Düsseldorf. Die Kardinal-Frings-Brücke zwischen Düsseldorf und Neuss ist für schwere Fahrzeuge gesperrt. Darunter leiden besonders Landwirte. Was sie fordern.
Sie liefern in der Regel „direkt ab Feld“ per Trecker-Gespann mit zwei randvollen Anhängern. Ihr Ziel sind die insgesamt acht Mühlen-Unternehmen im Hafen Neuss Düsseldorf: Doch die direkte Verbindung über die Josef-Kardinal-Frings-Brücke zwischen Düsseldorf und Neuss ist mittlerweile für schwere Fahrzeuge gesperrt, weil alt und marode. Darunter leiden vor allem Bauern mit ihren Ernte-Transporten.
Gibt ja noch andere Brücken in der Stadt? „Die Fleher- und die Flughafenbrücke sind für landwirtschaftliche Fahrzeuge Tabu, weil Autobahn“, sagt Peter Herzogenrath, Geschäftsführer der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach. Die Rheinkniebrücke sei wie die Oberkasseler Brücke „keine zumutbare Alternative“, meint er: Trecker-Gespanne müssten durch Heerdt und Oberkassel oder rechtsrheinisch durch die Innenstadt, um den Rhein zu queren: „Das ist eine Zumutung für die Landwirte - und die anderen Verkehrsteilnehmer“, sagt Herzogenrath. Die Theodor-Heuss-Brücke ist wie die Südbrücke für den Schwerverkehr nicht mehr befahrbar, weil ebenso kaputt. Und im Rheinufertunnel, ausgewiesen als „Kraftfahrstraße“, sind Trecker wie auf Autobahnen verboten, was die Anbindung an den Hafen für landwirtschaftliche Fahrzeuge ebenfalls erschwert.
Neubau für Josef-Kardinal-Frings-Brücke wird noch viele Jahre dauern
Die Südbrücke, die seit 2006 den Namen des früheren Kölner Erzbischofs Josef Kardinal Frings trägt, hat eine Schlüsselrolle für den Anschluss des Hafens. Die Brücke stammt aus dem Jahr 1951; einige Teile gar von 1926. Äußerlich ist die in Teilen genietete Trägerkonstruktion stark verrostet; doch das eigentliche Problem liegt im Inneren, unter Fahrbahnen und Straßenbahnschienen der Linie 709.
Die Brücke ist deshalb noch eingeschränkt zu nutzen. Das wird sich nicht mehr bessern. Sie wird derzeit repariert, damit sie überhaupt noch hält. Ein Neubau ist dringend nötig. Wann der kommt? Völlig offen.
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„Wir sind erst am Beginn erster Überlegungen“, sagt eine Sprecherin der inzwischen zuständigen bundeseigenen Baugesellschaft Deges auf Nachfrage, die sich mit dem Neubau beschäftigen - neben der noch älteren und desolaten Krefeld-Uerdinger Rheinbrücke, wie die Sprecherin erklärt. Die Städte Düsseldorf und Neuss hatten die Südbrücke zum 1. Januar 2024 dem Landesbetrieb Straßen.NRW übertragen, gegen insgesamt 9,4 Millionen Euro „Abstandszahlung“. Beobachter meinen: „Wäre die Brücke in städtischer Hand geblieben, würde es mit einem Neubau schneller gehen.“
„Hier ist ein wichtiger Logistik-Standort nur noch über Umwege erreichbar“
„Das Thema Südbrücke nehme ich mit bis zu meiner Rente“, sagt Robert Lamers. Der 52-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter der Fortin Mühlenwerke im Hafen, eins von acht Mühlen-Unternehmen am Standort links und rechts des Rheins. Er beklagt: „Hier ist ein wichtiger Logistik-Standort nur noch über Umwege erreichbar!“
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Etwa 25 Kilometer ist der Umweg für Lastzüge aus dem Linksrheinischen, wenn sie über die Fleher Brücke den Hafen ansteuern, sagt Lamers. Auf direktem Weg über die Südbrücke sind es vom einen zum anderen Hafenteil vielleicht fünf Kilometer, schätzt er. Durch die „Ablastung“ auf 30 Tonnen Gesamtgewicht sei auch der Lkw-Werksverkehr zwischen den Hafen-Teilen eingeschränkt: „Container dürfen nur leer über die Brücke gefahren werden.“
Etwa 4500 Lastwagen querten die Kardinal-Frings-Brücke täglich
45.000 Fahrzeuge nutzen täglich die Südbrücke. Zehn Prozent davon sind Lastwagen, sagt ein Sprecher vom Landesbetrieb Straßen.NRW. Trecker-Gespanne machen den geringsten Teil aus, zumal sie vermehrt nur in der Ernte-Saison unterwegs sind. Peter Herzogenrath schätzt „maximal 4000 Fahrten unter Volllast im Jahr, was durchschnittlich höchstens 10 Fahrten pro Tag entspräche.“ Von den linksrheinischen Landwirten, die in den Düsseldorfer Teil des Hafens wollen.
