Emmerich. Inge Jessner hat Kinderschutzbund in Emmerich mitgegründet. Fast durchgehend Vorsitzende. Diese Meilensteine hat das Team mit ihr erreicht.
Andere Menschen würden es vielleicht ein Helfersyndrom nennen, meint Inge Jessner bescheiden. Seit 1986 engagiert sich die 67-Jährige ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche in Emmerich. Bis auf eine dreijährige gesundheitliche Pause war das Gründungsmitglied bis jetzt Vorsitzende der Ortsgruppe Emmerich des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB). Eine Aufgabe, die viel Zeit kostet. „Ich bin ein Mensch, vielleicht auch durch meine Sehbehinderung, der guckt, wie es anderen geht. Ich kann vieles in Angriff nehmen, wenn ich spüre, da stimmt etwas nicht.“
Immer am Zahn der Zeit bleiben
Rund 35 Jahre an vorderster Front im Dauerkampf um das Wohl der Kinder?! Das gehe nur mit einem starken Team, hebt Jessner hervor, die ursprünglich aus Bienen stammt. Ob ihre Stellvertreterin Lucina Walter, Schriftführerin Martina Willing, Schatzmeisterin Angelika Beenen oder die Beisitzer Gregor de Vries, Bernadette und Eric Spelleken – zusammen hätten sie alle Herausforderungen gemeistert, der sie sich gestellt haben.
„Ich bin ein Mensch, vielleicht auch durch meine Sehbehinderung, der guckt, wie es anderen geht. Ich kann vieles in Angriff nehmen, wenn ich spüre, da stimmt etwas nicht.“
Für die rund 14 Aktiven der 50 Mitglieder gehe es immer darum, am Zahn der Zeit zu bleiben: „Wo müssen immer gucken, was in der Stadt los ist, wo wir uns einmischen, wo wir laut werden“, beschreibt es Jessner. Aktuelle Themen seien die Tagesmütter- und Kitaplatz-Knappheit in Emmerich.
Als Emmerich ohne Kinderarzt da stand
Im Februar 1986 fing alles an. Eine zwölfköpfige Gruppe traf sich: „Uns war klar, wir brauchen einen Verein, der sich um Kinder und Jugendliche und um deren Eltern kümmert“, so Jessner. Am 28. November 1986 wurde der Ortsverband Emmerich im Hotel Stadt Emmerich gegründet. Ein Trio übernahm den Vorsitz: Neben Jessner waren es Irene Möllenbeck und Birgitte Osterloh. Vom Gründungsteam ist heute nur noch Jessner übrig. Zu nennen ist auch Sigrid Kuznierz, die 2009 für drei Jahre den Vorsitz übernahm.
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Das erste große Thema kam Ende der 80er, denn Emmerich stand plötzlich ohne Kinderarzt da. Der DKSB startete eine Petition und sammelte Unterschriften: „Wir standen mit ganz vielen Eltern mit Kinderwagen vor dem Rathaus“, erinnert sich Jessner. Durch die Öffentlichkeitsarbeit und eigenen Gesprächen mit Bewerbern konnte Dr. Erich Lycko nach Emmerich gelockt werden.
Kinderschutzbund mischt in der Politik mit
1993 starteten die Kurse „Starke Eltern – starke Kinder“, die es heute noch gibt. Dafür wurde eigens Fachpersonal ausgebildet. Erst ab 2003 lief der Kurs enorm gut. Viele Eltern erhofften sich die (!) Lösung für Probleme. Aber den Eltern wurde vermittelt, mehr auf die positiven Seiten ihrer Kinder zu schauen, was viele so auch mitgenommen hätten, so Jessner.
Seit 1994 hat der DKSB eine Stimme im Jugendhilfeausschuss: „Wir wollten immer kinder- und jugendpolitisch arbeiten. Deshalb war das gut so“, sagt Jessner.
Pioniere des Ganztags
Ein wichtiges Thema nahm 1995 seinen Lauf: der begleitete Besuchskontakt, der bis heute eine „absolut steigende Tendenz“ aufweist. Vom Gericht oder vom Jugendamt vermittelt, kommen Elternteile so zu einem begleiteten Besuch mit ihren Kindern zusammen, die zu dem Zeitpunkt nicht bei ihnen leben. „Neun bis zehn Personen sind damit ehrenamtlich beschäftigt, die sich dafür sehr intensiv haben schulen lassen“, erklärt Inge Jessner. Ein Segen dafür sei 2017 der Umzug vom alten Brink-Gebäude an den Neuen Steinweg gewesen, wo die Räumlichkeiten besser geeignet seien.
