Kreis Kleve/Emmerich. Die Kreis Klever Polizei war jetzt zu Gast in der Seniorenvertretung Emmerich, wo sie ältere Mitbürger für Betrugsmaschen sensibilisierten.
„Opfer eines Telefonbetrugs? Ich doch nicht!“ Die Kreis Klever Polizei zeigte in der Sitzung der Seniorenvertretung Emmerich einen Film des Altentheaters Köln, das Szenen von Betrugsmaschen nachspielt. Und genau diese Aussage zeigt, dass viele Senioren sich noch nicht darüber im Klaren sind, dass sie sehr wohl Opfer werden könnten.
„In den vergangenen vier Jahren gehen im Kreis Kleve diese Taten stark hoch“, sagte Jürgen Lang von der Kriminalprävention im Bezug auf alle möglichen Betrugsmaschen, die häufig ältere Opfer abzielten. Allein beim Telefonbetrug sei eine Schadenssumme von 650.000 Euro im Jahr bekannt. Dazu kommt die Dunkelziffer, „denn das Thema ist meistens noch mit Scham behaftet“, so Lang, wie sich in dem Film schon andeutet. In der Sitzung sensibilisierte die Polizei für die Gefahren bei diversen Betrugsmaschen:
Senioren sind häufig am Computer nicht so kompetent
Ein Phänomen, das zugenommen hat, ist der Anruf eines angeblichen Microsoft-Mitarbeiters. Welcher Senior kennt sich schon gut mit dem PC aus? Der meist aus Indien anrufende, mit englischem Dialekt sprechende Betrüger berichtet von Sicherheitslücken am heimischen Gerät, das gegen einen kleinen Betrag gestopft werden soll. „Nach diesem Strohhalm greifen die Opfer sofort“, weiß Jürgen Lang. Vor allem der Fernzugriff auf den Computer sorgt für das große Dilemma. Im Hintergrund geht der Datenklau los: „Das Geld ist futsch. Wir können die Nummern nicht zurück verfolgen“, erklärt Lang. Die Polizei rät: Gespräch beenden, Stecker ziehen!
Wer Anrufe auf Englisch bekommt und versucht die Nummer aufzuschreiben, wird feststellen, dass diese Nummer der Betrüger häufig nicht nachverfolgbar ist: „es handelt sich um Telefon-Spoofing. Es wird eine x-beliebige Nummer angezeigt. Das Sperren der Nummer in der Fritz Box klappt nicht“, schildert Lang.
Und dann steht der „alte Bekannte“ mit Blumen vor der Tür
Prinzipiell drückten sich die Betrüger gewählt aus, seien gute Schauspieler und verstünden es, auf der Klaviatur der Gefühle zu spielen. In diese Kategorie lässt sich der Überraschungsbesuch einordnen: Da steht eine Person mit Blumen vor der Tür einer älteren Person. Im Film wird beispielhaft gesagt: „Ich habe deinen Namen auf der Türklingel gesehen, da habe ich direkt Blumen gekauft.“
Das Opfer überlegt, ob sie die Person nicht kennen müsste, traut sich aber die kritische Nachfrage nicht. Die Täter geben sich als alten Freund, Schulkameraden oder Mitpatient aus. Ist der Betrüger einmal in der Wohnung, dann hat er die Opfer am Haken. Die Polizei rät: „Lassen sie fremde Menschen nicht in die Wohnung“, sagt Sabine Leiting von der Kriminalprävention.
Auf falsche Liebe herein gefallen: Opfer oft völlig verzweifelt
Unglaubliche Fälle von Heiratsschwindlern hat die Polizei schon erlebt. Meist wird über soziale Medien Kontakt aufgenommen. Irgendwann kommt es zu Telefonaten und Whatsapp-Kontakt. Es wird eine Bindung aufgebaut. Der Täter merkt genau, wann er das Vertrauen des Opfers gewonnen hat. Nicht selten lebt der „Liebste“ im Ausland, hat einen tollen Beruf wie US-Soldat. Wenn es zum ersten Treffen kommen soll, wird irgendeine Geldleistung erbeten. Der Flieger muss bezahlt werden oder es liegt etwas beim Zoll. „Meist soll über Western Union bezahlt werden“, so Lang.
„Immer wieder kommen Frauen und Männer, die völlig verzweifelt sind, zur Polizei. Sie sind fest davon überzeugt, dass dieser Mann oder diese Frau sie lieben würden. Sie glauben der Polizei nicht, dass es sich um Betrüger handelt“, erklärt Lang. Die Beeinflussung funktioniere wie bei einer Hypnose. Auch bei jüngeren Menschen. Die Polizei rät: Vorsicht, wenn unbekannte hübsche Personen Kontakt aufnehmen und Liebesbriefe schreiben.
