Duisburg. Katja Arens übernimmt die Leitung am Malteser-Hospiz St. Raphael in Duisburg von Mechthild Schulten. Sie hat einen ganz persönlichen Grund für ihre Arbeit.
„Zeit des Lebens“ nennt Mechthild Schulten das, was im Malteser-Hospizzentrum St. Raphael in Duisburg-Huckingen passiert, sei es nun ambulant oder stationär. Das mag Außenstehende verwundern. Schließlich geht es im Hospiz doch um den Tod. Um die letzten Tage, Wochen oder Monate unheilbar kranker Menschen. Darum geht es im Hospiz. Aber nur auf den ersten Blick.
„Es geht um Nächstenliebe und Hinwendung, die individuellen Wünsche der Menschen stehen im Mittelpunkt“, sagt Schulten, „fachlich so gut wie möglich, menschlich so gut wie möglich. Und das kriegen wir sehr gut hin.“ 34 Jahre hat Mechthild Schulten nach diesen Grundsätzen gewirkt, als Gründerin des Hospizzentrums, als Leiterin. Nun übergibt sie den Staffelstab an Katja Arens.
Wie die Hospizbewegung in Duisburg ihren Anfang nahm
Grund genug für einen Blick zurück. Vor über 30 Jahren, damals ist Schulten 29, arbeitet sie schon bei den Maltesern. Zu der Zeit aber noch in Köln, in der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit. „Ich habe dann nach einer neuen Herausforderung gesucht, ich wollte mehr bewirken“, erinnert sie sich.
Die Geschäftsführung hatte auch gleich etwas in petto: Anlässlich des 900. Jahrestags des Malteser-Ordens sollte Schulten die Hospizarbeit aufbauen, die in Deutschland noch ein beinahe unbeschriebenes Blatt war. „Donnerwetter“, dachte sie damals, und dann: „Das hast du ja gar nicht gelernt.“
Aber sie nimmt die Herausforderung an, informiert sich in der Bibliothek. „Da gab es drei Bücher zum Thema, heute sind es 300 Regalmeter.“ Sie besucht Persönlichkeiten und Vorreiter der Sterbebegleitung in ganz Deutschland und macht sich ans Werk. 1992 schließlich startet das erste Duisburger Hospiz, zunächst nur ambulant, im katholischen Kirchenzentrum in Hamborn. Mit zwei Ordensschwestern aus Kevelaer und einem Sozialarbeiter ist das Team schnell komplett, auch der erste Ehrenamtskurs lässt nicht lange auf sich warten.
Das erste Duisburger Hospiz lag auf dem Dach des Hamborner Rathauscenters
Schon bald wird aber klar: Die ambulante Sterbebegleitung reicht nicht aus. „Wir haben dann auf dem Dach des Rathauscenters in Hamborn zwölf Apartments eingerichtet, rund um den Innenhof.“ Ein Problem der damals noch jungen Hospizbewegung: die Finanzierung durch die Krankenkassen, „aber wir haben immer gewisse Lösungen gefunden“, sagt Mechthild Schulten.
Mitte der 90er Jahre übernahmen die Malteser das Krankenhaus St. Anna in Huckingen – eine große Chance für das Hospiz. Bauland ist da, und das Geld bald auch, der damalige Bundesminister für Soziales, Norbert Blüm, sicherte dem Hospizzentrum eine Investitionskostenförderung von 85 Prozent für den Neubau zu. „Wir konnten unser Traumhaus selbst planen“, freut sich Mechthild Schulten noch heute, „wir haben in Hamborn gelernt, was wir brauchen und was nicht. So haben wir den Raumplan dann selbst entworfen.“
Hospizgründerin in Duisburg: „Von Gott gut behütet“
Im Januar 1999 schließlich zieht das Hospizzentrum von Hamborn, nicht nur als stationäres Hospiz, betont Schulten, sondern als Zentrum für die ganze Stadt und ihre Umgebung. 2007 kommt das ambulante Kinder- und Jugendhospiz dazu. „Wir sind ein Hospizzentrum für jeden, auch für Trauernde und Hinterbliebene, deren Freunde und Verwandten nicht bei uns begleitet wurden.“
In ihrer Arbeit und in ihrem Leben, sagt Schulten, habe sie sich stets „von Gott gut behütet gefühlt“. Es gebe Situationen, da weiß man nicht vor und nicht zurück, „da hilft es, die Dinge auch mal an den Herrgott abzugeben und unsere menschliche Begrenztheit zu sehen. Das führt zu einer ganz lösenden Entspannung. Der Mensch kann nicht alles.“ Über das, was Mechthild Schulten mit ihrer Duisburger Hospizbewegung noch alles auf die Beine gestellt hat, ließen sich problemlos Bücher füllen.