Landwirte betteln förmlich, „wir wollen weiter über die Südbrücke fahren dürfen.“ Aber: der zuständige Landesbetrieb Straßen.NRW lehnt jede Ausnahme ab, beklagt Peter Herzogenrath. Er schätzt, dass aus dem Linksrheinischen etwa 100 landwirtschaftliche Betriebe von der Brücken-Sperrung für Ernte-Transporte betroffen sind. Seine Kritik: „Straßen.NRW macht es sich mit der Ablastung für alle zu einfach.“
Landesbetrieb Straßen.NRW lehnt Sondergenehmigung für Landwirte ab
Auch die Kreisbauernschaft Mettmann, die an die 500 Betriebe vertritt, beklagt die Lage. „Vom Düsseldorfer Süden bis in den Norden muss alles über die Südbrücke - eigentlich“, sagt Geschäftsführer Marcel Terhardt. Er kommt auf fünf bis sechs landwirtschaftliche Fahrten pro Tag, aufs Jahr hochgerechnet - aus dem Rechtsrheinischen, mit Ziel Neusser Seite des Hafens.
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Die Düsseldorfer „Brückenfamilie“
Sieben Brücken queren in der Landeshauptstadt den Rhein, sechs davon für den Straßenverkehr. Mit Fleher- und Flughafenbrücke gibt es zwei Autobahn-Brücken, Kardinal-Frings- und Theodor-Heuss-Brücken sind als Bundesstraßen ausgewiesen, Knie- und Oberkasseler Brücke sind Landes- bzw. städtische Straßen, alle gepaart mit Rad- und Fußwegen und in den Mehrzahl in weniger gutem Zustand. Die Fleher Brücke, Baujahr 1979, soll abgerissen werden, wie auch Kardinal-Frings- (1951) und Theodor-Heuss-Brücke (1957), der damals größten Schrägseilbrücke der Welt. Für ingenieurtechnische Rekorde stand auch die Rheinkniebrücke, die 1969 „mit dem damals größten Freivorbau der Welt errichtet worden war“, wie die Stadt Düsseldorf in einer Übersicht zur „Düsseldorfer Brückenfamilie“ hervorhebt. Auch die Oberkasseler Brücke schrieb Technik-Geschichte, weil sie, 1976 errichtet, komplett mit ihren 12.500 Tonnen Gewicht an ihren Standort zwischen Luegallee und Tonhalle verschoben wurde, um die alte Nachkriegs-Behelfsbrücke zu ersetzen. Die Hammer Eisenbahnbrücke geht auf das Jahr 1870 zurück und wurde 1987 als Fachwerkbrücke mit mächtigem Stahlbogen-Konstrukt erneuert. (dae)
Aus dem Düsseldorfer Umland hat man Straßen.NRW Angebote gemacht, sagt Terhardt: „Wir sind bereit, das Tempo der Transporte auf der Brücke auf 25 Km/h zu senken“, sagt er. Um die Brücke zu schonen. Auch einen Mindestabstand von 100 Metern zwischen den Transporten, wenn sie sich in der Erntezeit häufen, habe man vorgeschlagen. Die Antwort von Straßen.NRW: „Eine Sondergenehmigung wird nicht erteilt.“ Die Brücke gebe diese Belastung einfach nicht mehr her. Weil die Fahrbahnen außen verlaufen, am schwächsten Teil des Bauwerks. Straßenbahnen - die leer an die 35 Tonne wiegen - seien dagegen kein Problem, sagt der Sprecher: „Die Schienen liegen in der Mitte der Brücke.“
Ausweg aus der Brücken-Misere: Mehr Lagerflächen für Getreide?
