Duisburg. Duisburg ist Schauplatz des Nationalen Stahlgipfels. Rund 2000 Beschäftigte aus ganz Deutschland haben für die Zukunft der Branche demonstriert.
Was muss geschehen, damit die deutsche Stahlindustrie eine Zukunft hat? Diese Frage haben am Montag Spitzenvertreter aus Industrie, Politik und EU in Duisburg diskutiert. Zum „Nationalen Stahlgipfels“ hatten NRW-Wirtschaftsministerium, IG Metall und Wirtschaftsvereinigung Stahl eingeladen. Vor der Mercatorhalle versammelten sich rund 2000 Beschäftigte, um für die Zukunft der Branche und ihre Arbeitsplätze zu demonstrieren.
Nationaler Stahlgipfel in Duisburg: Tausende protestieren
Thyssenkrupp Steel, Arcelor Mittal, HKM, Saarstahl – die Namen auf den Bannern der Stahlkocher zeigen: Hier sind alle Unternehmen vertreten. Sie sind von der Dillinger Hütte, aus Salzgitter, Eisenhüttenstadt und Georgsmarienhütte gekommen, um der Politik Dampf zu machen.
Bärbel Bas: „Es geht nicht nur um die Zukunft des Stahls in Duisburg“
Etwa 80.000 Beschäftigte gibt es bundesweit und längst eine Wagenburgmentalität. „Wir sind ein gallisches Dorf“, sagen die Salzgitter-Beschäftigten, die sich als Asterix-Figuren verkleidet haben. Doch dass es um viel mehr geht, macht nicht nur Bärbel Bas (SPD) deutlich, die Bundestagspräsidentin ist Aufsichtsrätin der HKM: „Es geht um die Stahlindustrie in Europa, um ihre grüne Zukunft und die Transformation.“
Auf dem Spiel stehe die gesamte Wertschöpfungskette, Vertrauen und Verlässlichkeit, sagt auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) – draußen bei den Beschäftigten und in der Halle, wo er den Gipfel eröffnet. Kaum verklausuliert eine Kritik am Konzernvorstand von Thyssenkrupp: „Mitbestimmung heißt, auch dann in den Dialog zu gehen, wenn es schwierig wird. Angst und Verunsicherung ist, was wir am wenigsten brauchen.“
„Aktionsplan Stahl“ für Wirtschaftsminister Robert Habeck
Die Forderungen, die Gewerkschafter wie der Vize-Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner, und auch die beiden EU-Abgeordneten Dennis Radtke (CDU) und Jens Geier (SPD) für verlässliche Rahmenbedingungen formulieren, sind nicht neu: ein Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen als Grundlage für Investitionsentscheidungen, fairer Wettbewerb auf dem Weltmarkt durch Anti-Dumping-Regeln der EU und grüne Leitmärkte für die Etablierung des grünen, aber teureren Stahls.
Die zentralen Forderungen zur Zukunftsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie bündelt ein „Aktionsplan Stahl“ der am Nachmittag an Robert Habeck übergeben wurde. Der Bundeswirtschaftsminister, zuvor bereits im Ruhrgebiet unterwegs, stieß mit NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur zum Stahlgipfel. „Ein starkes Signal für ganz Deutschland“, erhofft sich Tekin Nasikkol, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp, von dem Papier.
Warnung an Thyssenkrupp: Bau der DRI-Anlage nicht infrage stellen
Gerade in Jahr ist vergangen, seit Habeck einen Förderbescheid über eine Milliarde Euro für den Bau der ersten Direktreduktionsanlage bei Thyssenkrupp Steel übergab, das Land NRW steuert 700 Millionen Euro bei. „Die DRI-Anlage darf nicht infrage gestellt werden“, warnte der Duisburger Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak (Grüne) ebenso wie OB Sören Link: „Wenn der wichtigste Abnehmer wegbricht, gibt es auch keinen Hochlauf beim grünen Wasserstoff.“
- Die WAZ-Lokalredaktion Duisburg hält Sie auch hier auf dem Laufenden: zum WhatsApp-Kanal +++ Duisburg-Newsletter gratis ins E-Mail-Postfach schicken lassen +++ WAZ Duisburg bei Instagram +++ WAZ Duisburg bei Facebook
Den Zweifeln von Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner beim Industriestrompreis gelte es „andere Konzepte entgegenzusetzen“, fordert Banaszak. Darüber macht sich auch Christian Egenhofer vom europäischen „Think Tank“ CEPS Gedanken. In seinem Vortrag bringt er die Auktion eines Pakets für „Industrie-Energie“ ins Spiel.
„Stahlindustrie wird günstiger Energie und Erzvorkommen folgen“
Mit erneuerbaren Energien machten Erzeuger in Westeuropa absehbar keine Gewinne, stellt Egenhofer fest: „Wir sind sehr weit weg vom grünen Wasserstoff, er muss importiert werden.“ Das werde dazu führen, „dass der Stahl dorthin geht, wo billige Energie ist. Regionen mit Eisenerz und Energie werden eine größere Rolle in der Wertschöpfung spielen.“
Ob Europa bereit ist, etwa aus Gründen der Unabhängigkeit von Importen, die Roheisen-Produktion zu halten und die Voraussetzungen für grüne Leitmärkte zu schaffen, muss in Brüssel beantwortet werden. Es gebe dafür die erforderlichen Instrumente im „EU-Werkzeugkasten“, sagt Kerstin Jorna, Generaldirektorin für Industrie und Wettbewerb bei der EU-Kommission.
EU-Parlamentarier: Brauchen schnelle Entscheidungen in Brüssel
Jorna nennt Impulse für die öffentliche Nachfrage nach grünem Stahl, entschlossenere Beschränkungen für Dumping-Importe und Begünstigungen für klimafreundliche Produkte. Wichtig sei nun nicht nur Entschlossenheit, zu der sich die EU-Generaldirektorin bekennt, sondern vor allem Geschwindigkeit und eine Reform des Beihilferechts, betont Euro-Parlamentarier Dennis Radtke: „Wir brauchen Entscheidungen, bevor uns die Industrie unter dem Hintern wegbricht.“