Diese Generation hat noch Ehrfurcht vor der Obrigkeit
Typisch für die Generation der älteren Leute, sei die Ehrfurcht vor der Obrigkeit. Und dann ruft ein Kriminalbeamter an, die 110 erscheint im Display, und er spricht von einem Notfall. Die Opfer würden stundenlang am Telefon gehalten. Bei Zweifeln werde mit dem „Vorgesetzten“ verbunden. „Es wird enormer Druck ausgeübt“, so Lang. Bis über die Wertgegenstände im Haus gesprochen wird, die etwa unter dem Kennwort „Rose“ zur Sicherstellung abgeholt werden sollen.
„Wenn die 110 erscheint, dann ist das garantiert nicht die Polizei. Wertsachen stellt dei Polizei nicht sicher. Die Asservatenkammer ist voll genug“, sagt Jürgen Lang. Die Polizei rät: Aus dem Telefonbuch heraus nehmen lassen. Denn die Täter suchen häufig nach Personen mit altdeutschen Vornamen und kurzen Telefonnummern. Wer öfter angerufen wird, sollte sich eine neue Nummer besorgen. Die Täter sind vernetzt und geben geeignete Opfernamen weiter. Im Falle eines Anrufes des „Kriminalbeamten“: Auflegen, selbstständig die 110 anrufen. „Haben Sie keine falsche Scham. Es gibt keinen Missbrauch von Notrufen“, sagt Jürgen Lang.
Sogar Corona bringt Betrugsmaschen mit sich
Eine weitere Masche: Der Handwerker, der vor der Tür steht und von einem Wasserrohrbruch in der Wohnung drüber spricht. Er möchte in der Wohnung des Opfers kontrollieren, ob Wasser durch kommt. Die Bewohnerin wird dann bei der Kontrolle aktiv eingebunden (Wasserhahn auf und zu), währen ein Mittäter die Wohnung ausräumt. Die Polizei rät: Man sollte sich vergewissern, ob oben wirklich ein Rohrbruch besteht. Die eigene Wohnung verschließen. Es muss übrigens auch niemand Bargeld desinfizieren.
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Ganz aktuell sei in Corona-Zeiten, das Einfordern der Kooperation. Das „Gesundheitsamt“ steht vor der Tür und möchte mit einem Fragebogen Nebenwirkungen abfragen. Alternativ wird eine Scheinsicherheit angeboten: Teams des neuen Testzentrums bieten plötzlich die Testung zuhause an. Die Polizei rät: Nicht hinein lassen. Das sind Ablenkungsmanöver.
Wie Opfer am Telefon schockiert werden
Bei Einschleichdiebstählen stehen oft Schwangere vor der Tür oder Mütter mit Kindern, die um ein Glas Wasser, um einen Stillplatz oder einen Platz zum Wickeln bitten. „Sie lullen ihre Opfer ein“, weiß Leiting. Die Polizei rät: Durch die Tür vergewissern, wer da ist. Nicht öffnen.
Schockanrufe nehmen zu: Ein „Verwandter“ berichtet von einem tödlichen Unfall, in den er verwickelt sei. Alles ganz dramatisch, das Opfer steht unter Schock, lässt sich alles erzählen und soll dann die Kaution bezahlen, damit der Anrufer frei gelassen wird.
Ganz perfide Variante der Gewinnspiel-Masche
Der Enkeltrick wird neuerdings gerne schriftlich per Whatsapp durchgeführt. Der „Enkel“ sei in einer akuten Lage, brauche Hilfe und drohe mit Liebesentzug. Kurz vor der Übergabe sind die Enkel dann verhindert und eine Freundin kommt. In beiden Fällen rät die Polizei: Nichts bezahlen!
Sie haben eine Auto gewonnen?! Na ja, bei der Gewinnspiel-Masche fordern die Betrüger immer eine Zahlung ein. Etwa, um das Auto, das noch in der Türkei stehe, einführen zu können. Häufig sei alles ganz kompliziert dabei. Ganz perfide sei die Variante, bei der ein „Landeskriminalbeamter“ hierbei auf einen Betrug hinweist und dann das Geld sicher stellen will. Die Polizei warnt: Gewinne, bei denen man etwas zahlen soll, werden keine Gewinne sein.
In der Sitzung bat Besucherin Beatrix Kalwa, einmal einen echten Polizeiausweis ansehen zu dürfen. Sabine Leiting zeigte diesen und die Polizeimarke, die Polizisten auch immer hätten, einmal rund: „Bei Zweifeln fragen sie einmal bei der Leitstelle nach, ob das ein echter Einsatz ist.“ Generell sollten sich Bürger nicht auf irgendwelche Ausweise verlassen, die vorgezeigt werden. Wenn Handwerker kommen, werde man in der Regel vorher informiert.
>> Damit die Täter nicht den Fuß in die Tür bekommen
Generell empfiehlt die Polizei ein Türzusatzschloss mit Sperrriegel: „Der Täter bekommt seinen Fuß nicht in die Tür. Sie öffnet nur einen Spalt“, erklärt Jürgen Lang.
Die Polizei hält übrigens Postkarten mit den Tipps „Sicher am Telefon“ vor, die man sich neben das Telefon legen kann. Erhältlich bei jeder Polizeidienststelle.