Duisburg. Gereon Lepper fühlt sich von der Fernwärme Duisburg wegen eines hohen Grundpreises abgezockt. Was Hauseigentümer dabei aber wissen müssen.
Gereon Lepper ist seit April 2020 Eigentümer eines Mehrparteienhauses an der Hedwigstraße in Duissern, das mit Fernwärme versorgt wird. Zu seinem Vertrag mit der Fernwärme Duisburg GmbH gehört eine Anschlussleistung von 60,3 Kilowatt. Dies ist sehr viel mit Blick auf den vergleichsweise geringen Verbrauch der vergangenen vier Jahre, sagt Lepper. Entsprechend hoch sei der jährliche Grundpreis mit 2450 Euro. Er fühlt sich vom lokalen Energieversorger abgezockt.
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„Ich gehe davon aus, dass die Verbrauchszahlen auch schon vor 2020, also bevor ich Eigentümer des Hauses wurde, ähnlich niedrig waren“, sagt der Düsseldorfer. Er fragt sich: „Warum hat die Fernwärme Duisburg GmbH, nachdem ihr diese Zahlen schwarz auf weiß vorlagen, nicht schon bei Vertragsabschluss beziehungsweise danach von sich aus den Vertrag zu meinen Gunsten angepasst?“
Fernwärme Duisburg: Hauseigentümer ärgert sich über hohen Grundpreis
Sein Argument: Seine Nachbarin sei Eigentümerin eines hundertprozentigen Zwillings seines Hauses. Sie habe aber einen Vertrag mit einem Anschlusswert von nur 22,2 kW und mit 900 Euro jährlich einen eklatant geringeren Grundpreis. „Dadurch habe ich überhaupt erst erfahren, dass mein Anschlusswert und dadurch mein Grundpreis viel zu hoch sind. Legt man im Vergleich mit meiner Nachbarin die Differenz zugrunde, hat die Fernwärme Duisburg GmbH mir in den vergangenen vier Jahren unabhängig von den tatsächlichen Verbräuchen über 6000 Euro mehr in Rechnung gestellt.“
Was Lepper zusätzlich auf die Palme bringt: Nach Rücksprache habe sich der Fernwärmeversorger zwar jetzt bereit erklärt, den Vertrag anzupassen. „Aber Rückzahlungen gibt es keine“, so der Hauseigentümer. „Stattdessen soll ich für die Umstellung des Hausanschlusses noch zusätzlich 285,60 Euro zahlen.“
Rechnung aus dem Jahr 1968 als Grundlage: „Ich fühle mich veräppelt“
Was ihn zusätzlich ärgert: Nach Rücksprache habe der Fernwärmeversorger erklärt, dass der hohe Anschlusswert auf einer Berechnung eines Heizungsmonteurs basiere. Die stammt allerdings aus dem Jahr 1968. Zu dieser Zeit sei eine Dimensionierung in dieser Höhe wohl Standard gewesen. „Ich fühle mich insgesamt wirklich veräppelt“, sagt Lepper.
Aber ist sein ganzer Ärger wirklich berechtigt? Wie muss man sich die Vertragsgespräche vorstellen? Gibt es dabei von der Fernwärme Duisburg GmbH als Dienstleister, die nach eigenen Angaben rund 15.000 Objekte in der Stadt mit Wärme beliefert, gar keine umfassende Beratung?
Unternehmen wehrt sich gegen Vorwürfe
Doch, betont Pressesprecher Thomas Kehler auf Nachfrage der Redaktion. „Der Neukunde wird transparent und detailliert über die Fernwärme aufgeklärt“, sagt er. „Dazu gehören auch die Preiskomponenten und damit die individuell zu erwartenden Kosten in Abhängigkeit vom Verbrauch und dem Anschlusswert.“
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Im konkreten Fall habe Gereon Lepper den Eigentümerwechsel gemeldet und einen neuen Wärmeliefervertrag zunächst einmal zu den gleichen Konditionen wie der Voreigentümer abgeschlossen. Dies sei in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) so grundsätzlich geregelt. Zu den vertragsrelevanten Angaben gehöre auch der Wert der bereitgestellten Anschlussleistung – bei Lepper besagte 60,3 Kilowatt.
„Eine Überprüfung dieser Werte ist nicht vorgesehen und erfolgt auch nicht ohne Veranlassung durch den Kunden“, stellt Kehler klar. „Der neue Eigentümer hätte bereits beim Hauskauf und vor Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt, die dort angegebenen Werte zu hinterfragen und gegebenenfalls durch einen Energieberater überprüfen zu lassen oder mit der Fernwärme Duisburg in Kontakt zu treten.“
Verweis auf Eigenverantwortung
Hier greife auch die Eigenverantwortung des Eigentümers. So seien Vermieter beispielsweise verpflichtet, wirtschaftlich und damit im Interesse ihrer Mieter zu handeln. „Der Fernwärme Duisburg lagen aus den Vorjahren weder Änderungswünsche des Voreigentümers noch Einsprüche gegen erstellte Jahresverbrauchsabrechnungen vor, die Anlass zu einer Überprüfung gegeben hätten“, erklärt der Pressesprecher. Auch von Gereon Lepper habe es zuvor keinen Hinweis und auch keine Beschwerde über eine Überversorgung gegeben.
