Kreis Kleve. Seit Monaten sorgt das Gesundheitsamt dafür, dass alle Corona-Infizierte und ihre Kontakte ermittelt werden. Hilfe gibt es von Klever Studenten.
Julia Groesdonk und Marco Fabian Laines machen immer noch einen zufriedenen Eindruck. Die beiden machen seit Wochen nichts anderes als zu telefonieren. Sie rufen Menschen an, die sich mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt haben, sie ermitteln die Familienangehörigen und sonstigen Kontaktpersonen. Stunden über Stunden befragen die beiden Corona-Indexfälle – wie sie im Amtsdeutsch offiziell heißen –, damit das Kreisgesundheitsamt nicht nur ein genaues Bild über die aktuelle Corona-Lage erhält, sondern auch eine weitere Ausbreitung verhindern kann.
Intensive Gespräche werden geführt
Julia Groesdonck studiert eigentlich noch an der Hochschule Rhein-Waal und Marco Fabian Laines verrichtet seinen Dienst in der von-Seydlitz-Kaserne in Kalkar. Doch zurzeit sind beide Vollzeit in der „Kontaktnachverfolgung“ des Kreisgesundheitsamtes beschäftigt. Es ist ein anstrengender Job, der viel Konzentration und strukturiertes Vorgehen verlangt. Es gibt Gespräche, die können sich bis zu zwei Stunden hinziehen. „Danach ist man erst einmal platt“, erzählt Julia Groesdonck. Denn ganz genau muss ermittelt werden, mit wem die Person in Kontakt stand und wie intensiv dieser Kontakt war. Unter welchen Umständen erfolgte der Kontakt? Wurden Masken getragen? Wurde gelüftet? Wie groß war der Raum, wie viele Menschen hielten sich dort auf? Fragen über Fragen, die mit Hilfe eines strukturierten Interviews abgearbeitet werden. Auf Grundlage dieser Gespräche entscheidet dann das Gesundheitsamt zum Beispiel, welche Personen in Quarantäne müssen oder nicht.
Aktuell machen für den Kreis Kleve 100 Menschen in Vollzeit genau diese Arbeit, sieben Tage die Woche. Die Bundeswehr stellt 20 Soldaten zur Verfügung, Marco Fabian Laines ist einer von ihnen. Weitere 20 Personen werden beim Info-Telefon und in den Testteams beschäftigt.
Bis zu 80 Fälle an einem Tag
Amtsärztin Martina Scherbaum koordiniert die Arbeiten und Abläufe im Zusammenhang mit der Pandemie. Ihr unterstehen mehrere Teams, die in der Hauptstelle des Gesundheitsamtes in Kleve, in einer Nebenstelle in Kleve sowie in Geldern und Weeze arbeiten. Hinzu kommen noch Mitarbeiter aus den Kommunalverwaltungen, die bei Bedarf auch noch den Telefonhörer in die Hand nehmen. Zurzeit schaffe man es, alle Fälle täglich abzuarbeiten. Das können 20 am Tag sein, es können aber auch 80 Fälle sein, berichtet Scherbaum im Gespräch mit der NRZ.
Viele Corona-Fälle im Januar registriert
Psychologische Hilfen für die Quarantänezeit
Personen, die sich längere Zeit in Quarantäne aufhalten müssen, entwickeln mitunter auch psychische Probleme. Das Kreisgesundheitsamt hat daher jetzt das Projekt „Licht“ initiiert, um diese Menschen mit einem sozial-psychologischen Dienst zu unterstützen.Es sei wichtig, dass man den Betroffenen das Gefühl vermittelt, nicht alleine zu sein. Auch Aufklärung sei wichtig. So hätte sich gezeigt, dass ältere Menschen annehmen, dass sie in einer Quarantäne-Zeit nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen dürfen.
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Der Januar sei sehr „dynamisch“ verlaufen, sagt sie. Mit Blick auf die Statistik erkennt sie, dass allein im ersten Monat des Jahres über 1000 Corona-Fälle hinzugekommen sind – gut ein Sechstel der Gesamtzahl von 5920 Fällen. Mit Sorge betrachtet Scherbaum die neuen Mutationen, die sich viel schneller verbreiten und letztlich mehr Arbeit in der Kontaktnachverfolgung bedeuten. Bei der „englischen“ Corona-Variante habe sich bereits gezeigt, dass selbst ein Vorbeigehen im Treppenhaus ausreichend war, um eine andere Person anzustecken. Das Problem: Mehr Corona-Fälle bedeuten auch mehr Krankenhausaufnahmen. Denn das Verhältnis zwischen leichten und schweren Verläufen bleibe statistisch gewahrt.
Aktuell nehmen die Telefonisten Julia Groesdonck und Marco Fabian Laines wahr, dass sich die Menschen im Kreis Kleve sehr gut an die Corona-Regeln im Lockdown halten – die Kontakte werden weniger. Die Menschen gingen natürlich noch einkaufen, aber privat beschränken sich die Kontakte auf Eltern oder Berufskollegen. Dieses Verhalten habe auch dazu geführt, dass die Zahl der Neuinfektionen seit zwei Wochen rückläufig ist.
Die Belastung ist extrem hoch
„Das ist gut“, sagt Martina Scherbaum erleichtert. Aber: „Wir dürfen nicht vergessen: Wir bewegen uns bei der Inzidenz immer noch um die 70. Zu Beginn der Pandemie war die Zahl 50 eine magische Grenze. Da hat sich jetzt ein Gewöhnungseffekt eingesetzt“, sagt sie. Was allerdings nicht bedeute, dass ihre Abteilung weniger arbeiten muss. Im Gegenteil: Die Belastung sei nach wie vor extrem hoch.
Infizierten die Angst nehmen
Julia Groesdonck und Marco Fabian Laines telefonieren regelmäßig mit den Corona-Infizierten, um sich nach dem Gesundheitszustand zu erkunden. Gerade zu Beginn müsse man den Menschen auch Ängste nehmen, denn niemand wissen wie sich das Virus im Körper auswirken wird. Ärztin Scherbaum weiß, dass die Verläufe sehr unterschiedlich sein können. Das Virus befällt nicht nur die Lunge, sondern kann sich auch im Gehirn oder auf der Bauchspeicheldrüse festsetzen.