1996 leistete der DKSB in Emmerich Pionierarbeit: „Wir haben für fünf Emmericher Grundschulen die Trägerschaft von ‚Schule von 8 bis 13 Uhr‘ übernommen. Das war der Einstieg zum Ganztag“, so Jessner. Nur so war gewehrleistet, dass Eltern in dieser Zeit gesichert einer Arbeit nachgehen konnten. Dafür wurden zwölf Erzieherinnen eingestellt: „Das hatte es noch nie gegeben. In jeder Schule musste ein Raum mit Spielmaterialien gestellt werden und zwei Mitarbeiterinnen wurden bereit gestellt. Für uns als Ehrenamtliche war das eine große Aufgabe.“
Sicherere Schulwege durch Initiative des Kinderschutzbundes
Die Erzieherinnen fühlten sich zunächst als Fremdkörper, alle mussten sich aneinander gewöhnen. „Es ist mit vielen Gesprächen fantastisch gelaufen. Es war unglaublich“, erinnert sich die 67-Jährige. Nach zwei Jahren brachen die nötigen Zuschüsse weg. Die Katholische Waisenhausstiftung konnte übernehmen.
Der nächste Meilenstein folgte 1997: „Uns fiel auf, dass die Wege der Erstklässler zur Schule unsicher waren. Im Bauausschuss haben wir auf 31 Gefahrenpunkte mit Dias ganz plakativ hingewiesen“, sagt Jessner. So habe man aufzeigen können, dass andere Stellen für Straßenquerungen besser geeignet waren. Das war der Einstieg zur noch heute weit über Emmerich hinaus verbreiteten Schulwegsicherungsplanung. Alle relevanten Akteure wurden eingebunden. Jede Schule bekam ein Heftchen für Eltern, um die besten Schulwege aufzuzeigen, die mit den Kindern eingeübt werden konnten. Auch optisch war das sichtbar: Wer kennt die gelben Punkte zum Überqueren der Straße nicht?
Große Spendenbereitschaft für stille Weihnachtsaktionen
Im selben Jahr führte der DKSB eine Fragebogenaktion bei allen weiterführenden Schulen durch; sehr gut begleitet durch Karin Schlitt, damals noch im Jugendamt. Es war spannend zu erfahren, wo die Kids sich aufhielten, da ja in Emmerich zu wenig los war und ist. Es gab einen guten Rücklauf.
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Ein Dauerrenner im Stillen ist die Weihnachtsaktion des Kinderschutzbundes. Jahr für Jahr werden Geschenke für Kinder jener Familien besorgt, die sich selbst wenig leisten können. Und zwar diskret. Ohne jeglichen Hinweis liegen die Geschenke einfach unterm Weihnachtsbaum. „Die Geschenke kosten zwischen 30 und 35 Euro. Mindestens 120 Geschenke packen wir im Jahr ein. Möglich ist das, weil wir viele Spenden von Privatpersonen und Firmen bekommen. Es gibt eine hohe Bereitschaft von Menschen, von denen es man nicht glauben würde“, hat Inge Jessner beobachtet. Und Emmerich hat ein ausgesprochen gutes Netzwerk der sozialen Player.
Kinderfest im Rheinpark mit unglaublich vielen Besuchern
Ob Babywillkommenstaschen oder 120 Startersets für Grundschüler mit einer ersten qualitativ hochwertigen Grundausstattung vom Radiergummi bis zum Farbkasten – der Kinderschutzbund hat noch viel mehr auf die Beine gestellt.
Ein weiterer Höhepunkt fand vor zwei Jahren statt. Der DKSB wurde mit dem Heimatpreis ausgezeichnet. Mit dem Geld wurde ein großes Kinderfest im Rheinpark organisiert: „Das war so gigantisch. Bis zu 3000 Personen waren den ganzen Tag im Rheinpark. Mit so einem Andrang hatten wir nicht gerechnet.“
Junge Gruppe für den Vorstand gewonnen
Berührend war 2023 auch eine Busfahrt mit 90 Teilnehmern zum Burger‘s Zoo in Arnheim, der mit Spendengeldern aus dem Homerun finanziert wurde: „Wir haben Familien erlebt, die noch nie aus Emmerich heraus gekommen sind. Sie waren so dankbar“, verrät Jessner.
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Nun greift Jessner auf die bekannte, aber betreffende Beschreibung zurück. Mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“ habe sie nun den Vorstand mit allen langjährigen Wegbegleitern zusammen verlassen: „Wir haben mehr als Glück, dass wir jetzt eine tolle Gruppe junger Frauen gefunden haben. Wir sind ja alle noch da, aber nicht in Verantwortung.“ So habe eine gute Einarbeitung stattgefunden. Ganz raus sei sie ja noch nicht, auch nicht in ihrem Beruf als Lymphdrainagetherapeutin zwei Vormittage die Woche: „Ich kann noch nicht ganz aufhören.“