aber das Gegenteil war der Fall. Wir sind nach der Wiedereröffnung förmlich überrannt worden, was uns natürlich einerseits gefreut, aber andererseits auch an unsere Grenzen gebracht hat“, blickt Fredriksson zurück. Inzwischen habe sich alles wieder eingespielt. In der Szene sei die Pluto-Sauna bekannt, aber Werbung sei dennoch wichtig. Man werbe zum Beispiel gern online im Umfeld von Messen, auf denen Berufsgruppen mit einem tendenziell höheren Anteil an Homosexuellen vertreten seien. „Dazu zählen Floristik-Messen, aber auch die Fitness-Messe Fibo in Köln“, erklärt der Betriebsleiter.
Nicht jeder, der am Einlass steht, weiß offenbar, was ihn erwartet. Manchmal kommt es zu Missverständnissen. „Ich habe schon Frauen abweisen müssen, die hier einen Wellnesstag verleben wollten. Da ist dann schon etwas Feingefühl gefragt“, sagt Jonah Gelsing. Auch Männer wissen nicht immer, dass es in der Pluto-Sauna nicht nur ums gemeinsame Schwitzen geht. Gerade an Weihnachten und Silvester, wenn andere Sauna- und Wellnessbetriebe geschlossen sind, kommen immer wieder Besucher, die im Internet zufällig auf den Betrieb an der Viehofer Straße stoßen. „Es gibt aber durchaus heterosexuelle Männer, die sich ganz bewusst hier treffen, etwas trinken und den ein oder anderen Saunaaufguss mitnehmen“ – Männersauna „light“ sozusagen.
Der Standort der Pluto-Sauna ist durchaus geschichtsträchtig
Ob es ähnliche Einrichtungen auch für Frauen gibt? „Mir ist keine bekannt“, sagt Jonah Gelsing und vermutet, dass die Nachfrage nach dieser Art von Treffpunkt nicht so groß sei, um ihn wirtschaftlich stabil führen zu können.
Der Standort des Betriebs ist durchaus geschichtsträchtig: Die Gay-Sauna, die mit 1600 Quadratmetern auf drei Etagen Platz für 450 Gäste bietet, befindet sich in den Räumen eines ehemaligen Kinos und des traditionsreichen Werkzeughandels Dellbrügger & Klingen. Die Betreiber der Männersauna engagieren sich in der Interessengemeinschaft Essen City Nord und wollen die Aufenthaltsqualität im Viertel verbessern.
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Und es gibt weitere Pläne für die Pluto-Sauna: So soll in den angrenzenden Räumlichkeiten, in denen es vorher eine Shisha-Bar gab, ein Café mit Außenbereich für alle entstehen. „Das Gesamtgebäude inklusive GOP war früher als ,Haus am Viehofer Tor‘ bekannt. Es wäre toll, wenn man das wieder als Adresse und Hotspot für kulturelles Leben in Essen etablieren könnte“, findet Fredriksson.
Aufwertung der nördlichen Essener Innenstadt ist das Ziel
Eine Idee, die Nachbar Dirk Bußler, der das „Café Konsumreform“ in der Nähe betreibt und sich ebenfalls für die nördliche Innenstadt engagiert, sehr begrüßt. Er sieht die Pluto-Sauna als Beispiel für einen erfolgreichen Betrieb in einem Umfeld, in dem es gerade in letzter Zeit trotz aller Bemühungen um eine Aufwertung wieder Negativmeldungen gab. Das Traditionsgeschäft Lederwaren Brecklinghaus hat Insolvenz angemeldet, Leuchten Kaiser ausverkauft.
Einrichtungen wie die Pluto-Sauna findet Bußler wichtig. „Homosexualität muss, bei allem politischen Fortschritt, auch auf gesellschaftlicher Ebene sichtbarer werden, und zwar jenseits von Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day, bei dem es schrill und laut zugeht, was aber mit dem Alltagsleben der meisten wohl nicht viel zu tun hat.“
Besucher Aaron jedenfalls schätzt an der Pluto-Sauna die bunte Mischung aus verschiedenen Nationalitäten und Sprachen. „Ich gehe sehr gern dorthin, es herrscht eine offene, tolerante Atmosphäre, man trifft Freunde. Hier fühle ich mich frei.“
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