Duisburg. Seit gut einem Jahr gibt es die Pflegekammer NRW – und viel Widerstand dagegen. Wie es für Pfleger nun weitergehen könnte.
Die Pflegekammer NRW, vor gut einem Jahr eingerichtet, um die Interessen der Pflegenden zu vertreten, stößt weiterhin auf den Widerstand vieler Beschäftigter in den Duisburger Kliniken. Sie wehren sich gegen die erforderliche Registrierung und fordern eine Urabstimmung über die Kammer. Ihr Hauptargument: Die Interessenvertretung sei per Zwang eingeführt worden und von einer großen Mehrheit gar nicht gewollt.
Duisburger Pflegekräfte: Kein Zwang, Sanktionen oder Bestrafung
Mit 13 weiteren examinierten Pflegekräften steht Tatjana Morig am Dienstagmorgen vor dem Homberger Krankenhaus. Auf ihrem Plakat ein „Nein“ mit drei Ausrufezeichen: Zur Mitgliedschaft in der Kammer wollen sie sich nicht zwingen lassen. Gut 50 Pflegende in der Klinik haben auf einer Liste unterschrieben. „Lassen sie jede Pflegekraft selbst entscheiden – alles ohne Zwang, Sanktionen und Bestrafung“, fordern sie.
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Die Empörung ist groß über die Aufforderung, sich zu registrieren, die von der Kammer nun erneut verschickt wurden. „Gegen die ersten Schreiben habe ich Widerspruch eingelegt und noch nicht einmal eine Reaktion bekommen“, berichtet Morig, „ich schreibe denen jetzt nur noch per Einschreiben und Rückschein“. Und ja, es gebe andere, die sich registrierten: „Aber viele machen es aus Angst vor Bußgeldern und Berufsverbot, mit dem man uns bedroht.“
Nicht gegen eine Pflegekammer, aber für freiwillige Mitgliedschaft
„Wir sind ja gar nicht grundsätzlich gegen eine Pflegekammer, aber gegen den Zwang. Freiwillig würde ich mitmachen“, betont Gabriele Kobisch. Nach gut 45 Jahren im Job ist sie im vergangenen Jahr in Rente gegangen und soll sich dennoch für die Pflegekammer registrieren. „Was soll ich da noch?“, fragt sie. „Ich brauche weder teure Broschüren noch Weiterbildung, und wenn, kann ich das freiwillig machen.“
„Bei Entscheidungen über das Gesundheitswesen sitzen Kliniken, Ärzte und Pharma-Industrie am Tisch, aber nicht die Pflege“, lautet das Argument von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der die Einrichtung der Kammer vehement unterstützt und die Beitragsfreiheit für die rund 208.000 Pflegenden in NRW bis 2027 aus Steuermitteln finanziert.
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Nur ein zusätzliches Verwaltungsorgan ohne Entscheidungskompetenz
Doch damit sei die Unabhängigkeit der Kammer dahin, außerdem fehle es ihr an Kompetenz. Die Verhandlung über Löhne und Gehälter sei Sache der Gewerkschaften, für alles Weitere gebe es bereits Betriebsräte und Berufsverbände, findet Tatjana Morig: „Das ist nur ein zusätzliches Verwaltungsorgan, das nur berät, aber nichts entscheiden kann.“ An der Wahl zur Kammerversammlung hat sie sich Anfang 2023 wie viele andere gar nicht erst beteiligt.
Die Beteiligung der Skeptiker hätte vielleicht zu einer Urabstimmung für die Existenz der Kammer geführt, wie sie die Gewerkschaft Verdi plante. „Mit diesem Versprechen sind wir mit einer eigenen Liste bei der Wahl angetreten, aber wir haben dafür keine Mehrheit in der Kammerversammlung bekommen“, bedauert der für Duisburg zuständige Verdi-Sekretär Frowin Jaspers.
Gewerkschaft Verdi: Viele Anrufe und Beschwerden
Dabei, sagt Jaspers, sei das Argument des Ministers zwar weder falsch noch schlecht: „Aber bei der aktuellen Klinikreform in NRW sitzt die Pflegekammer auch nicht mit am Verhandlungstisch.“ Das registrierten auch die Beschäftigten. „Wir bekommen viele Anrufe von unseren Mitgliedern und Beschwerden über die Zwangsregistrierung.“
Abzuwarten bleibe, ob die Mitgliedschaft in der Kammer nun tatsächlich auch gegen breiten Widerstand von Pflegenden mit Drohungen und Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werde, sagt der Gewerkschafter. Die Alternative: Eine Urabstimmung über den Bestand der Kammer – sie führte in Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit deutlichen Mehrheiten zur Abschaffung.
Homberger Pflegende: Den Protest in alle Duisburger Kliniken tragen
Dass nicht, wie zur Gründung der Kammer, nur ein kleiner Teil der Beschäftigten, sondern alle befragt werden, ist auch die Hoffnung von Tanja Morig. Eine Mehrheit der Pflegenden im Homberger Krankenhaus ist dafür nicht ausreichend. Deshalb sagt sie: „Wir müssen den Protest auch in die anderen Kliniken tragen und uns organisieren.“