Duisburg. Den anhaltenden Mangel an Pflegekräften bekämpfen die Kliniken mit Personal aus dem Ausland. So finden sie ihren Weg nach Duisburg.

Der 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflege. Das Evangelische Klinikum Niederrhein (EVKLN) hat am Samstag mit einer Feier im Fahrner Krankenhaus seine Fachkräfte aus aller Welt in den Fokus gerückt. Mit gutem Grund: Längst füllen sie die Lücken, die in den Krankenhäusern durch die Ausbildung heimischer Fachkräfte nicht mehr zu schließen sind. So ist die Lage an den Duisburger Kliniken.

Klinik-Qualität und bezahlte Ausbildung sind Argumente für Deutschland

Sie heißen Mohamed und Rihab, Ahmet, Ibtissem und Ines. Tunis, Hammamed, Kasserine – ihre Heimatorte kennen viele Duisburger aus dem Tunesien-Urlaub. Zwischen 25 und 31 Jahre alt sind sie, studierte Pflegefachkräfte und sprechen nach einigen Monaten in Duisburg bereits erstaunlich gut Deutsch. Das gilt auch für Ibtissem und Ahmed, die erst vor Tagen gelandet sind.

Heike Lütfring hat in zwölf Jahren als Pflegedirektorin des Ev. Klinikums Niederrhein Erfahrungen mit Pflegenden aus vielen Ländern gesammelt.
Heike Lütfring hat in zwölf Jahren als Pflegedirektorin des Ev. Klinikums Niederrhein Erfahrungen mit Pflegenden aus vielen Ländern gesammelt. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Mit Sprachkursen haben sie sich in Tunesien vorbereitet, vermittelt wurden sie entweder von einer Agentur, oder haben, wie Rihab, Dutzende von Bewerbungen geschrieben. „Das EVKLN war unter den ersten Rückmeldungen, deshalb bin ich hier“, berichtet die anästhesietechnische Assistentin, die jetzt im Fahrner Krankenhaus eingesetzt ist.

„Deutschland hat ein hoch entwickeltes Gesundheitswesen, wir wollen hier Erfahrung sammeln, auch ein neues Land kennenlernen“, sagen sie alle. Und ja, auch die wirtschaftliche Perspektive sei besser. „Das Gehalt in Tunesien liegt bei 500 Euro, Privatkliniken zahlen noch weniger“, erklärt Mohamed, „viele suchen jahrelang eine Stelle.“ In Frankreich könnte für sie ohne Sprachbarriere vieles leichter sein. „Aber dort muss man zwei Jahre lang unbezahlt lernen. Die meisten können sich das nicht leisten.“

Wie ist ihr Plan für die Zukunft? „Schnell die Anerkennung schaffen und dann hier bleiben. Mir gefällt‘s hier gut“, sagen die, die schon länger in Duisburg sind. Ines hat Prüfungen und Arbeitsvertrag nach 18 Monaten schon in der Tasche. Sie hat als einzige Familie. „Ich hoffe, dass mein Mann und mein Sohn nun bald nachkommen können“, sagt die 32-Jährige, „die Anträge laufen“.

Mohamed (r.) ist seit zwei Monaten in Duisburg, Ahmed erst seit wenigen Tagen. Deutsch haben sie bereits in Tunesien gelernt, nun wollen die beiden studierten Krankenpfleger ihre Ausbildung möglichst schnell in Deutschland anerkennen lassen.
Mohamed (r.) ist seit zwei Monaten in Duisburg, Ahmed erst seit wenigen Tagen. Deutsch haben sie bereits in Tunesien gelernt, nun wollen die beiden studierten Krankenpfleger ihre Ausbildung möglichst schnell in Deutschland anerkennen lassen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Ev. Klinikum Niederrhein: Bald zehn Prozent der Pflegenden aus dem Ausland

Etwa 1500 Pflegende beschäftigt der Klinikverbund, zu dem das Fahrner Krankenhaus und das Herzzentrum gehören, das Bethesda, das Ev. Krankenhaus Dinslaken sowie das Johanniter Oberhausen. Gut 120 junge Frauen und Männer kommen aus anderen Ländern und Kontinenten. Das entspricht der Zahl der Stellen, die das EVLKN pro Jahr neu besetzen muss. „Wir arbeiten mit Agenturen zusammen, aber auch die Mund-zu-Mund-Werbung funktioniert immer besser“, berichtet Pflegedirektorin Heike Lütfring.

Chinesinnen waren vor zehn Jahren die ersten, mittlerweile verstärken Pflegende aus Sri Lanka, der Türkei, Marokko, dem Iran und Tunesien die Teams. „Die Chinesinnen haben längst Familien gegründet, auch den Türken fällt die Integration leicht“, berichtet Lütfring. Die Sprache sei „ein Riesenthema“, sagt sie, „durch die Mischung der Teams verhindern wir Ghettobildung.“

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Fehlende Ausbildungsinhalte vermittelt die eigene Pflegeschule, sie nimmt auch die „Kenntnisprüfung“ für die Berufsanerkennung ab. Für Intensivschulungen gibt es längst auch spezialisierte Pflegeinternate. Der Ausbildungsstand sei manchmal abhängig von der Qualität der Klinik im Herkunftsland, in der Regel aber gut, sagt Heike Lüfring. In vielen Ländern studieren Pflegekräfte, sie kommen mit Bachelor- und Master-Abschlüssen ihrer Unis.

