Duisburg. Samuele „Frio“ Frijo produziert Songs großer deutscher Künstler. Wie der Duisburger es so weit schaffte – und was es für einen Hit braucht.
Sie haben schonmal Musik von Samuele Frijo gehört. Versprochen. Ob Sie wollen, oder nicht. Im Radio, auf Spotify, im Fernsehen, überall laufen die Songs des Duisburgers. Und Millionen Menschen hören sie, bloß wissen sie es vielleicht gar nicht. Denn auf den Albumcovern, auf den Konzertplakaten, auf den goldenen Schallplatten steht nicht Frijos Künstlername „Frio“, da stehen andere Namen: Ayliva, Shirin David, Apache 207, Adel Tawil, ART, Farid Bang oder Manuellsen. Was die alle gemeinsam haben? Samuele hat ihre Songs produziert.
Sechsmal Gold und Platin waren es alleine im vergangenen Jahr, nur mit den Songs von Aylivas Album „Schwarzes Herz“. Samuele sitzt in der Lounge seines Duisburger Studios, im Glanz von zig Mal Gold und Platin – und bleibt bescheiden. „Dass der Song gut ist, ist ja nur ein Teil des Erfolgs. Du musst auch den Zeitgeist treffen, das Momentum muss da sein, und der Song darf keinen Raum für Missinterpretationen bieten.“ So einfach also, Platin-Produzent zu werden, so wie Samuele, mit weit über 300 Veröffentlichungen und zwei Milliarden Streams in ein paar Jahren? Natürlich nicht. Der Weg war hart, mit Rückschlägen und viel Widerstand, murmelt der 27-Jährige mit feuchten Augen.
Samuele Frijo kam durch seine Familie zur Musik, oder vielmehr durch die Kirchbesuche seiner Familie. „Da war immer viel Musik, besonders Orgel, da bin ich früh eingestiegen. So hab‘ ich auch nach und nach andere Instrumente gelernt, Gitarre, Bass, Schlagzeug. Man musste halt das spielen können, was gefordert war.“
Duisburger wird vom Jazzpianisten zum Hit-Produzent
Dass die Musik Samueles Leben auch weiterhin bestimmen sollte, lag wohl schon damals auf der Hand. Nach der Schule studiert er Jazz-Klavier im Studiengang „Perfoming Artist“ an der Folkwang-Universität in Essen, schon vorher beginnt er, sich mit Auftritten Geld dazuzuverdienen. Aber Moment, das passt doch irgendwie nicht. Vom Jazzpianisten zum Produzenten für Hip-Hop, Rap und Pop?
Samuele lehnt sich zurück und saugt die Luft ein, mit diesem einzigartigen Muff, wie es ihn nur in Tonstudios gibt. „Da gab es so eine Art Erweckungserlebnis. Zwei eigentlich. An der Folkwang war Bass-Star John Patitucci zu Gast. Wir haben den alle angehimmelt, aber er hat uns gesagt: ‚Jungs, wir sind alle normale Menschen. Das Wichtigste ist, aus jeder Musik das Interessanteste herauszuziehen.‘“
Womit wir bei Erweckungserlebnis Nummer zwei wären, bei dem sich Patituccis Worte gleich mal bewahrheiteten. Samuele hört „Casanova“ von Summer Cem und Bausa, produziert von Juh-Dee – und ist begeistert. „Das war total seltsam. Ich hatte in meiner Jazz-Bubble mit dieser Musik ja überhaupt keine Berührungspunkte. Aber dann hab ich mir gedacht: Wenn ich das trotzdem geil finde, wenn mich das beeindruckt, dann will ich lernen, wie man sowas macht.“
Ganz unten angefangen: Duisburger Produzent musste erstmal das Klo putzen
Dieser Wunsch sollte die nächsten sieben Jahre seines Lebens prägen. Samuele belagert das Studio von Juh-Dee, das Studio, in dem er heute sitzt. Er schwänzt die Uni, spekuliert anhand der Autos auf dem Parkplatz, ob der Produzent da ist – und dringt doch nicht zu ihm durch. „Ich hatte eigentlich schon aufgegeben, da habe ich dann doch noch die Gelegenheit bekommen, mit Juh-Dee zu sprechen.“
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Es beginnt eine wahre Mister-Miyagi-Story. Samuele spült Geschirr, putzt die Toiletten, bringt das Pfand weg, erst dann darf seinem Mentor beim Produzieren über die Schulter schauen. „Ich habe nebenbei Klavier unterrichtet, habe als Tellerwäscher gearbeitet. Ich habe hier auf der Couch geschlafen, morgens als erster da, nachts mit Juh-Dee als letzter gegangen. In der Zeit gab es viel Gegenwind, dass ich bloß ausgenutzt werde, so in die Richtung. Und es war auch hart, ich habe drei Jahre lang nur vier Stunden pro Nacht geschlafen. Und sieben Jahre habe ich mein Privatleben quasi komplett aufgegeben.“
Duisburger Produzent: im Privatjet nach Monaco
Aber gelohnt hat es sich am Ende doch. Aus dem „Klavierjungen“, der ob seiner Virtuosität Spuren auf Juh-Dees Produktionen einspielen darf, wird schließlich selbst ein Produzent. 2019 unterschreibt er seinen ersten Deal bei Warner Chappell Music, produziert für immer mehr Künstler, fliegt in Privatjets für Produktionssessions nach Monaco. Der Durchbruch ist schließlich die Single „Belgisches Viertel“ von Rapper ART. Samuele produziert sie komplett alleine und fährt sein erstes Gold und Platin ein. Der Duisburger grinst. „Das ist manchmal witzig. Den Song haben wir in zehn Minuten produziert und ich habe den Bass falsch eingespielt. Hat trotzdem geklappt.“
Von da an kann sich Samuele kaum retten vor Anfragen interessierter Künstler. „Die reine Musik ist ja nur ein Teil der Sache. Die Künstler kommen zu dir, weil sie deinen Sound wollen. Wenn ich eine Sache gelernt habe, dann, dass Produzieren auch eine Art Instrument spielen ist. Die beiden Sachen sind eigentlich gleichbedeutend.“
Haben sie sich also gelohnt, die Entbehrungen, die schlaflosen Nächte? Finanziell ja, sagt Samuele, aber darum geht es ihm gar nicht so sehr. „Dein Herz muss brennen, für das, was du tust. Das, was du tust, muss dich begeistern. Und das ist bei mir so.“ Ein Glück, denn der Kalender von Samuele „Frio“ Frijo ist ziemlich voll. Er produziert jetzt auch internationale Künstler, im kommenden Jahr schreibt er die Filmmusik für eine Netflix-Serie, für ein anderes Netflix-Format soll er sogar die musikalische Leitung übernehmen. Bei so viel Glamour, Stardom und Erfolg passt eine Kleinigkeit irgendwie nicht so recht ins Bild: Einen Tag in der Woche hat sich Samuele nur zum Klavierüben reserviert. „Ich will nicht vergessen, wo ich herkomme.“