An Rhein und Ruhr. In Corona-Zeiten häufen sich Fälle von illegalem Tierhandel in NRW. Die Tendenz ist weiter steigend, sagt der Deutsche Tierschutzbund.
Zehn junge Hundewelpen, viel zu früh von der Mutter getrennt, werden auf offener Straße von einem Auto aus in Essen verkauft. Zeugen beobachten den Vorgang und rufen die Polizei, der es daraufhin gelingt, drei Männer ausfindig zu machen, die für diesen illegalen Welpenhandel verantwortlich gemacht werden können. Gegen sie wird nun wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ermittelt. Die Welpen befanden sich in Lebensgefahr, seien inzwischen aber auch schon wieder auf dem Wege der Besserung, sagt Jeanette Gudd, Leiterin des Tierheims an der Grillostraße, in dem die Hundebabys nun untergebracht sind.
Während einer Verkehrskontrolle fanden Beamte in Essen einen Tag später einen Hundewelpen im Kofferraum. Da auch hier der Verdacht eines illegalen Handels mit Tieren besteht, wurde der kleine Vierbeiner sichergestellt. Seit die Anschaffung eines Haustiers in Corona-Zeiten einen derartigen Boom erlebt, sind solche Meldungen leider keine Einzelfälle mehr. Immer wieder berichtet die Polizei von verwahrlosten, abgemagerten, und verängstigten Tieren, die aus Wohnungen oder Tiertransportern befreit werden müssen, wie auch Fälle aus dem März und April 2021 in Marl und Dortmund zeigen.
Deutscher Tierschutzbund: Tendenz beim illegalen Tierhandel in NRW ist steigend
Bereits 2020 zählte der Deutsche Tierschutzbund 18 Fälle von illegalem Tierhandel in NRW. Dies entspreche etwa zehn Prozent aller in 2020 bundesweit bekannt gewordenen Fälle. „Man muss dazu sagen, dass die Fälle, die bekannt werden, immer nur die Spitze des Eisbergs darstellen und die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte“, schätzt Lea Schmitz, Sprecherin des Tierschutzbundes. Die Zahlen für das Jahr 2021 liegen noch nicht vor. Die Tendenz, so Schmitz, sei aber eher steigend, denn „bereits im ersten Halbjahr brach der illegale Tierhandel einen traurigen Rekord“, sagt die Sprecherin.
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Bis Juni 2021 waren bundesweit bereits 179 Fälle bekannt, in denen 1.307 Tiere betroffen waren, die große Mehrheit davon Hundewelpen, aber auch Katzen, Tauben und Ponys. Dieser extreme Anstieg sei erschreckend gewesen. „Um das Problem an der Wurzel zu packen und erfolgreich einzudämmen, ist politisches Handeln gefragt“, sagt Schmitz. Der Deutsche Tierschutzbund fordert deshalb ein Verbot des Handels mit lebenden Tieren im Internet. Ausgenommen werden könnten Tierheime und Auffangstationen, die ihre Tiere im Internet präsentieren, aber nur vor Ort vermitteln. „Wenn ein Verbot zunächst nicht durchzusetzen ist, sollte der Gesetzgeber den Internethandel zumindest beschränken oder gesetzlich regulieren, indem rückverfolgbare Daten der Verkäufer hinterlegt werden“, so die Tierschutzbundsprecherin im Gespräch mit der NRZ. Außerdem müssten Kontrollen und Strafen für die Händler verschärft werden.
NRW-Umweltministerium unterstützt Forderung nach stärkerer Regulierung beim Online-Handel
Unterstützung bei der Forderung bekommen die Tierschützer von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser: „Das Tierleid muss beendet werden - Welpen sind keine Ware, die man im Internet bestellt. Nur tierschutzrechtlich zugelassene und kontrollierte Züchterinnen und Züchter oder Einrichtungen, die einer regelmäßigen, amtlichen Kontrolle durch die Tierschutzbehörden unterliegen, sollen Hundewelpen online anbieten dürfen.“ Nordrhein-Westfalen hatte bereits im vergangenen Jahr für die Änderung der Tierschutz-Hundeverordnung plädiert und dafür eine breite Unterstützung der Bundesländer erhalten. „Die Forderung, nur von behördlich zugelassenen und kontrollierten Anbietern oder Vermittlern Hundewelpen zu erwerben, geht über die Pläne der aktuellen Bundesregierung hinaus. Deren Überlegungen sehen lediglich eine Identitätsprüfung bei Hundeverkäufen auf Online-Plattformen vor“, heißt es in einem Schreiben des Umweltministeriums.
Landestierschutzbeauftragte appelliert an potenzielle Käufer
Gerlinde von Dehn, Landestierschutzbeauftragte, appelliert zudem auch an die potenziellen Käuferinnen und Käufer: „Wenn Sie einen Hund suchen, gehen Sie ins Tierheim und lassen sich beraten – vielleicht finden Sie schon dort ihren Traumhund.“ Schließlich würden Tiere in Tierheimen tierärztlich untersucht und tierschutzgerecht betreut.
Adoptieren, rät auch Lea Schmitz. „Wenn es doch ein Rassewelpe sein muss, sollte man nur bei seriösen Züchtern kaufen, die vom Tierarzt oder einem Züchterverband – oder auch von anderen Tierbesitzern - empfohlen werden.“ Potenziellen Käufern müsse klar sein, dass ein hoher Preis nicht länger ein Indiz für einen seriösen Züchter ist, warnt die Tierschutzbundsprecherin. Die Händler hätten sich mit ihren Preisen den Züchterpreisen angepasst. Zwischen 1.500 und 2.000 Euro zahlen Interessierte mittlerweile auch für Welpen aus dem Internet. Dies erschwere es für Tierliebhaber einen unseriösen von einem seriösen Züchter zu erkennen. Für Laien sei es praktisch gar nicht erkennbar, ob eine Anzeige seriös oder unseriös ist.
Hundebabys aus Essen könnten bald vermittelt werden
„Daher können wir nur raten: Hände weg vom Onlinekauf auf irgendwelchen Kleinanzeigenportalen!“, so der Tipp des Deutschen Tierschutzbundes. Auch die Hundebabys aus Essensollen bald vermittelt werden. Zunächst müsste das Veterinäramt jedoch klären, ob die Jungtiere, die voller Würmer und Flöhe waren, in Quarantäne müssen. Gerade bei illegal importierten Welpen ist die Gefahr sehr groß, dass sie ansteckende Krankheiten einschleppen, teilt das Tierheim auf Anfrage der NRZ mit. Die Polizei Essen bittet darum, von direkten Anfragen an das Tierheim abzusehen. Sobald die Hunde vermittelbar sind, werde dies auf den Internetseiten der Einrichtung veröffentlicht.