Duisburg-Ruhrort. Ob Rettungsring oder Putzlappen – von Duisburg-Ruhrort aus beliefert die Wittig GmbH Berufsschiffer in Europa. Ein spannender Besuch vor Ort.
Das sieht man der grauen Halle mitten im Duisburger Hafen von außen nicht an. Hier lagert die Wittig GmbH beinahe alles, was Binnenschiffer spontan brauchen könnten. Insgesamt stapeln sich in den Hochregalen 20.000 Artikel von 3000 verschiedenen Lieferanten. Keine Frage, das ist ein Baumarkt für Berufsschiffer.
Die Produktpalette ist riesig: von der messingfarbenen Schiffsglocke über ellenlange Laufstege aus Aluminium, Akkuschrauber und Putzlappen in großen Säcken, Arbeitsschuhe und Lacke in allen erdenklichen RAL-Tönen, Festmacherleinen und Automatik-Schwimmwesten bis hin zum schlichten Toilettenpapier. Sogar zwei Matratzen und ein Tischfußballspiel warten in der 3500 Quadratmeter großen Halle darauf, von einem Binnenschiffer gekauft zu werden. Denn die arbeiten nicht nur auf dem Schiff. Sie wohnen auch darauf. Oder sie schippern Urlauber auf ihrem Flusskreuzer von Rotterdam bis Rumänien.
Hinter Aufwand steckt ein Versprechen: Ware verlässt binnen einer Stunde das Lager
Warum der ganze Aufwand, der eine große logistische Herausforderung darstellt und obendrein ordentlich Kapital bindet? Dahinter steckt ein Versprechen. „Von der Bestellung bis zum Ausgang aus unserem Lager vergeht nicht mehr als eine Stunde“, sagt Frank Wittig, der gemeinsam mit seinem Bruder Ralf Wittig das 125 Jahre alte Familienunternehmen in vierter Generation führt.
Auch interessant
Jeden Tag fahren Transporter der Firma nach Rotterdam, Amsterdam oder Köln. Ausgestattet mit Tablets, damit die Fahrer über die App „Marine Traffic“ immer sehen können, wo der Kunde gerade steckt. „Wir liefern auch per Helikopter. Das ist nur eine Frage des Geldes“, sagt Wittig – und zwar an jedem Tag und zu jeder Uhrzeit. Denn Binnenschiffer haben keine Zeit. „Wenn wir es nicht rechtzeitig nach Köln schaffen, müssen wir im Zweifel bis Mannheim, wo das Schiff das nächste Mal festmacht. Oder wir verpassen das Zeitfenster für die Reparatur während eines Landausflugs bei der Flusskreuzfahrt“, erklärt der 55-Jährige vor 20 Besuchern, die den Schiffsausrüster näher kennenlernen wollen.
Unternehmen öffnen im Vorfeld des Hafenfestes ihre Pforten für Besucher
Die Betriebsführung geht auf eine Initiative von Duisburg Kontor und Firmen zurück. Das städtische Unternehmen veranstaltet zum ersten Mal das traditionelle Hafenfest, das von Freitag bis Montag in Ruhrort stattfindet. Und hat im Rahmen einer vorgelagerten Hafenwoche Besuche in fünf Unternehmen organisiert, um die Bindung zum Hafen zu stärken. „Die Nachfrage ist groß. Die kostenlosen Führungen waren sofort ausgebucht“, sagt Alexander Klomparend, Sprecher von Hafen Kontor. Deswegen soll das Angebot im nächsten Jahr ausgeweitet werden.
Wittig nutzt die Gelegenheit, die neue hochmoderne Firmenzentrale vorzustellen. Der gut vernetzte Geschäftsmann wollte unbedingt ans Wasser. Und hat das geschafft. Von seinem Schreibtisch aus kann er den Binnenschiffen im Duisburger Hafen beim Rangieren zuschauen.
Neue Firmenzentrale in Rekordzeit gebaut – dann folgt eine schwierige Phase
Das schicke Gebäude in Ruhrort ist in Rekordzeit entstanden: Bauantrag im März 2017, Einzug im April 2018. „Wir hatten Glück. Es hat alles gepasst“, sagt Wittig stolz. Und das alles in einer wirtschaftlich überaus schwierigen Phase für das Unternehmen, das Malermeister Wilhelm Wittig 1898 in Duisburg ursprünglich als Geschäft für Lacke und Farben gründete.
„Wir haben einen wichtigen Kunden verloren, nachdem ein neuer Investor andere Vorstellungen besaß“, so Wittig. Der Gewinn brach ein, besonders stark im Jahr 2018. Zahlen verrät der Geschäftsmann nicht. Nur so viel: Anschließend ging der Umsatz mit der Fahrgastschifffahrt wegen Corona für eine Phase von 21 Monaten noch weiter zurück. Denn das Geschäft kam zum Erliegen. Allein in Köln parkten rund 80 der insgesamt 400 Flusskreuzschiffe Europas monatelang ungenutzt.
[Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo I Hbf + Duisburg-Newsletter gratis abonnieren]
Für einen der größten Ausrüster dieser Branche ist das ein schwerer Schlag ins Kontor. Zum Glück haben die Brüder Wittig schon früh angefangen, ihr Geschäft breiter aufzustellen. Zur Wittig-Gruppe gehören heute elf Unternehmen. „Die Firmen besitzen unterschiedliche Kulturen und nur eine heißt Wittig. Aber die Abläufe sind überall die gleichen“, sagt der Geschäftsführer. Zur Gruppe zählen zum Beispiel die Dienstleistungs- und Schiffsausrüstung GmbH in Berlin oder die niederländische Tochter ScheGro BV in Zwinjdrecht bei Dordrecht.
Firmengruppe Wittig zählt 200 Mitarbeiter in elf verschiedenen Unternehmen
2005 übernahm Wittig die Duisburger Firma Meuthen. Der Großhändler beliefert etwa Thyssenkrupp oder die Stadtwerke mit Berufs- und Schutzkleidung. Bei diesem Geschäft kriegt Wittig zu spüren, in welchem Ausmaß die Welt zurzeit aufrüstet. „Es ist schwieriger, an notwendige Materialien zu kommen. Die werden für Uniformen gebraucht“, so Wittig.
Ebenfalls zur Gruppe, die mittlerweile 200 Mitarbeiter zählt, gehört die Duisburger Behrendt Personal Service GmbH. Die Zeitarbeitsfirma vermittelt vor allem Fachkräfte wie Elektriker oder Schweißer, etwa an den Kraftwerksbetreiber Steag. Recht neu im Portfolio: Die VA Coating GmbH, die eine Beschichtung vertreibt. Diese härtet binnen 15 Minuten aus und lässt sich gut zur Abdichtung in Klärwerken oder Biogastanks einsetzen.
Im Umgang mit sensiblen Werkstoffen besitzt die Firma Wittig lange Erfahrung. Gründer Wilhelm Wittig darf früh eine Farbe mit besonderen Anforderungen mischen, weil sie hochgiftig ist: das „Schweinfurter Grün“. Dieser Farbton ziert bis heute das Logo des Duisburger Unternehmens und steht auch als Lack im Lager am Duisburger Hafen – allerdings als ungiftige Variante und gut geschützt hinter einer feuerfesten Tür.