Kreis Kleve. „320 nicht verfügbar“: Apotheker-Sprecher Ulrich Schlotmann spricht über knappe Medikamente, eine eigene Herstellung und Ursachen für die Lage.
Ulrich Schlotmann kann es an seinem Computer schnell nachgucken: „320 Arzneimittel sind bei mir im Moment nicht verfügbar.“ 2023 war die Lage kritischer, „aber das kann sich spontan erhöhen“. Nichtsdestotrotz kann der Sprecher der Apotheker im Kreis Kleve nach 50 Jahren in der Pharmazie sagen: „Das hat es früher nicht gegeben!“
Welche Arzneimittel sind im Moment nicht verfügbar? „Es sind im Wesentlichen Antibiotika; einige spezielle im Bereich der Bronchialerkrankungen. Und Säfte für Kinder sind ein Problem“, sagt Schlotmann. Auch Doxicyclin, ein Breitbandantibiotikum, sei knapp, aber da gebe es eine ganze Reihe.
Fiebersäfte für Kinder im Moment zu haben
„Fiebersäfte für Kinder sind im Moment Gott sei Dank wieder verfügbar“, erinnert Schlotmann an ein großes Dilemma im Vorjahr. Auch Zäpfchen.
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Für Diabetiker (Typ 2) ist es mit Ozempic knapp. Dazu kommt es, weil das gleichdosierte Wegovy, das eigentlich für stark übergewichtige Patienten gedacht ist, aber wesentlich teurer ist und oft durch Ozempic ersetzt wird, so Schlotmann. Zudem seien manche Bluthochdruckpräparate nicht verfügbar. Aber hier gehe es nur um einzelne Hersteller und man könne durchaus ausweichen.
Sultanol und Pantoprazol nicht erhältlich
Zur Bronchienerweiterung fehle es an Sultanol. Neben Asthmatikern nehmen dies jene, die nach einem Bronchialinfekt schlecht Luft bekommen. Hier sei nur sporadisch eine Alternative verfügbar, schildert der Apotheker-Sprecher.
Auch der Säureblocker Pantoprazol ist oft nicht erhältlich. Neben Patienten mit Refluxstörungen werde dieses Präparat jenen oft dazu gegeben, die Entzündungshemmer nehmen, um möglicherweise entstehende Magenbeschwerden in den Griff zu bekommen.
Lager im Großhandel leerer
Geändert habe sich die Lage im pharmazeutischen Großhandel, so Ulrich Schotmann. Hatten diese Zwischenhändler früher große Mengen Arzneimittel auf Lager, so sei es in vielen Bereichen inzwischen ein durchlaufender Posten, sodass Medikamente nach Eingang direkt an Apotheken mit Vorbestellungen ausgeliefert werden.
Schlotmann schicke manchmal eine 300er-Liste mit Arzneimittel-Wünschen an den Großhandel, um auf die Warteliste zu kommen: „Dann kommt Wochen später schon mal eine Kiste mit spannenden Dingen an.“
Risiko für Apotheker: Selbst herstellen ist teurer
Inwieweit können Apotheker selbst Medikamente mischen? „Antibiotikasäfte können wir selbst machen, aber manche Apotheker haben mit manchen Kassen Knatsch, sie bezahlen das dann nicht, weil es nicht so günstig ist.“ Der Apotheker hat neben dem zeitlichen Aufwand für diese Einzelherstellungen eine Reihe von Prüfungen und Dokumentationen durchzuführen. Das habe seinen Preis: „Es bleibt ein Erstattungsrisiko. Das macht dann keinen Spaß.“
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Die eigene Herstellung von Medikamenten sei vor allem für die Kindermedizin relevant. Manchmal könne man für Kinder und Säuglinge Arzneimittel fein runterdosieren. Etwa in der Pädiatrie, wenn zum Beispiel bei Herzproblemen ein niedrig dosierter Betablocker gebraucht werde, der nicht als Fertigarzneimittel im Handel erhältlich ist, erklärt Ulrich Schlotmann: „Dazu sind wir in der Lage. Das ist Standard.“
Abhängigkeit von asiatischen Herstellern
Was sind die Gründe für die Arzneimittelknappheit? Viele Medikamente werden außerhalb von Europa hergestellt. „Sobald da etwas passiert, gibt es Probleme“, erinnert Schlotmann. Da eine sichere Lieferung in Europa aufzubauen, brauche einen längeren Vorlauf von zwei bis drei Jahren, weil so eine Herstellung einen längeren Prüfungsprozess durchlaufe. Die Abhängigkeit von Firmen „im asiatischen Raum ist schon sehr unglücklich“, meint der Kreis Klever Sprecher. Die Politik sage viel, aber es passiere nichts.
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Schlotmann vermutet auch wirtschaftliche Aspekte in der heimischen Herstellung, die hier zu Engpässen führen. „Einige Medikamente sind so billig geworden, ich gehe davon aus, dass die Lieferanten dann lieber in andere Länder ausliefern.“ Dorthin, wo sie mehr erwirtschaften. Denn die tatsächlichen Erträge durch Rabattverträge mit den Krankenkassen seien zwar nicht öffentlich; aber es gebe Informationen, dass oft nur Centbeträge für die Hersteller bleiben.
Preise kaum zu kalkulieren so lange im Voraus
Wenn man dann noch bedenkt, dass eine Kalkulation von Preisen für Rabattverträge dreieinhalb Jahre vorher getätigt wurde, dann aber diese Preise bei sich verändernder Weltlage nicht aufrecht zu halten seien, dann müsse man sich nicht wundern, wenn Hersteller in den roten Bereich gerieten und eine Produktion einstellten, schildert der in Goch-Pfalzdorf ansässige Apotheker.