Duisburg. Zwangsräumung: Innerhalb von vier Stunden muss ein Duisburger Paar mit vier Tieren sein Zuhause verlassen. Es folgt berührende Hilfsbereitschaft.
„Der Tag war für mich die Hölle auf Erden.“ Sarah Quabeck ist auf der Arbeit, als ihr Freund Karim Burian anruft: „Schatz, komm schnell nach Hause. Wir müssen in vier Stunden aus unserer Wohnung raus.“ Mehr Zeit konnte die Taskforce Problemimmobilien den Mietern eines Hauses an der Veilchenstraße in Neumühl nicht geben. Sie hatte den Altbau an dem Morgen unter die Lupe genommen und schnell festgestellt: unbewohnbar! Lebensgefahr!
Duisburger Paar erlebt am Tag der Räumung eine Welle der Hilfsbereitschaft
Dem Paar ist sofort klar: „Wir können nur das Nötigste zusammenzupacken.“ Also sperren die beiden ihre vier Lieblinge, die Hunde Schoki und Tobi und die Katzen Puma und Luna in einen Raum und legen los. Gleichzeitig schlägt Quabecks Stiefmutter in verschiedenen WhatsApp-Gruppen Alarm: „Meine Tochter braucht Hilfe. Wer kann mit anpacken?“ Karim Burians Mutter ist auch sofort zur Stelle, um mit anzupacken.
Die Welle der Hilfsbereitschaft hat Quabeck umgehauen: „Teilweise waren wir mit 15 Leuten in der Wohnung.“ Das hat natürlich auch für Komplikationen gesorgt, denn die Helfer kennen sich in der Wohnung nicht aus und wissen nicht, was wichtig ist. „Es ist aber alles erstaunlich gut gelaufen. Papiere, Klamotten, Hygieneartikel. Alles, was wir brauchen, haben wir rausgeschafft“, berichtet der 22-jährige Burian.
Die beiden sind mit ihren Tieren in Röttgersbach untergekommen
Das Paar hat samt der vier Tiere Unterschlupf bei Quabecks Schwester gefunden. Damit hatte es großes Glück, denn die Tiere hätte es nicht mit in eine Notunterkunft der Stadt nehmen können. „Ohne meine Tiere gehe ich nirgends hin“, sagt Quabeck. Die Aktion habe sie schon genug gestresst, vor allem die Stubentiger. Die mussten ziemlich viel Zeit in ihren Transportboxen verbringen.
Auch interessant
Dass es mit ihrem Zuhause kein gutes Ende nimmt, war Quabeck und Burian schon länger bewusst. Zu groß der Ärger mit dem Vermieter, der wenige Tage vor der Hausräumung sogar die Wohnungstür und zwei Fenster ausgebaut und seine Mieter ihrem Schicksal überlassen hatte (wir berichteten). Der Anwalt des Paares hat den Mietvertrag gegenüber dem Vermieter inzwischen für nichtig erklärt. Damit fallen Kündigungsfristen weg.
„Meine Chefin hat zum Glück Verständnis dafür, dass wir es gerade nicht leicht haben“
Jetzt kommen die beiden und ihre Vierbeiner in der Röttgersbacher Wohnung erst einmal zur Ruhe. Natürlich entstünden durch die gesamte Situation Konflikte, erzählt Quabeck. Da fällt schnell mal ein nicht ganz so nettes Wort, das man bald wieder bereut. „Aber wir sind eine Familie und halten zusammen. Das stehen wir gemeinsam durch.“
Dabei hilft es, dass die Schwester immer mal wieder für ein paar Tage zu ihrem Freund geht. Als Paar achten Quabeck und Burian darauf, trotz der stressigen Phase miteinander auch schöne Momente zu erleben. „Wir gehen zum Beispiel abends gemeinsam weg.“ Kraft gibt Quabeck auch der Job, den sie erst vor Kurzem angetreten hat. „Meine Chefin hat zum Glück Verständnis dafür, dass wir es gerade nicht leicht haben.“
Das Paar hat schnell eine neue Wohnung gefunden – Vermieter zeigt sich großzügig
Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels: Die beiden haben schon eine neue Wohnung gefunden. „Die war dem Jobcenter aber 18 Euro zu teuer“, berichtet Burian. Auf diese Nachricht reagiert der Vermieter mit einer Geste, die man so nicht erwartet: „Er hat die Miete um die 18 Euro gesenkt.“
Die frisch renovierte Wohnung hatte noch nicht so viele Interessenten, das war das große Glück. Wenn sie ihre letzten Habseligkeiten aus der alten Wohnung holen wollen, müssen Quabeck und Burian drei Tage vorher das Ordnungsamt anrufen. Denn das Haus an der Veilchenstraße ist versiegelt und darf nur in Begleitung betreten werden. Viele Möbel werden sie nicht aus der Wohnung holen. „Einige sind verschimmelt, weil es dort so feucht ist“, so Quabeck.
Aber auch an diesem Punkt große Hilfsbereitschaft. Nach Medienberichten über die Hausräumung haben sich wildfremde Menschen gemeldet und Kleidung, Haushaltsgeräte und Möbel angeboten. Auch das gibt dem Paar das gute Gefühl, nicht allein dazustehen.
- Die WAZ-Lokalredaktion Duisburg hält Sie auch hier auf dem Laufenden: zum WhatsApp-Kanal +++ Duisburg-Newsletter gratis ins E-Mail-Postfach schicken lassen +++ WAZ Duisburg bei Instagram +++ WAZ Duisburg bei Facebook
Jeder kann sich vorstellen, wie groß die psychische Belastung ist, wenn man Knall auf Fall sein Zuhause verliert. Kommentare bei Facebook und Co. haben für zusätzlichen Puls gesorgt. Die Wut ist Quabeck auch mehr als eine Woche später noch anzumerken: „Uns wurde Versicherungsbetrug unterstellt, Mieter seien doch selbst schuld an sowas, wir wären ekelig. Die Menschlichkeit bleibt da auf der Strecke.“
Die 31-Jährige hat diese Kommentare bei Facebook gemeldet: „Die haben schnell reagiert und die Kommentare gelöscht.“ Außerdem ist sie bei Facebook live gegangen: „Ich wollte erzählen, was wirklich passiert ist. Warum urteilen die Leute über uns? Stecken die in unserer Haut?“ Seitdem thematisiert sie auf Social Media nicht mehr, was passiert ist.
Inzwischen ist Ruhe eingetreten. „Seit wir aus der Wohnung raus sind, kann ich endlich wieder problemlos einschlafen“, erzählt der 22-Jährige. Er ist zurzeit arbeitslos und schreibt eifrig Bewerbungen. Das ist in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen. Und natürlich plant er schon den Umzug: „Wir hoffen, dass wir schon nächste Woche in die neue Wohnung ziehen können.“