Duisburg. Mit seiner raffinierten Küche hat er sich einen Michelin-Stern erkocht, jetzt übernimmt er in Duisburg: Was ein Spitzenkoch am Innenhafen plant.
Es leuchtet ein neuer Gastro-Stern am Duisburger Innenhafen. Der ehemalige Sternekoch Christian Krüger führt ab sofort die „Faktorei“ weiter. Stefan Cammann bleibt dem Innenhafen treu, will sich aber künftig auf seine Rolle bei seiner Firma „Mise en Place Gastro Solutions“ konzentrieren. „Auch wenn es mir schwerfällt, es wird Zeit, mein Baby in neue Hände zu geben. Das operative Geschäft führt künftig Christian Krüger“, verkündete Stefan Cammann deshalb unlängst. Ganz neu sind die Hände freilich nicht. Cammann und Krüger kennen sich schon eine Weile. Der Spitzenkoch hat zuvor kulinarische Coachings im Auftrag von „Mis en Place“ gegeben. Auch für die „Faktorei“ hat er schon einige neue Ideen entwickelt.
„Wir waren eine der ersten hier am Innenhafen, dabei habe ich den Standort eher durch Zufall entdeckt“, blickt Cammann zurück, wie 2001 alles begann. Der gelernte Fleischer und Koch arbeitete für einen Industrieküchen-Hersteller, hatte einen beruflichen Termin in Duisburg und lernte so den Innenhafen kennen. In einem Schaufenster hing ein „Zu vermieten“-Schild. „Insgeheim ist das wahrscheinlich der Traum eines jeden Kochs, eine eigene Gastro zu eröffnen.“ Dabei haben die wenigsten verstanden, warum man einen sicheren Job in der Industrie aufgibt. „Und dann auch noch in Duisburg.“ Als die „Faktorei“ nach Jahren erfolgreich lief, wollten es alle anderen natürlich schon immer gewusst haben …
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„Faktorei“ gibt‘s seit 23 Jahren am Duisburger Innenhafen
Zu Beginn hatte das Restaurant sieben Tage die Woche geöffnet und man konnte dort sogar frühstücken. Als nach und nach andere Lokale eröffneten, ebenfalls Frühstück anboten und sich bei den Preisen unterboten, wurde das Konzept geändert. Aufgetischt wurde fortan à la carte.
Doch der heute 54-Jährige wollte nicht mehr rund um die Uhr in der Küche stehen und tüftelte an einem System, wie man mit einem überschaubaren Personalaufwand gleich bleibend wohlschmeckende Gerichte zaubern konnte. Fritteusen, Grills und andere Geräte, die klassischerweise in eine Gastro-Küche gehören, verbannte er und entwickelte stattdessen eine sogenannte Prozess-Küche. „Anfangs hat man mich für verrückt erklärt, wenn ich andere Gastronomen eingeladen habe und ihnen mein Konzept vorgestellt habe.“ Aus kollegialen Freundschaftsdiensten entwickelte sich sein Consulting-Standbein. Der Grundstein für „Mise en Place“ war gelegt.
Knusprige Pommes gibt’s gleichwohl in der „Faktorei.“ Die Fritten werden nur in einem überdimensionalen „Airfryer“ zubereitet und später mit Öl verfeinert. „Das hat den Vorteil, dass man aussuchen kann, welches Öl man dafür verwendet und es ist garantiert immer frisch.“ Mittlerweile ist Cammann in ganz Deutschland, aber auch in Österreich oder in den Niederlanden unterwegs, um andere Restaurants mit sogenannten Prozess-Küchen auszustatten.
Neben der neuen Technik arbeiten er und seine Mitarbeiter allerdings auch an der Küchenphilosophie der Teams. „Wenn einem Jahre lang gesagt wird, dass man ein Risotto linksrum rühren soll und dann kommt jemand, der sagt, das geht auch andersherum, dann muss man Überzeugungsarbeit leisten“, weiß auch Krüger.
Es sollen auch weiterhin Burger auf der Karte stehen
Gleiches gelte auch für Bratkartoffeln, die nicht nur in einer runden gusseisernen Pfanne Röstaromen bekommen. Als Vertreter einer Küche ohne Abfälle, verwendet er ebenso die übrig gebliebenen Schalen oder Gemüseabschnitte, um daraus Soßenansätze zu machen oder andere Zutaten zu aromatisieren. „Wenn man sich anschaut, wie in der Spitzengastronomie jemand eine Möhre tourniert und die Reste alle weggeschmissen werden, dann ist das eine Verschwendung von Ressourcen.“ Der Hightech-Dampfgarer in der Prozess-Küche verbrauchen zudem viel weniger Wasser als in einen Topf passen, erklärt er.
