Marxloh. Seit Gründung der Grundschule Sandstraße 1916 stellt Familie Stradmann die Hausmeister. Über ein Jahrhundert später ist damit jetzt Schluss. Der Grund.

In Marxloh geht eine Ära zu Ende: Die Familie Stradmann stellt seit 108 Jahren die Hausmeister der Schule an der Sandstraße. Mit Marietta Stradmann endet die Tradition. Die 66-Jährige geht Ende August in den Ruhestand. Wer dann den Job übernimmt? Das steht noch in den Sternen. Nur eins ist gewiss: Aus der Dynastie derer zu Stradmann wird der Nachfolger nicht kommen.

Der Erste im Reigen war Hans. Er trat seinen Dienst an, als die Schule eröffnet wurde. Das war 1916. „Mein Opa hatte zehn Kinder“, erzählt Dieter Stradmann, Ehemann und Vorgänger von Marietta. Als Hans starb, fällte sein Sohn Willi eine Entscheidung, die sich später noch einmal wiederholen sollte.

Nach 108 Jahren wird der neue Hausmeister der Schule erstmals nicht mehr Stradmann heißen

Der Zimmermann übernahm den Job des Schulhausmeisters, damit seine Mutter und die vier Geschwister, die noch zu Hause lebten, nicht so schnell die Wohnung räumen mussten. Willi bleibt, seine beiden Kinder Ursula und Dieter werden in der Schulhausmeister-Wohnung geboren.

Willi stirbt schon mit 57. „Damals war ich 30, Elektromeister und Junggeselle. Damit meine Mutter die Wohnung langsam ausräumen kann, habe ich den Job übernommen“, lacht Dieter. Um ihn aber wirklich zu bekommen und die Wohnung übernehmen zu können, muss er erst mal seine Freundin Marietta heiraten. Die wohnt damals in Bochum und sagt beim Antrag „Ja“. So war das vor 39 Jahren: Man musste verheiratet sein.

Dieter und Marietta Stradmann müssen bald die Schulhausmeister-Wohnung räumen. Weihnachten wollen sie mit dem Umzug durch sein.
Dieter und Marietta Stradmann müssen bald die Schulhausmeister-Wohnung räumen. Weihnachten wollen sie mit dem Umzug durch sein. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Dieter Stradmann ist in Marxloh bekannt wie ein bunter Hund: Seit Jahren sitzt er für die SPD im Stadtrat, außerdem ist er seit 54 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Duisburg an Bord. Erst vor zwei Jahren beendet er den Einsatzdienst als Stadtbrandinspektor. Vor vier Jahren schon hat er den Job als Schulhausmeister an den Nagel gehängt und seiner Frau Marietta überlassen.

Das war nur folgerichtig. „Marietta übernahm schon vor 25 Jahren für mich die Vertretung, wenn ich als Personalrat gefragt war“, so Stradmann. Vertretung klingt erst einmal harmlos. „Es waren aber fünf Stunden am Tag“, sagt Marietta Stradmann.

Marietta Stradmann arbeitet schon seit 25 Jahren mit ihrem Mann zusammen

Vor vier Jahren ist sie also voll eingestiegen – das bedeutet in diesem Job lange 46 Stunden in der Woche. „Ein Schulhausmeister beginnt morgens um 6.30 Uhr und macht um 21 Uhr Schluss.“ Denn am späten Nachmittag starten die Vereine in der Sporthalle, die der Hausmeister nach dem Training abschließen muss.

Ende August hört also auch die gelernte Schaufenstergestalterin auf. „Ich freue mich darauf, mehr Zeit für mich zu haben“, sagt die 66-Jährige. Sie plant, mehr Sport zu treiben, zu malen und ihr Schwedisch zu verbessern.

Das Paar hat seit vielen Jahren ein Haus in Schweden und plant dort erst einmal einen längeren Urlaub. Einfach mal bleiben, bis man keine Lust mehr hat. Dieter Stradmann wollte eigentlich ganz dorthin ziehen: „Wegen unserer beiden Enkelkinder konnte ich meine Frau nicht davon überzeugen.“

Die Dienstwohnung zu räumen, ist für die Stradmanns ein Kraftakt

Aber erst einmal müssen die Stradmanns eine Mammutaufgabe bewältigen: Ihre 120 Quadratmeter große Wohnung leerräumen, in der 108 Jahre am Stück Stradmanns gelebt haben. „Und jeder hat beim Auszug immer nur das mitgenommen, was gebraucht wurde“, erzählt Marietta.

Ihren Rückzug aus der Schule an der Sandstraße planen die beiden schon seit drei Jahren. „Wir haben uns ein Haus in Walsum gekauft, das war für uns wie ein Sechser im Lotto. Das Problem ist nur: Es ist schon voll und hier noch nicht alles leer.“

Da sind zum Beispiel die 15 Modellschiffe, die Dieters Vater gebaut hat. „Die kann ich doch nicht wegwerfen“, sagt Dieter Stradmann, zumal er die Kanonen gegossen und Marietta die Schilder gemalt hat. Er überlegt, sie dem Museum für Binnenschifffahrt anzubieten.

Die Wohnung ist es gewesen, die damals vor mehr als 30 Jahren ein gewichtiges Argument war, Schulhausmeister zu werden. Vor allem der Traumgarten, in dem die Stradmanns sehr zur Freude der Schülerinnen und Schüler zeitweise Kaninchen, Hühner, Gänse und Puten gehalten haben. „Das war wie ein Bauernhof.“ Und schöne Erinnerungen gibt es natürlich noch und nöcher: „Zum Beispiel, wie unsere Kinder in den Fluren Bobbycar gefahren sind“, sagt Marietta.

Die Schule an der Sandstraße an der katholischen Kirche St. Peter aus der Vogelperspektive.
Die Schule an der Sandstraße an der katholischen Kirche St. Peter aus der Vogelperspektive. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Aber es gibt auch gute Gründe, das alles ohne Wehmut zurücklassen zu können: Die Schule wird umgebaut, bekommt zwei neue Gebäude. Der Garten wird entweder dem Schulhof zugeschlagen oder in einen Schulgarten umfunktioniert.

Und Dieter Stradmanns geliebte Feuerwehr, die sich noch auf dem Schulgelände befindet, zieht in einen Neubau auf dem ehemaligen Gelände der Rhein-Ruhr-Halle. „Das alles macht es uns leicht zu gehen“, sagt er.

>> Nachfolge für Marietta Stradmann steht noch nicht fest

  • „Die Stelle des Schulhausmeisters wird Ende August ausgeschrieben“, weiß Dieter Stradmann. Seiner Meinung nach viel zu spät: „Eigentlich hätte der Nachfolger oder die Nachfolgerin einen bis zwei Monate mit meiner Frau mitlaufen müssen. Das Schulgebäude ist alt, da ist vieles anders.“
  • Andererseits gibt das den Stradmanns Luft bei Umzug: Ein Schulhausmeister zieht traditionell erst nach der Probezeit in die Dienstwohnung ein. Für die muss man übrigens ganz normal Miete zahlen.