Emmerich. Aufwendige Recherchen, Gespräche mit alten Bekannten, technisches Malheur: Norbert Kohnen hat neues Buch des Emmericher Geschichtsvereins fertig.

Der Schreibtischstuhl ist sichtbar durchgesessen. Kein Wunder. Saß doch Norbert Kohnen im vergangenen Jahr deutlich häufiger auf dem Sessel, als gedacht. Corona hat ihm sämtliche Reisepläne durchkreuzt. Es blieb mehr Zeit für sein aufwendiges Buchprojekt.

Bald bringt der Emmericher Geschichtsverein das Buch des ehemaligen Leiters der NRZ-Redaktion Emmerich mit dem Titel „Emmerich im 20. Jahrhundert“ heraus. Es ist der 39. Band zur Stadtgeschichte. 42 Euro wird es kosten: „Für über 600 Seiten ist das ein guter Preis. Und der ist nur möglich, weil der Autor kein Honorar bekommt“, erklärt Herbert Kleipaß, Vorsitzender des Geschichtsvereins. Vereinsmitglieder bekommen es gratis.

Selbst ein Lesegerät zur Vergrößerung hat Norbert Kohnen an seinem heimischen Schreibtisch. Herbert Kleipaß schaut ihm über die Schulter.
Selbst ein Lesegerät zur Vergrößerung hat Norbert Kohnen an seinem heimischen Schreibtisch. Herbert Kleipaß schaut ihm über die Schulter. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Bisher gibt es nur ein tabellarisches Nachschlagewerk

Kleipaß selbst hat vor 20 Jahren schon mal ein Buch über das vergangene Jahrhundert in Emmerich verfasst: ein Nachschlagewerk in tabellarischer Form. Es wuchs die Idee, eine gut lesbare, thematisch geordnete Version nachzuschieben, ähnlich wie es Dr. Cläre Pelzer über das 19. Jahrhundert schon schrieb.

Um so begeisterter war Kleipaß, dass mit Norbert Kohnen ein Autor gefunden wurde, der Geschichte studiert, etliche Beiträge für den Kreis Klever Heimatkalender verfasst und über 30 Jahre als Journalist die Geschehnisse der Hansestadt hautnah begleitet hat. Zumal das Thema Fingerspitzengefühl verlange: „Es ist eine Gratwanderung über Leute zu schreiben, die noch leben“, weiß Kleipaß.

Das Vorwort schon vor Jahren verfasst

Norbert Kohnen hatte das Thema tatsächlich schon länger im Sinn. „Vor sechs, sieben Jahren habe ich Walter Axmacher eine Gliederung und ein Vorwort geschickt.“ Kleipaß’ Vorgänger war angetan. Und überrascht. Normalerweise werden Vorworte zuletzt geschrieben. Aber es war treffend, im Kern sei es so geblieben.

Viele NRZ-Leser kennen Norbert Kohnen als jahrelangen Leiter der Redaktion Emmerich.
Viele NRZ-Leser kennen Norbert Kohnen als jahrelangen Leiter der Redaktion Emmerich. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Die Zusammenarbeit im Redaktionsteam des Geschichtsvereins um Kleipaß und Hans Friedrichs sei sehr gut gelaufen, findet der 65-jährige Kohnen. Für den Seitenumbruch habe man Konrad Flintrop gewinnen können, der auch als Fotograf für die NRZ bekannt ist.

2015 startete Kohnen über die Medien einen Aufruf und fragte, wer noch Feldpostbriefe hatte. Etliche Leute meldeten sich, Kohnen besuchte sie, fand so auch einen Schatz: alte Postkarten aus Emmerich. Etliche Lokalpromis traf Kohnen ebenfalls, die er aus seiner Berufszeit natürlich nur all zu gut kannte: von Franz Kulka über Ille Heering oder Horst Boch bis Dr. Hado Ebben. Mit ihnen sprach er über das vergangene Jahrhundert. Es sei nicht immer leicht gewesen, auf Distanz zu bleiben.

Zuhause gut eingerichtet

Nach langen Recherchen startete der Autor im Frühjahr 2018 mit dem Schreiben des Buches. Die Gliederung stand. Über die Inhalte wird nach der offiziellen Vorstellung durch den Geschichtsverein noch mehr berichtet.

Kohnen hatte sich zuhause gut eingerichtet: ein neuer Drucker, ein neuer Scanner, sogar ein Lesegerät zur Vergrößerung steht nun dort: „Das ist hilfreich, um zum Beispiel alte Sütterlin-Schriften zu entziffern.“ 20 Umlaufmappen füllten sich mit Material. Rund 400 Dateien fanden Verwendung. 350 Mails zum Austausch fanden per Mausklick ihren Adressaten.

Und dann drückte Kohnen den falschen Knopf

Der erfahrene Journalist betrat auch Neuland. Als er erstmals ins Landesarchiv Duisburg für Recherchen kam, brachte er reichlich Kugelschreiber mit. Er wurde deutlich zurecht gewiesen: „Nicht mit Kullis! Nur Bleistifte. Und machen Sie sich nicht so breit.“ Und dann noch all die jungen Leute um ihn herum, die alle am Laptop schrieben. Da dachte Kohnen: „Ich bin von gestern...“

Bis Juli 2018 hatte der Geschichtsfreund schon einiges niedergeschrieben, doch dann drückte er die falsche Taste am PC: „Alles war weg!“ Kohnen wollte schon aufgeben. In einem Moment der Ruhe hatte er es geschafft, eine ältere Version wiederherzustellen, sodass nur die Arbeit einer Woche verloren war.

Wertvolle Listen im Anhang

Richtig Fahrt nahm das Projekt dann durch Corona auf. Als ab Frühjahr 2020 keine Reisen mehr im Kalender standen, verbrachte Kohnen noch mehr Zeit in seiner Buchwelt: „Im Sommer 2020 war ich fertig.“ Aktuell laufen die Korrekturlesungen.

Das 20. Jahrhundert ist historisch betrachtet ein Jahrzehnt, in dem sich vieles grundlegend änderte. Vom Kaiserreich ging’s in die Diktatur bis zur gelungenen Demokratie. „Es ist wichtig, dass es aufgeschrieben wird, in dieser schnelllebigen Zeit“, meint Kleipaß. Er hat auf einen Anhang Wert gelegt. Dieser umfasst Listen der Ehrenbürger, der Träger des Ehrenrings, der Träger der Ehrenplakette, der Gymnasiums-Direktoren, der Pfarrer und der Stiftungen. Kleipaß ist begeistert: „Kaum eine andere Stadt hat seine Geschichte so gut aufgeschrieben wie Emmerich.“

Das Buch erscheint in einer Auflage von 700 bis 800 Stück. Wer es vor dem 1. Juli bestellt, zahlt 39 Euro. Zuzüglich fünf Euro Porto und Verpackung. Bestellung schriftlich an: Emmericher Geschichtsverein, Kohnen-EGV, Martinikirchgang 2, 46446 Emmerich. Bitte Namen, Adresse, Rufnummer und Email angeben.