Duisburg. Das Albert-Einstein-Gymnasium in Duisburg wird von drei Lehrern geleitet. Warum die Schule keine Schulleitung hat und was an der Team-Lösung charmant ist.
Ein Gymnasium ohne Schulleiter, ohne Stellvertreter, kann das funktionieren? Gut sogar, finden Heike Lienenbecker, Simon Viehrig und Kay Berger, die die Geschicke des Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG) in Duisburg interimsmäßig als Schulleitungsteam leiten. Als sichtbares Zeichen ihrer Präsenz haben sie erstmal einen Newsletter auf den Weg gebracht, der transparent die Schulgemeinschaft auf dem Laufenden halten soll.
Das Albert-Einstein-Gymnasium wurde 1969 in Rumeln-Kaldenhausen gegründet. Heute besuchen es rund 990 Schülerinnen und Schüler, die von etwa 80 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden. Seit dem letzten Sommer ist allerdings kein Schulleiter mehr zugegen und in den Herbstferien packte auch der Stellvertreter und kurzfristige kommissarische Leiter seine Tasche.
Wie berichtet, hat der ehemalige Leiter Steffen Jelitto eine Stelle in der Bezirksregierung angenommen und damit das Personalkarussell in Gang gesetzt. Weil ihm ein neunmonatiges Rückkehrrecht auf seinen alten Job gewährt wird, ist die Leitungsstelle entsprechend noch nicht ausgeschrieben. Sein Stellvertreter Marius Kehrmann hat im Oktober die Leitung des Franz-Haniel-Gymnasiums übernommen, ein Nachfolger wird derzeit gesucht.
An Duisburger Schulen fehlen 350 Lehrkräfte, elf Schulleiter und 28 Stellvertreter
Die Schule ist mit den Engpässen im Kollegium nicht allein. Bei der letzten Lehrerstatistik im September fehlten insgesamt über 350 Lehrerinnen und Lehrer in Duisburg, darunter elf Schulleiter und 28 Stellvertreter. Betroffen sind vor allem Grundschulen, weshalb manche Rektoren gleich zwei Schulen leiten müssen.
Bis es am AEG wieder eine reguläre Schulleitung gibt, das dauert also. Bühne frei für ein Dreigestirn der besonderen Art. Offiziell gibt es zwar schon einen primus inter pares, der für die Bezirksregierung die Hauptverantwortung trägt. Aber den dreien ist der Teamgedanke wichtiger.
„Wir gehen nicht überall zu dritt hin“, sagt Lienenbecker, aber in Schulleiterbesprechungen oder politische Gremien gehen sie ganz gern zu zweit. Getreu dem Motto „Gemeinsam am Einstein“ verlassen sie sich zusätzlich auf Kolleginnen und Kollegen mit den unterschiedlichsten Kompetenzen, setzen auf flache Hierarchien. Das Feedback sei durchweg positiv
Ende Januar sind sie 100 Tage im Amt, alle drei haben ihre Klassenleitungen behalten und schultern die Leitungsaufgaben on top, verteilen sie nach Kompetenz und Leidenschaft. Einer hat die Finanzen im Blick, einer Verwaltungsfragen, einer rechtliche Aspekte. Für schnelle Absprachen haben sie zu zweit das Schulleiterbüro bezogen, „hier wohnen wir“, sagt Lienenbecker mit Blick auf Berger, umringt von maritimen Ansichten der Insel Föhr, die sie spontan an die leeren Wände gepinnt hat. Viehrig ist in Rufweite, aber näher dran am Lehrerzimmer, was für die Stundenplan-Koordination praktisch ist.
Auch den Frust bekommen sie ab
Alle drei waren bereits Teil der erweiterten Schulleitung und da tätig als Erprobungsstufenkoordinatorin (Lienenbecker), als Koordinator für die Organisation und Verwaltung (Viehrig) sowie als MINT-Koordinator (Berger). „Wir sind also nicht ganz blind in die Aufgabe reingelaufen“, sagt Viehrig, aber anfangs hätten sie nicht genau gewusst, wie es am AEG weitergehen soll, erinnert Berger.
Wäre jemand von außen gekommen, hätte er sich erst einfinden müssen, glauben die Drei, „wir kennen die Strukturen, die Kollegen, die Befindlichkeiten, deshalb lief es schnell gut“, erklärt Viehrig. Das erkannt zu haben, lässt auch Lienenbecker wieder beruhigter schlafen. Das Geheimnis ihres Erfolgs sei, dass sich alle ihrer Schule verpflichtet fühlen und sich nicht in erster Linie profilieren wollen. Mit der gesammelten Erfahrung könnte sich der ein oder andere perspektivisch zwar auch eine Bewerbung auf Schulleiter-Stellen vorstellen, aber dass dann die Verantwortung auf einem Paar Schultern liegt, gefällt keinem der drei.
Auch den Frust bekommen sie ab, sagt Berger. Nun meint man sie, wenn es heißt: „Die Schule macht ja nix.“ Wegen eines defekten Beamers „haben wir Mails geschrieben, Reparaturen eingefordert, aber wir können nicht einfach einen neuen Beamer kaufen“, erklärt er. Dass manche Anträge noch per Fax auf die Reise geschickt werden müssen, erfährt man so am Rande.
Finanziell profitiert keiner der Interimsleiter
Der Digitalausbau hat nicht nur an dieser Schule, wo immer noch mit einem selbst gebastelten W-Lan gearbeitet wird, Luft nach oben. Der kommunale Ausbau endete, bevor die Schule im äußersten Westen Duisburgs in den Genuss kam. Für die individuelle Nutzung digitaler Endgeräte wollen sie Regelungen finden, dafür ist eine AG gegründet worden, sagt Lienenbecker. Die Förderung von Leistungsschwächeren auf der einen und Begabten auf der anderen Seite wollen sie zum Thema der nächsten internen Fortbildung machen.
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Finanziell profitiert keiner von der Aufgabe, sagt Lienenbecker. Lediglich ein paar Entlastungsstunden verschaffen zeitliche Polster. Dabei sind die Aufgaben enorm vielfältig an einem großen Gymnasium mit aktuell sechs Lehramtsanwärtern. Personalnot im Sekretariat bedeutet, dass die Schulleiter auch hier einspringen, Entschuldigungen annehmen oder Toilettenpapier organisieren. Und bis Juni müssen sie sich entscheiden, wer die Abirede hält. Aber vielleicht fällt ihnen da auch eine gemeinsame Lösung ein.
>> AEG IST ZERTIFIZIERTE SCHULE DER FILMBILDUNG
- Das AEG wurde als erste Schule in NRW als Schule der Filmbildung zertifiziert. Filmpraktische und filmtheoretische Bausteine sind etwa in Deutsch-Lehrpläne geflossen. Neben analytischen Unterrichtsreihen soll es auch um den Erwerb von Medienkompetenzen gehen.
- Bislang gilt das Angebot aber nur für die Sekundarstufe 1. Ziel des Schulleitungsteams ist es, auch in Sekundarstufe 2, also in der Oberstufe, das Thema zu etablieren.