„Wir werden das Thema Ausnahmen weiterhin ansprechen“, sagt Robert Lamers, der auch Vorsitzender des Hafenvereins ist, der 30 Betriebe vertritt. Landwirt Stefan Deußen, der einen Ackerbaubetrieb in Meerbusch-Strümp führt, hofft auf die Betriebe im Hafen. Mehr Lagerfläche wäre hilfreich. Landwirte selbst hätten zumeist nicht den Lagerraum, um bei sich Weizen, Gerste, Raps oder Mais in Lkws umzuladen, die ja immerhin die Autobahnbrücken nutzen dürfen, sagt Deußen: „Oder man muss das beim Landhandel teuer anmieten“, meint er.
Manches schwebt bislang höchstens als Idee in einigen Köpfen: Rangierplätze auf beiden Seiten in Brückennähe etwa, damit Landwirte dort rangieren können, um die Brücke nur mit einem Hänger je Trecker zu überqueren, was vom Gewicht dann passen würde. Auch von einem Schiffs-Shuttle ist die Rede, das dann die Mühlen in den beiden Hafen-Teilen vom Wasser aus beliefern würde. So hat etwa der Nutztierfutterhersteller deuka, ist zu hören, Mühlen auf beiden Rheinseiten, könne aber seine Produktpalette nicht in links- und rechtsrheinisch aufteilen, sodass Landwirte sich die Fahrt über den Rhein sparen würden. Bei deuka selbst äußert man sich zur Situation nicht.
Ein Schiffs-Shuttle zwischen Düsseldorf und Neuss ist zu teuer
Beim Schiffs-Shuttle winkt der Hafenbetreiber Neuss Düsseldorfer Häfen indes ab, erklärt ein Sprecher: Ein Versuch während der Corona-Zeit mit einem eigens dazu abgestellten Schiff samt Mannschaft, habe sich als zu teuer erwiesen: „Das Projekt wurde wieder eingestellt“, sagt der Sprecher. Aber zwei Mühlen-Unternehmen hätten inzwischen ihre Lagerkapazität „deutlich erhöht“ - wohl vor allem, um drohenden Lieferengpässen durch niedrigen Rhein-Stand und Einschränkung für den Schiffsverkehr im Sommer zu begegnen.
Für landwirtschaftliche Transporte hat die Fahrt in den Neuss-Düsseldorfer Hafen bis zum kommenden Frühjahr erstmal weitgehend Pause. Dann geht der Ärger mit den Umwegen von Neuem los. Viele Wege führen über den Rhein, nur leider nicht mehr der direkte.
++++ NACHTRAG ++++ AKTUALISIERUNG 11. Oktober 2024: Die Einschränkungen auf der Südbrücke sind wegen weiterer jetzt entdeckter erheblicher Mängel verschärft worden. Ab dürfen nur noch Fahrzeuge bis höchstens 7,5 Tonnen Gewicht die Brücke überfahren. Zudem wurde das zulässige Tempo von 50 auf 30 Stundenkilometer auf der Südbrücke gesenkt. Mehr Informationen lesen Sie hier: Keine Lkw mehr auf der Südbrücke: Firmen beklagen „Katastrophe“
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