An Rhein und Ruhr. Das katholische Hilfswerk mit Sitz in Essen versucht, Rückgänge bei Weihnachtsspenden aufzufangen. Hilfe für Lateinamerika sei wichtiger denn je.
Gerade erst hat Adveniat ein Hilferuf aus Lima erreicht. In den Armenküchen der Hauptstadt Perus müssen die Helfer 30 bis 40 Prozent mehr für den Sack Reis zahlen als noch vor wenigen Wochen. „Viele Länder Lateinamerikas sind auf die Landkarte des Hungers zurückgekehrt. Das hat Folgen für unsere Projektarbeit“, so Bischof Franz-Josef Overbeck, in dessen Essener Bistum das Hilfswerk der katholischen Kirche für Lateinamerika und die Karibik ihre Heimat hat.
Vor allem die auf dem Subkontinent noch immer andauernde Corona-Pandemie hat die sozialen Verwerfungen an vielen Orten verschärft, die nun weltweit anziehenden Preise für Grundnahrungsmittel tun ein übriges. „Ein Armuts-Tsunami hat Lateinamerika im vergangenen Jahr schwer getroffen“, so Adveniat-Hauptgeschäftsführers Pater Martin Maier.
Neben der Pandemie seien es vor allem spürbare Auswirkungen des menschengemachten Klimawandelns, die zu Wetterextremen und Ernteausfällen geführt haben. „In ganz Lateinamerika suchen Menschen im Müll nach Essensresten“, so Maier, in Guatemala beispielsweise sei mittlerweile jedes zweite Kind unterernährt.
Adveniat kämpft mit einem Einnahmerückgang von rund zehn Prozent
Die Folge: Unvermindert machen sich Flüchtlingstrecks auf den Weg in Richtung Norden. Nur punktuell kann das Hilfswerk dort „Biotope der Hoffnung im Meer der Krisen“ anbieten, Nahrung, Unterkunft und spirituelle Unterstützung leisten. Immerhin: „Adveniat hat seit Ausbruch der Corona-Pandemie seinen Partnerinnen und Partnern in Lateinamerika allein für Lebensmittel und Hygieneartikel 10 Millionen Euro in rund 580 Projekten zur Verfügung gestellt, um die ärgste Not zu lindern“, so der Jesuitenpater und Hauptgeschäftsführer.
Doch die zunehmend erforderliche Nothilfe und die Projektarbeit werden schwieriger: Das Hilfswerk hat mit sinkenden Einnahmen zu kämpfen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Erlös der traditionellen Weihnachtskollekte von etwas über 30 Millionen Euro auf knapp zwölf Millionen in 2021 zurückgegangen. Das liegt auch an – wegen Corona hierzulande – schwächer besuchten Weihnachtsgottesdiensten, bilanzierte Adveniat-Geschäftsführerin Tanja Himer.
Durch intensive Spendenakquise sei es gelungen, den Rückgang beim Gesamtaufkommen der Spenden auf gut zehn Prozent zu begrenzen, so Himer. „Unsere Spender bleiben uns treu.“ Im Geschäftsjahr 2020/21 (Stichtag ist der 30.09.) gab es Einnahmen von 43,7 Millionen Euro – ein Rückgang von 4,9 Millionen gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Für Projekte, Patenschaften und Spendenweiterleitungen flossen gut 30 Millionen nach Lateinamerika (Vorjahr: 35,3 Mio).
Bischof Franz-Josef Overbeck warb für einen verstärkten Austausch zwischen der Amazonas-Synode und dem Synodalen Weg in Deutschland, die sich jeweils für eine Reform der Katholischen Kirche einsetzen. „Die Amazonassynode hat 2019 viele Kräfte mobilisiert.“ Unter anderem habe sie deutlich gemacht, wie wichtig das Amazonasgebiet für das globale Überleben ist. „Das hat auch gezeigt, wie sehr wir an einer ökologischen Umkehr arbeiten müssen. Am Amazonas entscheiden sich Perspektiven für die Zukunft unseres Planeten“, so Overbeck. Deswegen sei auch strukturelle Hilfe für die Menschen in Lateinamerika so wichtig.
„Wir wollen das Vertrauen der Spender durch Transparenz rechtfertigen“
Angesichts aktueller Berichterstattungen des „Spiegel“ über zweifelhaftes Finanzgebaren des Aachener Hilfswerks „Missio“, die Spenden vor allem für den Ausbau der hiesigen Zentrale verwendet haben sollen, setzt Adveniat auf größtmögliche Transparenz bei den eigenen Aufwendungen und der Mittelverwendung. Missio hat mittlerweile die Vorwürfe des „Spiegel“ zurückgewiesen. „Wir wollen das Vertrauen unserer Spender durch Transparenz rechtfertigen“, so Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier. Die Bilanz des Hilfswerks könne daher auf der Internetseite eingesehen werden. Adveniat sei seit 1992 regelmäßig mit dem Spendensiegel des Deutschen Sozialinstituts für soziale Fragen zertifiziert.
Dazu gehört auch der Umgang mit der Frage von Missbrauchsfällen. Bei Adveniat wird derzeit geprüft, inwieweit sich das Hilfswerk darum gekümmert hat. Der ehemalige, 2017 verstorbene Adveniat-Geschäftsführer Bischof Emil Stehle steht im Verdacht, unter dem Vorwand, Priester für die Mission in Lateinamerika gewinnen zu wollen, hierzulande auffällig gewordene Geistliche auf den Subkontinent gesandt zu haben. Emil Stehle war von 1977 bis 1988 Adveniat-Geschäftsführer, gleichzeitig Bischof in Bogotá, Kolumbien.
Derzeit, so Hauptgeschäftsführer Maier, würden die entsprechenden Akten durch eine unabhängige Rechtsanwältin überprüft. Noch in 2022 sollen die Ergebnisse den jeweiligen deutschen Bistümern zugeleitet werden – denn diese sind offiziell die Dienstherren, der möglicherweise auffälligen Priester.