Ein großer Engpass bleibt die Bürokratie, besonders die Duisburger Ausländerbehörde, beklagt die Pflegedirektorin. „Es ist besser geworden, aber mein Eindruck bleibt: Sie machen es sich selbst schwer.“ Warum, fragt sie, werde die Dauer von Aufenthaltsgenehmigungen nicht an die Dauer der Ausbildung angepasst, um mehrfache Wartezeiten zu vermeiden.

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Helios Kliniken Duisburg und Rhein-Ruhr: Balkan-Staaten hoch im Kurs

Der Helios-Konzern setzt in seinen Duisburger Häusern St. Johannes (Hamborn), Marien (Hochfeld), St. Anna (Huckingen) und am Klinikum Homberg „verstärkt auch auf die Internationalisierung der Pflegeteams“, teilt Sprecherin Mara Kny mit. „Seit 2022 werden gezielt examinierte Pflegekräfte aus verschiedenen Ländern angeworben und beschäftigt – vorrangig aus Ländern mit vergleichbaren Ausbildungsstandards.“

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Vor allem die Balkanstaaten seien Herkunftsländer. „Wir versuchen aber auch jungen Menschen aus aller Welt, die sich an uns wenden, eine Perspektive zu geben.“ Der Kontakt komme häufig über Mund-zu-Mund-Werbung von bereits hier tätigen Fachkräften zustande. Bei der Rekrutierung und Integration müsse Helios sich deshalb nicht der Unterstützung durch Agenturen bedienen, so Kny.

Helios profitiere von einem umfangreichen internen und externen Netzwerk, über das vor allem die Integrationsbeauftragte Azra Piljug verfügt. „Bei Ihrer beruflichen und sozialen Integration erhalten ausländische Fachkräfte umfassende Unterstützung, dazu gehört eine kollegiale Betreuung – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kliniken – Sprachkurse, Hilfe bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen, bei Behördengängen und Wohnungssuche“, so die Klinik-Sprecherin.

Die bisherigen Erfahrungen seien beiderseits „sehr positiv“, betont Mara Kny, „das spiegelt die Zusammenarbeit im Team. Alle Fachkräfte sind langfristig im Unternehmen geblieben.“

Sana Kliniken Duisburg: Pflegekräfte aus Asien, dem Kosovo und Serbien

Aus dem Kosovo und Serbien, aber auch aus Südkorea, den Philippinen und Sri Lanka stammen Pflegekräfte, die in den Sana Kliniken Duisburg Patienten versorgen. Im Oktober kommen junge Menschen aus Indien hinzu, die ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft in der hauseigenen Schule absolvieren.

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„Wir arbeiten seit vier Jahren mit mehreren Dienstleistern zusammen, die potenzielle Mitarbeitende aus dem Ausland ansprechen“, berichtet eine Sana-Sprecherin. Wer möchte, kommt zum Start im eigenen Wohnheim direkt am Klinikum unter, auf Wunsch unterstützt der Arbeitgeber sie bei der Suche nach einer eigenen Wohnung, außerdem bei Behördengängen und Fragen des täglichen Lebens.

Aktuell arbeiten 33 Fachkräfte am Kalkweg, die aus dem Ausland gezielt angeworben wurden. Viel mehr sind in der Belegschaft, die internationale Wurzeln haben. Ohne sie wäre der Klinkbetrieb kaum aufrechtzuerhalten.

Am Johanniter-Krankenhaus in Rheinhausen verstärken seit einigen Monaten fünf Pflegekräfte aus China die Teams auf den Stationen.
Am Johanniter-Krankenhaus in Rheinhausen verstärken seit einigen Monaten fünf Pflegekräfte aus China die Teams auf den Stationen. © Johanniter | Sandra Kalkmann

Johanniter in Rheinhausen: Verstärkung aus China

Fünf Pflegefachfrauen aus China gehören seit Januar fest zum Team der Rheinhauser Klinik. Ohne Familie auf einem anderen Kontinent, neue Sprache, andere Schrift: Trotz vierjähriger Ausbildung führt der Weg für die Chinesinnen zunächst über Sprachkurse zur deutschen Berufsanerkennung. Das organisierte vor dreieinhalb Jahren bei Jialin und Rui eine Agentur in Norddeutschland, Xiao-Qiao, Xiaolei und Huidi sind seit einem Jahr in Deutschland und bereiten sich neben der Arbeit in der Klinik auf die Prüfungen vor. Die Johanniter bieten eine Wohnung im eigenen Appartmenthaus.

Im Vergleich zu China sei die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte in Deutschland geringer, berichten sie. „Das Patientenkontingent auf Chinas Krankenstationen beginnt ab 100 Patienten und der Druck durch die große Zahl und die Verantwortung sind dort viel höher. Allerdings: Grund- und Körperpflege der Patienten leisten in China nicht die Pflegenden, sondern die Angehörigen.

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