Momentan finden sich vor allem Steaks und Burger auf der „Faktorei“-Karte. Auch das war eher Zufall. Als Cammann mal für ein Showkochen gebucht war und Burger zubereiten sollte, blieben einige Zutaten übrig. Also offerierte er als Tagesgericht Burger – und die waren blitzschnell ausverkauft. Er änderte 2014 erneut die Karte, räumte die weißen Tischdecken in den Keller und setzte fortan auf einen locker-modernen Stil.
Daran soll sich auch künftig nichts ändern. „Wir werden erst einmal weiter Burger auf der Karte haben“, betont Krüger. Dennoch will er den Gästen auch andere kulinarische Highlights bieten. So gibt’s beispielsweise schon jetzt einen Apfelcrumble mit einer Kugel Bienenwachs-Eis. Auch beim Sous-vide-Garen verwendet er Bienenwachstücher statt Plastik.
Krüger sieht in der Technik vor allem einen Zeitgewinn. Zeit, die ihm bleibt, um beispielsweise Pflaumen vom Baum zu pflücken, um diese in Salzpflaumen zu verwandeln. Oder Gemüse zu fermentieren. Zu Hause hat er einen riesigen Keller zum Experimentieren. Im Restaurant, wo jetzt noch Bilder von Kühen die Wände zieren, soll denn auch schon bald ein Fermentationsregal stehen.
Christian Krüger hat für die Bundeswehr gekocht und hatte Jahre lang einen Stern
Der 45-Jährige hat in den vergangenen Jahren in der Gastronomie Karriere gemacht. Seine Ausbildung absolvierte er im Gräflichen Parkhotel Bad Driburg. Später ging er zur Bundeswehr. Zunächst bekochte er die Truppe, dann auch den Verteidigungsminister und begleitete ihn zu Einsätzen ins Ausland. „Peter Struck war ziemlich bodenständig. Nur Süßes mochte er nicht so gerne“, erinnert er sich. Parallel war er Mitglied der Koch-Nationalmannschaft und nahm erfolgreich an zahlreichen Wettbewerben teil.
Nach seiner Zeit bei der Armee ging es für ihn weiter auf Wanderschaft. Er arbeitete in renommierten Häusern, bis er 2013 in Mannheim aus einem Traditionslokal ein Gourmetrestaurant machte. Bereits im ersten Jahr kochte er in der „Axt“ einen Stern und behielt diesen über Jahre. Anschließend lockte eine neue Herausforderung in Düsseldorf. Er sollte ein Restaurant mit der Aussicht auf einen zweiten Stern über den Dächern der Landeshauptstadt aufbauen. Doch die Pläne zerschlugen sich. Stattdessen lernte Krüger Stefan Cammann kennen und heuerte bei „Mise en Place“ an.
„Ach. In erster Linie möchte ich, dass der Gast eine gute Zeit hat und es ihm bei uns schmeckt.““
Inzwischen lebt Krüger auf einem Bio-Hof am Niederrhein und hat dort mit seiner Frau den „Regiotable“ ins Leben gerufen. Genießer, die sich bis dato noch nicht kennen, speisen gemeinsam an einer Tafel und tauschen sich dabei über Kulinarisches aus. Gekocht wird regional und nach Saison-Kalender. Das Format soll sich bald auch in Duisburg etablieren.
Mit seinem Team will er am Innenhafen moderne Bistro-Küche anbieten. Ob ihn noch einmal ein Stern reizt? „Ach. In erster Linie möchte ich, dass der Gast eine gute Zeit hat und es ihm bei uns schmeckt.“ Immerhin: Duisburg ist seit der Auszeichnung des „Mod“ und der Erwähnung von „Frau Specht“ keine unbekannte Stadt in „Guide Michelin“-Kreisen.
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Bisher kommen etwa 50 Prozent der „Faktorei“-Besucher aus Duisburg, die andere Hälfte von außerhalb. Stefan Cammann ist überzeugt: „Duisburg hat Potenzial.“ Der Innenhafen sei nach wie vor ein guter Standort, „bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück.“ Seine „Mise en Place“-Besucher seien jedenfalls regelmäßig von Duisburg überrascht und begeistert.
Geöffnet ist das Restaurant am Philosophenweg 21 dienstags bis samstags von 18 bis 23 Uhr – Küche bis 22 Uhr. Reservierung sinnvoll.