Emmerich. Frau schlug ihrem Mitbewohner in Emmerich eine Flasche über den Kopf. Verfahren wurde eingestellt. Wollte Opfer den Fall schlimmer darstellen?

Zu einem kuriosen Prozess kam es am Donnerstag am Emmericher Amtsgericht. Denn zum einen schien es durch die Übersetzungen aus der polnischen Sprache und umgekehrt wohl einige Missverständnisse zu geben, zum anderen ließ sich die Angeklagte außer einer Verlesung des Verteidigers erst sehr spät richtig ein. Letzteres sorgte wohl für die Wende. Das Verfahren gegen die 46-jährige Polin wurde eingestellt. Frei ist sie dennoch nicht, sie verbüßt derzeit eine Strafe aus einem anderen Verfahren, weshalb Staatsanwaltschaft und Gericht genug Strafe sahen, zumal sich das genaue Geschehen nicht aufklären ließ.

Zunächst sprach nur das Opfer

Gesichert ist, dass die zuletzt in Emmerich wohnhafte Frau einem 67-jährigen Emmericher, der im Dezember 2022 mit der Angeklagten in einer Wohnung wohnte, eine Flasche über den Kopf schlug. Das hat sie spät im Prozess zugegeben. Zunächst hatte ihr Verteidiger verlesen, dass sie zur genannten Tatzeit geschlafen habe und nichts von einem Vorfall um 6.30 Uhr wisse. Später sei sie von der Polizei überrascht worden, war entsetzt, dass sie festgenommen werden sollte. Da sie in 2022 schon mal fünf Monate Untersuchungshaft erlebt hatte, bekam sie Panik. Sie widersetzte sich der Festnahme. Dies tue ihr leid und sie entschuldige sich dafür. Die Tat selbst bestritt sie.

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Fortan sprach nur noch das Opfer, ein Rentner aus Emmerich mit polnischer Herkunft. Er sagte, aus unerklärlichen Gründen habe die Angeklagte ihn morgens an der Tür von hinten mit einer vollen Flasche Pfefferminzschnaps auf den Kopf geschlagen. „Das Blut sprudelte.“ Er kam ins Spital, die Wunde wurde genäht. Noch heute schlafe er deshalb schlecht. Der 67-Jährige mutmaßte, dass die Angeklagte sauer war, dass ihr Freund sie am Abend zuvor verlassen habe. Die Wut habe sie womöglich an ihm ausgelassen. Noch nie habe er die Mitbewohnerin, die er sehr gut kenne, so erlebt.

Opfer brachte vermeintliche Tatwaffe selbst zu Polizei

Die vermeintliche Tatwaffe brachte das Opfer später selbst zur Polizei. Denn die Beamten hatten nur leere Flaschen sichergestellt. Der 67-Jährige sagte, er habe im Zimmer der Angeklagten fehlende Schlüssel gesucht und unter dem Bett die volle Flasche gesehen. Er meinte sich zu erinnern, aus dem Augenwinkel so eine volle Flasche Minzschnaps gesehen zu haben, die ihn traf.

Da es eben auch viele Missverständnisse in der Übersetzung gab, wirkte der Zeuge aber soweit glaubhaft. Erst als der Verteidiger nachbohrte und einige Ungereimtheiten zu den Aussagen bei der Polizei hinterfragte, wandte sich das Blatt. Denn wenn das Blut sprudelte, warum wurde vor der Haustür kein Blut gefunden? Alles weggeputzt? Bei der Polizei wurde von einer Flasche Wodka gesprochen, nun eine volle Flasche Minzschnaps?

Nachts soll der 67-Jährige in ihr Bett gekommen sein

Irgendwann konnte die Angeklagte doch nicht mehr an sich halten. Ob er sich nicht erinnere, was in der Nacht davor passiert war. Für die Einlassung musste der Zeuge den Saal wieder verlassen. Jetzt kam eine ganz andere Story zum Vorschein: Die beiden hätten abends eine Flasche Minzschnaps in seinem Zimmer getrunken. Ihr Freund sei im Urlaub gewesen, hatte sie also nicht verlassen. Als die 46-Jährige schon in ihrem Bett lag, sei sie irgendwann wach geworden und habe bemerkt, dass jemand hinter ihr im Bett lag und sie anfasste. Im Halbschlaf habe sie erst gedacht, ihr Freund sei als Überraschung früher zurück gekommen.

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Als sie merkte, dass es sich um den Mitbewohner handelte, sei sie „richtig wütend“ geworden. „Ich sollte mich an ihn kuscheln“, sagte die Angeklagte. Sie habe mit einer leeren Flasche zugeschlagen. Das sei gegen 4 Uhr nachts gewesen. Geblutet habe das Opfer nicht, wobei vor Gericht ein Foto von einer Wunde am Kopf gezeigt wurde. Es ist unklar, woher die Wunde dann gestammt hat. „Ich habe ihm gesagt, er soll raus gehen, sonst schlage ich ihn tot“, sagte die Angeklagte.

Wollte der Rentner die Frau bestrafen?

Für Verwirrung sorgte das Verhältnis von Täter und Opfer bzw. deren Umgang miteinander. So habe der 67-Jährige sie durchaus schon mal am Busen anfassen dürfen, während er an sich herum spielte. Und er habe ihr dafür Geld zugesteckt. Zu Protokoll hatte der Rentner bei der Polizei auch gegeben, dass seine Mitbewohnerin irre sei und er dringend raus wollte aus der Wohnung, was nicht zu der Aussage am Donnerstag passte, dass sie so ein Verhalten noch nie gezeigt habe.

Womöglich war der Rentner gekränkt wegen der Attacke der 46-Jährigen. Er soll gesagt haben: „Du Hure, Du hast eine Strafe auf Bewährung. Ich sorge dafür, dass Du für ein paar Monate in den Knast gehst.“ Ob das nun das eigentliche Geschehen verdreht und dramatisiert hat, wurde vor Gericht nicht mehr geklärt. Unter den Umständen reichte Richterin Mareen Hölker die Strafe aus dem anderen Verfahren.