Weil die Freundin starb: So kam die neue Duisburger Hospizleiterin zu ihrem Beruf
Katja Arens‘ Buch ist noch nicht so lang, aber im Vergleich zu ihrer Vorgängerin hat sie ja auch gerade erst angefangen. Die gelernte Diakonin und Sozialpädagogin, gebürtig aus Heilbronn und der Liebe wegen im Ruhrgebiet, kam erst spät zur Sterbebegleitung. „Zu meiner Studienzeit wurde bei einer Freundin Schilddrüsenkrebs diagnostiziert“, erinnert sie sich. Als nach mehreren Jahren klar ist, dass ihre Freundin sterben wird, fühlt sich Arens hilflos. „Da habe ich einfach bei einem Hospizverein geklingelt, ohne Termin, ohne alles. Und ich wurde hereingebeten, habe so viel Verständnis erlebt, das hat mich geprägt. Und ich konnte meine Freundin dann gut begleiten.“
Das war im Jahr 2000. Schon damals fasst sie den Entschluss, irgendwann sterbende Menschen zu begleiten, „die vielleicht niemanden haben, der ihnen hilft.“ Es dauert noch zwölf Jahre, Arens arbeitet mittlerweile im Fachdienst für Kinder, Jugendliche und Familienhilfe der Caritas in Essen, da lässt sie sich bei einem Essener Hospizdienst zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin ausbilden.
Neue Duisburger Hospiz-Leiterin: „Weiter auf Ehrenamt setzen“
„Corona war dann eine Zäsur für mich, die Arbeit mit Menschen war ja kaum noch möglich“, erinnert sie sich, und entschied sich schließlich, vom Ehren- ins Hauptamt zu wechseln. Sie qualifiziert sich weiter, und nach einem über einjährigen „Kennenlernprozess“ übernimmt sie die vakante Leitung des ambulanten Hospizdienstes in Huckingen. Mechthild Schulten denkt heute noch gerne an das erste Telefonat zurück: „Ich hatte schon damals ein gutes Gefühl. Da war eine Person mit Energie am Apparat. Und der Eindruck hat sich bewahrheitet.“
Und wie blickt die neue Leiterin auf ihre künftigen Aufgaben? „Wir müssen weiterhin aufs Ehrenamt setzen“, sagt sie, „mittlerweile haben wir zwei Kurse im Jahr, und die brauchen wir auch. Sonst schrumpft unser Pool an Ehrenamtlichen, und wir wollen die Last auf möglichst viele Schultern verteilen.“
Als Leiterin zehn Bälle in der Luft, doch: „Es geht um die Menschlichkeit“
Was ihre Vorgängerin geprägt hat, das ist auch Katja Arens wichtig. „Es geht um Menschlichkeit, nach wie vor, gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir so viel Verrohung erleben. Wir werden uns weiter den Menschen zuwenden, ganz unabhängig von Alter, Hautfarbe, Sexualität, all diesen Dingen.“ Deswegen hofft sie auch auf mehr Vielfalt im Ehrenamt. „Hier im stationären Hospiz sind es noch vor allem Deutsche, die zu uns kommen, doch im ambulanten Hospizdienst sind es immer öfter Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung. Das müssen wir abbilden, ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Sterben ist ja auch vielfältig.“
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Bleibt noch die Frage, was eine Leiterin eines Hospizzentrums eigentlich so macht, ob sie nun Mechthild Schulten oder Katja Arens heißt. „Man hat zehn Bälle gleichzeitig in der Luft“, lächelt Schulten, „von der Aufnahmesituation über Gespräche mit den Pflegekräften bis zur Verwaltung, Spendenakquise und Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen.“ Der erste Gang des Tages führt trotzdem immer zu einem kleinen Tisch gleich neben dem „Raum der Stille“. Dort stehen Bilderrahmen mit den Namen der Bewohner, die gerade verstorben sind. An jenem Morgen, als wir Mechthild Schulten und Katja Arens treffen, sind es vier Rahmen.
„Viel kommunizieren“, ist das Credo der beiden, „am besten den ganzen Tag.“ Am Freitag wird es dazu viel Gelegenheit geben, dann wird Mechthild Schulten ganz offiziell verabschiedet. Zumindest aus dem Hospizzentrum St. Raphael, den Maltesern bleibt sie noch erhalten. „Ich bearbeite als ‚Senior Expert‘ noch ein paar Themen auf Bundesebene, zu stationären Hospizen, zur Trauer, zum Fundraising“, erklärt Schulten. „So können die Malteser noch ein bisschen von meiner Erfahrung profitieren.“