Isselburg. Elke Spörkels Wandel vom „Herrn Pfarrer zur Frau Pfarrerin“ begann vor zehn Jahren. Heute ist sie dankbar für das neue Leben, das sie führt.
Über eine Million Menschen schauen zu, als Das Erste an einem frühen Sonntagabend den Dokumentationsfilm „Herr Pfarrer ist jetzt Pfarrerin“ zeigt. Auch Elke Spörkel sitzt in ihrem Wohnzimmer in Isselburg und beobachtet mit einer gewissen Nervosität, auf welche Weise der Fernsehsender den ursprünglich 45-minütigen Film von Manuel Rees auf 30 Minuten gekürzt hat. Schließlich geht es darin um ihr Leben, um ihren Wandel vom Herrn Pfarrer zur Frau Pfarrerin.
Denn Elke Spörkel wird 1956 als Hans-Gerd Spörkel geboren. 1984 kommt er als Gemeindepfarrer nach Haldern, hält dort mit seiner tiefen Stimme Predigten. Zweimal heiratet er, wird Vater von sieben Kindern. In seiner Freizeit spielt er gerne Fußball. „Ich war überzeugend als Mann“, sagt Elke Spörkel heute. Nur vor sich selbst konnte sie irgendwann nicht mehr das falsche Bild aufrecht erhalten.
Schmerzlicher Prozess
2010 traut sich Elke Spörkel schließlich, das erste Mal vor anderen Menschen Frauenkleider zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sie sich in einer Reha-Klinik, eigentlich kennt sie hier niemand. Und trotzdem zittert sie „wie Espenlaub“, als sie den Speisesaal betritt. Doch der Applaus der anderen gibt ihr so viel Mut, dass sie später auch in ihrer Gemeinde von ihrem wahren Ich als Frau erzählt.
Was danach folgt, lässt sich weder in einem 30-minütigen Film noch in einem 120-zeiligen Artikel in aller Ausführlichkeit erzählen. Ein Versuch aber ist es allemal wert. Elke Spörkel nennt es einen „schmerzlichen Prozess“, den sie durchleben muss. Aber auch für ihr Umfeld ist es alles andere als leicht, das ist ihr bewusst. Umso größer ist die Dankbarkeit, dass sie zunächst weiterhin in ihrer Gemeinde arbeiten darf. Nicht mehr als Herr Pfarrer, sondern als Frau Pfarrerin.
Bruch mit der Gemeinde
Damit ihr neuer Name auch ganz offiziell im Personalausweis steht, stellt Elke Spörkel einen Antrag auf eine Vornamens- und Personenstandsänderung. Nachdem sie endlich die zuständige Stelle ausfindig gemacht hat, stellen ihr zwei Gutachter intime Fragen zu ihrer Sexualität und psychischen Verfassung. Für das 20-seitige Gutachten muss sie am Ende 2500 Euro bezahlen. Eine echte Ungerechtigkeit, findet sie: „Transidente Menschen werden auf eine Ebene mit Menschen gestellt, die in eine Psychiatrie müssen.“
Elke Spörkel meistert aber auch diese Hürde. Als sie sich neu verliebt, scheint sie endgültig in ihrem neuen Leben angekommen zu sein. Sie macht ihrer Freundin einen Heiratsantrag in der Schulklasse, in der sie selbst mal zum Thema „Rolle der Frau und des Mannes“ unterricht hat. Für die Gemeinde in Haldern ist das zu viel, sie distanziert sich von ihrer Pfarrerin. 2016 dann der endgültige Bruch.
Dankbarkeit für zweites Leben
Doch trotz allem blickt Elke Spörkel heute ohne Bitterkeit auf die Zeit in Haldern zurück, hält zu einer Gemeindegruppe auch weiterhin noch Kontakt. „Ich bin dankbar, dass die Gemeinde es wenigstens versucht hat“, sagt sie. „Ich bin aber auch dankbar, dass ich einen Neuanfang machen durfte und ein zweites Leben beginnen konnte.“
Heute lebt Elke Spörkel mit ihrer Familie in Isselburg. Sie arbeitet als Seelsorgerin in einem Krankenhaus und drei Altenheimen, unterrichtet junge Menschen und berät andere transidente Menschen. Denn auch wenn sich Jugendliche heutzutage schon im Internet über Transidentität informieren können, so ist es für viele immer noch ein schambesetztes Thema.
Politisches Engagement bei den Grünen
Damit sich das endlich irgendwann ändert, ist Elke Spörkel mit ihrer eigenen Geschichte schon früh an die Öffentlichkeit gegangen. Ein Ergebnis von vielen ist der Dokumentarfilm „Herr Pfarrer ist jetzt Pfarrerin“. Sie selbst findet den Film „gut gemacht“, bevorzugt aber die längere Version.
Doch auch wenn über eine Million Menschen am Fernseher ihre Geschichte verfolgt haben, reicht Elke Spörkel das noch lange nicht. „Ich bin eine erbitterte Gegnerin der AfD“, betont sie. „Dort wird ständig ausgegrenzt, sei es wegen der Hautfarbe oder wegen des Geschlechts. Dem darf kein Raum gegeben werden.“ Also engagiert sie sich seit Neustem bei den Isselburger Grünen, mit denen sie sich für die drei Kernthemen „sozial, gerecht und ökologisch“ einsetzet. Denn, das möchte sie dabei besonders betonen: „Die Welt ist gekennzeichnet von Vielfalt und das sollten wir auch erhalten.“
>> WDR zeigt Film am 10. September
Der Filmemacher Manuel Rees hat Elke Spörkel rund zwei Jahre begleitet und so über 120 Stunden Filmmaterial gesammelt. Die 45-minütige Version des Dokumentarfilms „Herr Pfarrer ist jetzt Frau Pfarrerin“ zeigt der WDR am 10. September um 22.45 Uhr.
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