Emmerich. Alpha baut in Emmerich neue Wohnungen. Einige Mieter sind traurig, dass sie Quartier verlassen sollen. Einvernehmliche Lösung gesucht.
Der Ruf nach neuem Wohnraum ist in Emmerich immer wieder zu hören. Aber es ist nicht immer leicht, neue Flächen dafür zu finden. Das weiß Florian Heuvelmann nur all zu gut, der sich immer wieder in der Rolle wiederfindet, sich rechtfertigen zu müssen. Als Solo-Investor hat er vor zwei Jahren begonnen, in Emmerich Wohnraum zu schaffen. Inzwischen zählt die Alpha Grundbesitz GmbH 60 Mitarbeiter.
Hinter vorgehaltener Hand fragen immer wieder Leute: Wer steckt denn dahinter? Das ist doch nicht Heuvelmann selbst? Doch, ist er. Wie er gegenüber der NRZ betont: „Ich habe das alles selbst finanziert. Als gelernter Bankkaufmann wusste ich, welche Hebel ich in Bewegung setzen musste.“ Rund 200 Wohneinheiten möchte er in Emmerich in naher Zukunft errichten lassen.
Ein funktionierendes Quartier in Emmerich
Etwa in dem Viertel Bredenbach-/Amalien-/Elisabeth-/Normannstraße, wo die Alpha GmbH etliche Immobilien erworben hat. Hier stehen einige 1950 erbaute Mehrfamilienhäuser, die damals das Bundesvermögensamt für Beamte (Zoll, Post, Bundesgrenzschutz) erbauen ließ. Zugegeben, es sind nicht die schönsten Häuser in Emmerich. Drumherum stehen auch ein paar ansehnlichere Immobilien, wie das ehemalige Haus des Zollamt-Leiters von 1974, in das vor neun Jahren die Familie Hieret-McKay eingezogen ist. „Das hat hier schon Quartiers-Charakter“, findet Manfred Hieret.
Es ist ein funktionierendes Quartier. Hier leben Jung und Alt, Familien und Alleinlebende, Deutsche und Mitbürger mit Migrationshintergrund, Besserverdiener und jene, die weniger gut betucht sind, friedlich zusammen. Aber irgendwo muss der neue, moderne Wohnraum ja hin. Die alten, recht luftig platzierten Häuser sollen abgerissen werden, um Platz für modernere Immobilien zu schaffen.
Bert Gricksch überbrachte die Mietauflösungsverträge
Heinz Rosner hat 1992 die Wohnung – 50 Quadratmeter plus Abstellraum – von seinen Eltern übernommen, die hier 1950 einzogen waren. Der 76-jährige hatte von dem Gerücht, dass hier alles abgerissen werden soll, schon gehört, als Bert Gricksch eines Tages vor der Tür stand. Rosner kennt den pensionierten Polizisten und CDU-Politiker persönlich. Gricksch, Prokurist bei Alpha, bestätigte ihm das Gerücht: Zum 31. Dezember 2021 sollen alle Mieter ausgezogen sein. Zum Ende des Gesprächs händigte Gricksch dem Rentner den Umschlag mit einem Mietaufhebungsvertrag aus.
Er hat nicht sofort unterschrieben: „Ich habe ihm gesagt, dass ich das Vorhaben nicht in Ordnung finde und ich mich schlau machen werde“, erklärt Rosner. Sein Anwalt habe schon Zweifel an dem Vorgehen geäußert. Es müsste eine fristgerechte Kündigung eingehen. Und ein Abriss sei an sich noch kein Kündigungsgrund.
Florian Heuvelmann will niemandem kündigen
Aber Florian Heuvelmann geht bewusst diesen Weg. Eine Kündigung soll es nicht geben: „Wir haben noch nie jemanden rausgeworfen und möchten dies auch nicht. Wir wollen mit den Menschen klar kommen. Wir bieten auch Alternativen.“ Bert Gricksch berichtet, dass er gerade erst einem Mieter aus dem Quartier eine andere Wohnung aus dem Alpha-Bestand hat vermitteln können. „Viele haben den Mietaufhebungsvertrag schon unterschrieben“, so Gricksch.
Seit 1967 leben Gerda und Reinhold Berger (82 und 86 Jahre) an der Amalienstraße. Und zwar in zwei Wohnungen mit zusammen 83 Quadratmetern. „Wir wollen nicht raus“, sagt Reinhold Berger. Aber das Paar hat Fakten geschaffen: „Wir haben eine neue Wohnung gefunden. Das Ganze geht mir an die Nieren. Wir wollen jetzt kein langes Prozedere. Wenn wir umziehen müssen, dann lieber sofort“, verrät Gerda Berger. Etliche Wohnungen, so Heuvelmann, stünden auch schon leer.
Eine Bebauungsplanänderung ist erforderlich
Es gibt Gerüchte, dass einige Mieter sich etwas bedrängt oder überrumpelt fühlten. Womöglich auch wegen einer Sprachbarriere. Bert Gricksch betont: „Ich habe in keinem Fall sofort einen unterschriebenen Mietauflösungsvertrag wieder mitgenommen. Ich habe allen gesagt, sie sollten es sich in Ruhe durchlesen.“
Andrea Schaffeld, SPD-Kreistagsmitglied, betreut dort eine iranische Familie: „Sie sind bestürzt. Ihre Wohnung ist klein, aber renoviert. Es ist eigentlich perfekt.“ Sie bedauert es, wenn dieses gewachsene Quartier geopfert werde. Gespannt sei sie auch auf die dann zu beantragende Bebauungsplanänderung: „Aktuell gibt es dort viele Freiflächen. Ein Entgegenkommen wäre nett.“
Heuvelmann deutet hingegen schon an, dass eine Verdichtung angedacht sei. „Wir sind noch in der Planungsphase. Aber es sollen deutlich mehr Wohnungen entstehen, als dort jetzt sind.“ Bei einer Zweigeschossigkeit soll es bleiben. Inwieweit auch sozialer Wohnungsbau zum Tragen komme, hänge von den Finanzierungsmöglichkeiten ab. In jedem Fall sollen die Neubauten barrierefrei sein.
>> Mieterbund erklärt die rechtliche Lage
Der Deutsche Mieterbund erklärt: „Mietaufhebungsverträge sind individuell geschlossene Verträge, bei denen beiden Parteien bewusst sein muss, was sie unterschreiben. Eine sogenannte Verwertungskündigung hat sehr strenge Voraussetzungen, um gültig zu sein. Die Mieter sollten sich in jedem Fall rechtlich beraten lassen. Dafür könnten sie sich beispielsweise an ihren örtlichen Mieterverein wenden“, erklärt Dr. Julia Hartmann, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Mieterbundes.
Sollte jemand unter Druck gesetzt oder getäuscht worden sein, dann führe dies zur Ungültigkeit der Willenserklärung. In dem Fall sollten die betroffenen Mieter nicht unterschreiben oder ihre bereits geleistete Unterschrift sofort anfechten, so Dr. Hartmann. Aber, wie geschrieben: Die Alpha GmbH möchte keine Mietkündigungen aussprechen und einvernehmliche Lösungen finden.
[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Emmerich, Rees und Isselburg. Den E-Mail-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]