Duisburg. Das Tötungsdelikt in Duisburg-Rahm wird von der Staatsanwaltschaft als erweiterter Selbstmord bezeichnet: Aber war es nicht ein Femizid?
Nachdem in Duisburg-Rahm ein Mann seine Frau und dann sich selbst getötet hatte, ging in den sozialen Netzwerken die Diskussion los: Das war ein Femizid!
Ein als „Waffennarr“ geltender 68-Jähriger hatte in der gemeinsamen Wohnung erst seine Frau und dann sich selbst mit drei Schüssen umgebracht. Für die Staatsanwaltschaft hat vorerst ein „erweiterter Suizid“ das Leben zweier Menschen beendet. Warum sie zu dieser Kategorisierung griff.
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Erweiterter Suizid meint eine Handlung gegen den Willen des anderen
Die Ermordung der Ehefrau als „erweiterten Suizid“ zu bezeichnen, ist juristisch richtig, betont Staatsanwältin Jill McCuller. Denn damit sei eine Handlung in selbstmörderischer Absicht gemeint, in die eine zweite Person gegen deren Willen einbezogen wird.
„Warum er sie getötet hat, wissen wir nicht.“
Diese Einschätzung ergebe sich aus kriminalistischer Sicht aus dem Inhalt der SMS, die der Verstorbene vor der Tat an Verwandte geschickt hatte. Was der Mann schrieb, will McCuller nicht sagen. Die Ermittlungen zu den Hintergründen des Tötungsdelikts laufen noch. Der jetzige Erkenntnisstand lasse aber keine andere Kategorisierung zu. Die Verwandten hätten erklärt, dass sich diese Tat nicht abgezeichnet habe. „Warum er sie getötet hat, wissen wir also nicht.“
McCuller ergänzt, dass sie Tötungen aufgrund einer Objektivierung von Frauen oder aufgrund eines Besitzdenkens „zutiefst verurteile“. Solange der Begriff „Femizid“ allerdings nicht vom Bundesgerichtshof juristisch etabliert sei, benutze sie ihn nicht.
Entscheidend seien die Hintergründe einer Tat. Nicht jede „normale“ Eifersucht, hier betont McCuller die Anführungszeichen ausdrücklich, entspringe einem Besitzdenken, daher sei je nach Vorgeschichte eine unterschiedliche Rechtsprechung möglich. „Ich bin an den BGH gebunden“, betont sie. „Wichtig ist die richtige Rechtsfolge, dass es also bei den entsprechenden Merkmalen nicht um Totschlag geht, sondern um versuchten Mord.“
Bundesinnenministerin: „Morde an Frauen – das sind Femizide.“
Auch in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik wird mit dem Begriff Femizid (noch) nicht gearbeitet, aber Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte kürzlich betont: „Morde an Frauen – das sind Femizide. Diese müssen so benannt und auch so bestraft werden: mit lebenslanger Haft.“ 2023 wurden in Deutschland 155 Frauen und 24 Männer Opfer von Gewalttaten mit tödlichem Ausgang durch ihre Partner oder früheren Partner, so das BMI.
Das Landgericht Duisburg gehört zu jenen Gerichten, die sich schon länger auf die Fahnen schreiben, Femizide nicht als „Ehedrama“ kleinzureden. Dazu gab es im vergangenen Jahr auch eine Veranstaltung gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft. Der Tenor damals: Nur Aufklärung und gesamtgesellschaftliche Achtsamkeit seien wirksame Mittel gegen Morde an Frauen.
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Den Begriff Femizid gibt es schon seit den 70er Jahren, er bezeichnet Morde von Männern an Frauen, welche nicht oder nicht mehr den patriarchalen Rollenvorstellungen entsprechen und sich der männlichen Kontrolle und Dominanz entziehen, erklärt Prof. Dr. Deborah Hellmann von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Sie arbeitet an einer Studie zu Femiziden. Ziel dieser Forschung ist unter anderem eine bessere Prävention.
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Studie zu erweiterten Suiziden
In einer Düsseldorfer Studie wurden vor einigen Jahren zehn Fälle von erweiterten Suiziden unter die Lupe genommen: Immer waren es Männer, die töteten, fast immer in der gemeinsamen Wohnung, oft gingen legaler Waffenbesitz, eine emotionale Instabilität sowie psychiatrische Auffälligkeiten wie eine narzisstische Persönlichkeit mit der Tat einher.
Die Autoren der Studie deuteten den erweiterten Suizid daraufhin als „Unfähigkeit, auf selbstbildgefährdende Lebensveränderungen zu reagieren, sowie als Versuch, das Selbstkonzept zu schützen“.
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Femizide in Duisburg
- In den vergangenen Jahren wurden in Duisburg immer wieder Frauen von ihren (Ex-)-Partnern umgebracht.
- Aufsehen erregte 2022 etwa die Tat vor dem Johanniter-Krankenhaus, wo ein Mann erst seine Frau und dann sich selbst erschoss.
- Besonders heimtückisch erscheint im Rückblick der Fall von Mine O.: Die junge Mutter wurde zunächst von ihrem Mann als vermisst gemeldet, Monate später wurde ihr Leichnam vergraben in einem Waldstück entdeckt und der Ehemann festgenommen.
- Vor drei Wochen erst hat ein Mann in Beeck versucht, seine Frau mit einem Messer umzubringen, sie überlebte den Angriff schwer verletzt.
Anmerkung der Redaktion:
Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenlos. Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.