Duisburg. Duisburgs Feuerwehrchef steht unter Betrugsverdacht. Warum häufen sich gerade bei Feuerwehren die Vorwürfe? Ein Experte über besondere Strukturen.

Die Kombination der Stichwörter Feuerwehr und Betrug bringt in Internet-Suchmaschinen etliche Treffer quer durch ganz Deutschland. Gerade erst wurde publik, dass in Wuppertal Untersuchungen wegen Untreueverdacht laufen. In Neukirchen-Vluyn wurde der Chef der Feuerwehr nach einem rechtswidrigen Verhalten abberufen. Seit Wochen schlägt der Betrugsverdacht gegen den Chef der Duisburger Feuerwehr und seinen Verwaltungsleiter hohe Wellen.

Sind Menschen, die bereit sind, im Einsatz für andere ihr Leben zu riskieren, auch sonst risikobereiter? Gibt es eine Typologie der Superhelden? Was eint diese Menschen, die auf der Karriereleiter hochsteigen, mitunter aber auch tief stürzen?

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Prof. Andreas Müller von der Universität Duisburg-Essen erforscht Bereiche der Arbeits- und Organisations-Psychologie. Er warnt vor einer falschen Wahrnehmung, auch bei den Stichwörtern CEO, Metall und Betrug beispielsweise gebe es etliche Treffer. Gemein haben all diese Bereiche aber, dass es überwiegend um Menschen geht, die in hierarchischen Strukturen agieren und von einer gewissen Risikobereitschaft und Machtbewusstsein geprägt sind.

Arbeitspsychologe zum Betrugsverdacht bei Feuerwehren: Viele Faktoren können dazu führen, Regeln zu brechen

Betrügerisches Verhalten allgemein hänge von mehreren Faktoren ab, erklärt Müller, es gehe um eine Kombination aus persönlichen Faktoren, situativen Bedingungen und der Unternehmenskultur. Wenn zum Beispiel ein hoher Arbeitsdruck herrsche und der Drang, Probleme schnell zu lösen, dann könne das die Wahrscheinlichkeit erhöhen, Regeln zu brechen.

Auch komplexe bürokratische Abläufe, die Verfahren zu langatmig machen, könnten dazu verleiten, sie zu umgehen, um schneller zum Ziel zu kommen. In dysfunktionalen Unternehmen könnte solches Verhalten sogar akzeptiert werden, Anerkennung finden, „darin zeigt sich eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit, die honoriert wird“, erklärt Müller.

Schon der Weg in eine Führungsposition könne in manchen Branchen durch Charaktereigenschaften wie Skrupellosigkeit, Rücksichtslosigkeit befeuert werden.

Prof. Dr. Andreas Müller
Prof. Dr. Andreas Müller von der Universität Duisburg-Essen ist Experte für Arbeits- und Organisationspsychologie. © Universität Duisburg Essen | UDE

Helden nehmen mitunter gar nicht wahr, dass sie Regeln brechen

Verglichen mit anderen Branchen gelten in Polizei- und Feuerwehrteams zusätzlich stark identitätsstiftende Momente, mitunter auch ein Korpsgeist, sagt der Forscher. „Dadurch können sich Verhaltensnormen herausbilden, die sich möglicherweise nicht mit allgemeinen gesellschaftlichen Normen decken.“

Als Helden, als Retter von Menschenleben könne es passieren, dass manche gar nicht wahrnehmen, dass sie gerade Regeln brechen. Im Gegenteil, wer in der Öffentlichkeit stehe, viel Anerkennung bekomme, der habe gerade in Organisationen mit strengen Hierarchien oft kein internes Korrektiv. Das könne man bei Politikern, Promis und Geschäftsführern aller Branchen beobachten. Aus der Group-Think-Forschung wisse man, dass Gruppennormen zu Regelüberschreitungen führen können. Die Angst, ausgeschlossen zu werden, verhindere zudem häufig Kritik.

„Kritiker werden als Nestbeschmutzer wahrgenommen“

Überall da, wo feste und kaum veränderbare Gruppennormen auf einen starken Zusammenhalt, Zeitdruck und starke autoritäre Führungen treffen, sei es schwer für den einzelnen, Widerspruch zu leisten, erklärt der Professor. Es herrsche dann oft keine angstfreie Unternehmenskultur, „Kritiker werden als Nestbeschmutzer wahrgenommen“. Die Befürchtung, im Ernstfall von den Kollegen hängen gelassen zu werden, hindere zusätzlich daran, Beobachtungen zu benennen. Gerade bei Feuerwehr und Polizei müsse es im Einsatz aber um blindes Vertrauen gehen, „das stärkt den Gruppenzusammenhalt“.

So berichten wir über die Beurlaubung des Duisburger Feuerwehrchefs:

Dass in Duisburg nun eine externe Kanzlei die Organisationsstruktur der Feuerwehr unter die Lupe nehmen soll, hält Müller für eine gute Idee. „Man wird mit der Zeit betriebsblind, nimmt Prozesse als gegeben hin.“ Ein Blick von außen könne Chancen bieten.