Essen. Klimaaktivisten sind in vielen Museen gefürchtet. Im Essener Museum Folkwang bekam die Gruppe „Extinction Rebellion“ nun sogar eine Sonderführung

In den meisten deutschen Museen sorgt der Besuch von Klimaaktivisten mittlerweile für höchste Alarmstufe. Nachdem Mitglieder der Gruppe „Letzte Generation“ in Potsdam, Dresden, Berlin oder London Kartoffelbrei oder Tomatensuppe auf berühmte Kunstwerke von Monet bis van Gogh warfen, geht an vielen Häusern die Angst um. In den meisten Museen wurden Taschenkontrollen eingeführt, die Sicherheitsvorkehrungen erhöht und das Aufsichtspersonal zu noch mehr Wachsamkeit aufgefordert.

Doch von all dieser Aufregung ist an diesem Nachmittag im Museum Folkwang wenig zu spüren. Die Klimaaktivisten von Extinction Rebellion (XR) ((dt. Rebellion gegen das Aussterben) haben sich angesagt. Und Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter hat das Treffen sogar mitarrangiert und ist zur Begrüßung persönlich vorbeigekommen. „Wir sind der Überzeugung, dass Kunst nicht Ziel von Attacken sein sollte, sondern zur inhaltlichen Auseinandersetzung anregt“, sagt Gorschlüter. Und stößt damit an, was eigentlich alle bei dieser besonderen Museumsführung wollen; Argumente austauschen, Vorurteile abbauen, die Sorgen über den Zustand des Planeten besprechen. Auch Kritik loswerden. Betrachtungen einer wohl ziemlich einzigartigen Begegnung.

Angeregte Debatten: Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter (2. von links) im Gespräch mit Ausstellungsbesuchern und Extinction Rebellion-Teilnehmern.
Angeregte Debatten: Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter (2. von links) im Gespräch mit Ausstellungsbesuchern und Extinction Rebellion-Teilnehmern. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Wer geglaubt hat, dass da nun ein Haufen junger Weltverbesserer aufläuft, der wird gleich eines besseren belehrt. Die in Essen angetretenen XR-Mitglieder haben – wie auch die meisten Museumsbesucher an diesem Nachmittag – schon ein paar Jahre Zeit gehabt, um mit Sorge auf den Zustand des Planeten zu schauen.

Für Michael Schrader ist das schon mal eine spannende Erfahrung. „Ich habe immer gedacht, man könnte hier nur Leute unter 30 treffen“, sagt der Endsechziger, der schon vor vielen Jahren bei „grünen Themen angedockt hat“. Der „Blick auf die Vielfalt der Krisen“ habe ihn nun zur Beschäftigung mit der sogenannten „Klimajugend“ angeregt, für deren Anliegen er durchaus Sympathien hegt. Aber er sehe auch das Missverhältnis, „dass da wichtige Themen aufgegriffen werden, während es mit der Kommunikation holpert“.

„Was hat das Bewerfen von Kunst mit der Bewältigung der Klimakrise zu tun?“

Auch für Reiner Prämaßing ist das Thema Klimakatastrophe eigentlich schon seit Jahren präsent. Beruflich habe er dazu schon Ende der 80er Grundlegendes erfahren. „Man wundert sich, was 40 Jahre später aufs Tapet kommt.“ Als Familienvater hat er sich nun bei „Parents for Future“ eingereiht. Die Aktionen der zuletzt sogar in den Verdacht einer „kriminellen Vereinigung“ geratenen Gruppierung „Letzte Generation“ will er nicht grundsätzlich verurteilen. Interessanter als manche Aktion sei doch die Reaktion. Auch Annette Kraft will Vorurteile abbauen und die Proteste der Klimaaktivisten nicht über einen Kamm scheren. Bei der Klimakrise werde die Zeit nun mal knapp und man selbst frage sich: „Warum habe ich die Dinge erst so spät begriffen?“

Nicht jeder zeigt beim Folkwang-Rundgang indes Verständnis für die Verknüpfung von Klimaaktivismus und die schlagzeilenträchtigen Attacken auf wertvolles Kulturgut. „Was hat das Bewerfen von Kunst mit der Bewältigung der Klimakrise zu tun?“, will Ulrike Wellner wissen. „Man kann nicht versuchen, der Welt eine Perspektive zu geben, wenn man die Methoden derer anwendet, die diese Welt zerstören“, findet Wellner. Ihre Kritik: Wer den Blick ständig nur auf Untergangsszenarien lenke, der erreiche die Menschen nicht.

„Wir wollen weiter unbequem sein, aber der Dialog ist auch wichtig“

„Die Aktionen sind keine Missachtung der Kunst“, verteidigt das Essener Extinction-Rebellion-Mitglied Otmar Wolf die musealen Attacken. Im Gegenteil. „Sie wird hoch geachtet und deshalb ausgewählt“, lautet seine Argumentation. Ein Suppenattentat auf van Gogh sorge nun mal für jene Aufmerksamkeit, die man benötige. „Das ist unser Dilemma“, sagt Wolf.

„Wir wollen weiter unbequem sein, aber der Dialog ist auch wichtig“, ergänzt Heinrichen Ohlenforst. Als Biologe und Baubiologe hat sich der Mann in seinem Berufsleben schon viel mit Klimafragen auseinandergesetzt, vor ein paar Jahren hat er sich angesichts der „Tatenlosigkeit“ XR angeschlossen, sei auch mal bereit gewesen, „sich auf die Straße zu setzen und die Leute zu nerven“. Man sehe aber auch, „dass eine große Verunsicherung in den Museen herrscht, das können wir nachvollziehen“, sagt Ohlenforst. Deshalb die Entscheidung zu dieser gemeinsamen Führung mit dem Museum Folkwang.

Plakative Mahnung: Einige Teilnehmer der Folkwang-Führung hatten sich mit besonderen Botschaften gewappnet.
Plakative Mahnung: Einige Teilnehmer der Folkwang-Führung hatten sich mit besonderen Botschaften gewappnet. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Im Folkwang immerhin hat man auf dem Weg zum klimaneutralen Museum als Teilnehmer eines bundesweiten Klimabilanz-Projektes eine Vorreiterrolle eingenommen. Auf dem Dach wurde eine Solaranlage installiert, die Halogen- in sparsame LED-Leuchten umgewandelt und die CO2-Emissionen sukzessive gedrosselt. „Nachhaltigkeit hat bei uns eine sehr große Bedeutung“, sagt Gorschlüter. Und nicht nur die große Wildblumenwiese vor dem Haus zeugt von ökologischem Interesse.

Viel Natur findet sich natürlich an den Wänden. Ferdinand Hodlers schneebedecktes „Weisshorn“ von 1915 sorgt während der Führung auch gleich für Gesprächsstoff. „Wie lange werden wir noch Schnee auf den Bergen haben“, sagt ein XR-Mitglied nachdenklich. Und niemand macht dabei den Eindruck, als wolle er Otto Pienes glutrote „Feuerblume“ deshalb gleich noch mit einer Ladung Tomatensuppe bekleckern.

Also Friede, Freude, Dosensuppe? Ein wenig Kritik geben sie dem Museum Folkwang dann doch mit auf den Weg. Dass man mit Ausstellungs-Sponsor RWE gewissermaßen einen Urfeind der Bewegung an Bord hat, lässt Otmar Wolf nicht unerwähnt. Aber diesen Konflikt tragen sie dann doch lieber vor Ort bei der regelmäßigen Mahnwache vor der Konzernzentrale aus.