Emmerich. Einige überraschende Inserate lassen sich in alten Zeitungen finden. Die gedruckten Seiten zeigen, was die Emmericher im Mai 1860 beschäftigte.
Es dürfte sich durchaus um ein gesellschaftliches Ereignis von aller erstem Range handeln. Am Montag, 14. Mai, lädt der „Männer-Gesangs-Verein zu Praest“ zu einem „Vocal- und Instrumental-Concert“ ein. Die Leitung hat der Gesangslehrer Wilhelm Bonecamp. Und auch Emmericher Musiker unterstützen die Gesangsfreunde aus Praest. Wer sich durch die Zeitungsanzeige angesprochen fühlt und beim Konzert dabei sein möchte, wird auch direkt aufgeklärt, dass er als „Entreé siebeneinhalb Groschen“ entrichten muss.
Kultur und Historisches auf digitalem Weg
Es ist das Jahr 1860 als der Vorstand des Praester Männergesangsverein diese Anzeige im „Bürger-Blatt für die Kreise Rees, Borken und Cleve“ veröffentlicht. Die Ausgaben der Zeitung sind aktuell im Internet auf Zeitungsportal NRW zu sehen. Der Landesverband Rheinland präsentiert in der aktuellen Corona-Krise Kultur und Historie auf digitalem Weg. „Unsere Einrichtungen sind Orte der Begegnung, des Austausches und des Lernens. Das ist derzeit in der bewährten Form nicht möglich. Deswegen bieten wir Kultur im digitalen und attraktiven Format“, so Milena Karabaic, LVR-Dezernentin Kultur und Landschaftliche Kulturpflege.
Der Blick in die Zeitungen vom Mai 1860 zeigt sehr deutlich, was die Emmericher in dieser Zeit beschäftigt. Emmerich gehört zu Preußen, wo König Friedrich Wilhelm IV. auf dem Thron sitzt. Es dauert noch mehr als ein Jahrzehnt, bis dessen Bruder Wilhelm im Spiegelsaal von Versailles zum Kaiser des Deutschen Reiches proklamiert wird.
Lehrlinge von ordentlichen Eltern gesucht
Vor allem viele Handwerksbetriebe und Unternehmen nutzen das Bürger-Blatt, um Werbung zu betreiben. Auch Stellenanzeigen gehören damals schon zum Erscheinungsbild der Zeitung. In der Sonntagsausgabe vom 6. Mai 1860 sucht etwa der Emmericher Ziegel- und Schieferdeckermeister Rennings „einen Knaben von ordentlichen Eltern“, der bei ihm in die Lehre gehen soll.
Georg Jansen wiederum will sein Wohnhaus auf der Kaßstraße zu „ganz vorteilhaften Bedingungen“ verkaufen. Ebenfalls auf der Kaßstraße befindet sich der „Saale des Herrn W. Arntz“, in dem ab dem 10. Mai ein „großer Manufactur- und Mode-Waaren-Verkauf“ stattfinden wird. Verkauft wird übrigens „öffentlich meistbietend gegen gleich baare Zahlung“.
Eau de Cologne in der Buchhandlung
Herausgeber der Zeitung ist im Übrigen eine noch heute bekannte Unternehmerfamilie aus Emmerich: J. L. Romen. In der familieneigenen Buchhandlung wird aber keineswegs nur Literatur angeboten. Denn dort befindet sich das „einzige Depot für Emmerich und Umgebung“, das „allein echte spanische Carmeliter Melissen-Geist aus der Fabrik der Klosterfrau Maria Clementine Martin in Cöln sowie daß in dieser Fabrik angefertigte und mit Preismedaillen gekrönte Eau de Cologne“ im Angebot hat.
Der geografischen Lage Emmerichs wird im Bürger-Blatt dann ebenfalls Rechnung getragen. Selbst kleine Anzeigen in niederländischer Sprache werden abgedruckt. „Preußische Grenzbewohner“ werden unter anderem darüber aufgeklärt, an wen sie sich wenden müssen, wenn sie auf „holländischem Terrain“ Geschäfte machen wollen. Der Leser erfährt zudem, dass der Umrechnungskurs für einen holländischen Gulden bei 17 Groschen liegt.
Ballotage bei der Borussia
Worte wie Groschen und Gulden sind aus dem heutigen Sprachgebrauch verschwunden. Auch mit einer Ballotage können nur noch wenige Menschen im 21. Jahrhundert etwas anfangen. Aber diese besondere Abstimmungsform stand am 6. Mai 1860, nachmittags um 5 Uhr bei der General-Versammlung der Schützen-Gesellschaft Borussia auf dem Programm.
Und eine Sache, die auch heute noch täglich in der Emmericher Lokalausgabe der NRZ zu sehen ist, wurde auch schon damals veröffentlicht: der Pegelstand des Rheins.
>>> Erscheinungsweise und Preis
Zweimal in der Woche, donnerstags und sonntags, erschien das Bürger-Blatt für die Kreise Rees, Borken und Cleve. Emmericher mussten zwölfeinhalb Groschen für das Vierteljahr bezahlen. Wer eine Ausgabe über die Post bezog, hatte 15 Groschen zu zahlen. Ein Abonnement konnte bei Herausgeber J. L. Romen oder bei allen Königlichen Postämtern abgeschlossen werden.
Im Internet auf Zeitungsportal NRW können die Jahrgänge von 1852 bis 1866 des Bürger-Blatts digital kostenfrei eingesehen werden.