Kehler betont: Die Wärmemenge werde nicht von der Fernwärme Duisburg vorgegeben, sondern sie basiere auf den Angaben des Eigentümers, Bauträgers oder Architekten – bei Bestandsimmobilien auch in der Regel auf Berechnungen der Heizungsbauer. Im Fall Lepper sei dies eben noch eine Rechnung aus dem Jahr 1968.
Aktuellere Anhaltspunkte gebe es erst, wenn der Kunde aktiv werde – „beispielsweise nach einer energetischen Sanierung oder Modernisierung des Gebäudes“, sagt der Pressesprecher. „In diesem Zuge würde er auch eine neue Heizlastberechnung nach DIN 12831 erstellen lassen, die dann als Berechnungsgröße für eine Anpassung des Anschlusswertes dienen könnte.“
Rechnung für Anpassung der Anschlussleistung
Klar sei: „Eine rückwirkende Anpassung der Anschlussleistung erfolgt nicht“, so Kehler. Sobald der Kunde den Wunsch äußere, den Wert zu verändern beziehungsweise wie im Fall Lepper zu reduzieren, sei das zwar kein Problem. Dazu sei aber eine technische Anpassung der Fernwärmeübergabestation notwendig. Der Aufwand werde dem Kunden deshalb berechnet.
Gregor Hermanni, Referent für Energierecht bei der Verbraucherzentrale NRW, betont ebenfalls, dass ein Fernwärmeversorgungsunternehmen zur Ermittlung des Anschlusswertes grundsätzlich nicht verpflichtet sei. So habe es beispielsweise das Oberlandesgericht Köln entschieden (OLG Köln, Urteil vom 11. Juni 2021 – 19 U 117/20).
Auch in der Literatur werde die Ansicht vertreten, dass es nicht die Aufgabe des Fernwärmeversorgungsunternehmens sei, zu prüfen, ob die bestellte Wärmemenge auch den tatsächlichen Bedürfnissen der Kunden entspricht, so der Energieexperte. Der Versorger habe davon auszugehen, so die Argumentation, dass die angegebene Wärmemenge richtig von Kunden ermittelt worden sei – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Fachexpertise.
Experte der Verbraucherzentrale NRW erklärt die Gesetzeslage
Ob andere, erhöhte Anforderungen an ein Unternehmen wegen besonderer Umstände gestellt werden können oder ob auch dann noch Verbraucher dafür Sorge tragen müssen, dass die Wärmeleistung angemessen vereinbart wurde, wird laut Hermanni wohl eine Frage des Einzelfalls bleiben. Dies sei nicht abschließend geklärt.
„Was gesetzlich geregelt wurde, ist die Möglichkeit, die vertragliche vereinbarte Wärmeleistung einmal jährlich mit einer Frist von vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats anzupassen – ohne Nachweis, sofern sich die Leistung nicht um mehr als 50 Prozent reduziert“, erklärt der Experte der Verbraucherzentrale.
Die Fernwärme Duisburg GmbH rät ihren Kunden allerdings davon ab, den Anschlusswert „willkürlich“ festzulegen. Eine sehr geringe, nicht zum tatsächlichen Bedarf eines Objektes passenden Anschlussleistung führe im Winter bei Minustemperaturen in der Regel zu einer Unterversorgung. Das bedeutet: Die Immobilie könne nicht richtig beheizt werden. „Das hängt damit zusammen, dass die Fernwärme Duisburg die vertragliche Leistung in der Übergabestation technisch regelt“, so der Pressesprecher.
FERNWÄRME DUISBURG: SO WERDEN DIE PREISE BERECHNET UND FESTGESETZT
- Der Grundpreis wird nach Angaben der Fernwärme Duisburg GmbH nach der benötigten bereitgestellten höchsten Wärmeleistung festgesetzt. Diese lege der Kunde auf Basis von Heizlastberechnungen eines Fachbetriebes fest und orientiere sich in der Regel anhand der Heizlast des Objektes.
- Diese Wärmeleistung werde dann mit dem Grundpreis (€/kW/p.a) multipliziert. Liegt die bereitgestellte höchste Wärmeleistung bei 11 Kilowatt für die Immobilie, zahlt der Kunde: 11 Kilowatt mal 43,99 EUR/kW plus 19 % Mehrwertsteuer im Jahr (Preisstand 1. Juli 2024).
- Die Wärmemenge werde pro Kilowatt technisch und vertraglich eingestellt. Eine Staffelung im Preis gebe es nicht, sondern einen Mindestgrundpreis, der einer Wärmeleistung von 11 Kilowatt entspricht. Darüber hinaus könne eine Staffelung in Kilowatt-Schritten erfolgen.
- Der Fernwärmepreis setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: zum einen aus dem Grundpreis, der in Abhängigkeit zur vertraglich bereitgestellten Wärmeleistung erhoben wird und zum zweiten durch den Arbeitspreis für die gelieferte Wärmemenge.
- Der Grundpreis bildet dabei unter anderem die Kosten der vorgehaltenen Wärmeleistung sowie Betriebs- und Instandhaltungskosten ab, der Arbeitspreis im Wesentlichen die Wärmebezugskosten unter Berücksichtigung der Wärmeverluste. Die Entwicklungen beider Preiskomponenten werden dabei vertraglich vereinbart.