Emmerich. Der Bürgerverein organisierte 1902 den ersten Karnevalszug in Emmerich. Damals noch an einem Rosenmontag. Erst seit 1972 wird Sonntags gefeiert.
Um eine über 100 Jahre alte Tradition der Hansestadt ist es still geworden. Corona regiert statt Prinz Karneval – und hat damit die fröhlichen „Helau“-Rufe der Session verstummen lassen. Vor allem das jecke Treiben in den Sälen und auf der Straße ist zum Erliegen gekommen.
Was schmerzt: Nun hätte er eigentlich stattgefunden, der Höhepunkt des Karnevals in Emmerich. Am Sonntag hätte sich wieder der närrische Lindwurm durch Emmerichs Mitte geschlängelt. Mit über 18.000 Narren am Straßenrand und zuletzt knapp 50 Zugnummer und an die 2000 Aktiven aus den Vereinen und Vereinigungen. Es ist das zweite Mal in Folge, dass in der Hansestadt der Tulpensonntagszug ausfallen muss. Denn 2020 zwang ein Sturmtief die Narren zur Absage des Umzuges.
Die Keimzelle des Karnevals
Das karnevalistische Treiben in Emmerich hatte im Übrigen nicht immer seien Höhepunkt an Tulpensonntag. Denn, so ist in der Chronik des Gross Emmericher Carnevals Komitees (Geck) nachzulesen, 1902 ging der Bürgerverein mit seinem Karneval „auf die Straße“, indem er den ersten Rosenmontagszug der Stadt organisierte.
Ohnehin gilt der Bürgerverein, der bereits 1823 gegründet wurde, als Keimzelle des Emmericher Karnevals. Denn neben dem traditionellen Herrenessen, war Fastelovend von jeher das Hochfest im geselligen Leben des Vereins.
Prinz stieg aus dem Fenster im zweiten Stock
Der erste Rosenmontagszug vor 119 Jahren ging natürlich nicht ohne eine entsprechende Tollität über die Bühne. Und so war Franz Kreytenberg der erste Karnevalsprinz, der den Erzählungen nach auf einem prunkvollen Wagen durch Emmerichs Straßen fuhr. 1903 folgte ihm Heinrich Wolters, der Vater des späteren Emmericher Bürgermeisters, als Prinz.
Eine schöne Anekdote: Da zum Besteigen des damaligen Prinzenwagens keine Leiter zur Verfügung stand, bestieg Tollität Wolters aus einem Fenster im zweiten Stock eines Hauses am Brink/Wollenweberstraße den großen Wagen.
Nach langer Pause gab es 1938 wieder einen Umzug
Damals gehörte noch etwas anderes zum Rosenmontag – nämlich die Matinee im Rheinischen Hof auf der Kaßstraße. In einem kleineren Kreis wurden dort dann die besten Vorträge aus der Karnevalszeit wiederholt. Nach den beiden erfolgreichen Rosenmontagszügen wurde es aber wieder ruhiger. Jeder feierte für sich, nicht mehr gemeinsam und organisiert.
Nach einer längeren Pause veranstaltete 1938 die Allgemeine Emmericher Karnevalsgesellschaft erstmals wieder einen großen Karnevalszug. Natürlich stellte der Bürgerverein dabei den Prinzenwagen. Seine Tollität Carl van Beek schwang das Narrenzepter.
Emmericher Narren hegten lange einen gemeinsamen Wunsch
Dann kam der Krieg. Und um den Karneval in der Hansestadt wurde es abermals stumm. Auch wenn in den Nachkriegsjahren Karneval gefeiert wurde, so dauerte es bis 1971, dass sich ein großer Wunsch der Emmericher Narren erfüllte. Denn mit der damaligen Gründung des Geck nahm auch ein gemeinsamer, großer Karnevalsumzug wieder Form an.
Und der wurde dann am 13. Februar 1972 abgehalten. Unter dem Motto „Sej könne ons allemol...hmtata!“ schlängelte sich der erste Emmericher Tulpensonntagszug durch die Stadt. Pünktlich um 11.11 Uhr zogen 30 Wagen, acht Musikgruppen und 40 Fußgruppen vom Nonnenplatz aus los.
Am Nonnenplatz ging es los
Von hier ging es weiter über die Bau-, Hühner-, Wollenweber-, Willibrord-, Burg- und Lilienstraße, Neuer Steinweg, Großer Löwe, Kaßstraße, Fischerort, Alter Markt über die Steinstraße bis eben hin zum Geistmarkt, der heute den Start- und Endpunkt des Umzuges markiert.
Nur eben 2021 ein weiteres Mal nicht. Doch Emmericher Narren lassen sich nicht beirren. 2022 sind alle wieder am Start. Hoffentlich.
>>Ein nicht unbekannter Prinz
Übrigens: Der erste Prinz des Gecks, der auch oben auf dem Prinzenwagen beim ersten Tulpensonntagszug durch die Massen fuhr, ist Emmerichs bekannter Maler Hein Driessen. Als Hein I. von Picasso und Embrica Decora und seine liebliche Prinzessin Ute I. von Picassano regierten er und seine Ehefrau das närrische Volk in der Session 1971/72.
Der Wagen für den Tulpensonntagszug wurde bei Probat auf dem Hof gebaut. Als Seitenteile dienten Paletten, den Wagen zierten Bilder aus den verschiedenen Ortsteilen.