Düsseldorf. Ist mein altes Buch wirklich eine Rarität und wie viel ist es wert? Antworten darauf gibt es bei der Büchersprechstunde an der Uni Düsseldorf.
Als Birgit Mühlenbeck damit begann, das Haus ihrer Mutter auszuräumen, ahnte sie noch nicht, was ihr dabei alles in die Hände fallen sollte. Doch was sie beim Ausmisten des Bücherregals fand, war erstaunlich. Eine alte Bibel, geschützt durch einen edlen Ledereinband, der allem Anschein nach schon einige Jahrzente hinter sich hat. „Das ist auf jeden Fall nicht mehr der originale Einband. Diese Bibel wurde schonmal neu eingebunden“, stellt Restauratorin Anika Ringelkamp nach wenigen Minuten der Begutachtung fest.
Etwa alle drei Monate laden sie und Bibliothekar Marcus Vaillant Finder von alten Schätzen der Literatur zur Büchersprechstunde in die Bibliothek der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein. Um den Besitzern deren Wert und deren Geschichte zu erklären. Woran die Restauratorin so schnell den erneuerten Einband erkennt? „Das ist ein Ledereinband mit Marmorpapier. Das hat man allerdings erst im 19. Jahrhundert gemacht. Diese Bibel ist aber nochmal älter.“
Korrekturbibel aus dem Jahr 1534
Und zwar deutlich älter. Auf der ersten Seite lässt es sich sogar noch erkennen: Diese Bibel ist aus dem Jahr 1571 und damit schon mehr als 450 Jahre alt. „Es handelt sich um eine neuere Auflage der Dietenberger-Bibel, also um eine der sogenannten Korrekturbibeln“, erklärt der Bibleothekar Vaillant. Die erste vollständige Übersetzung vom sächsisch gebürtigen Martin Luther stammt aus dem Jahr 1534. „Johann Dietenberger hat diese Fassung dann ins Oberdeutsche übersetzt und niedergeschrieben.“
Verziert wird die religiöse Textsammlung von detailverliebten Illustrationen und großen Überschriften. Das Buch ist groß, dick und wiegt mehrere Kilogramm – nicht gerade handlich. Doch trotz des Alters lässt es sich problemlos lesen. Auf den holzhaltigen Seiten hebt sich die tiefschwarze Farbe der Buchstaben auch nach 450 Jahren noch deutlich vom inzwischen etwas vergilbten Papier ab. Nur am Ende fehlen einige Seiten. „Die haben aber auch schon gefehlt, als das Buch neu eingebunden wurde“, analysiert Ringelkamp.
Eine Geschichte ohne Worte
Hier und da zeigen sich weitere Spuren des alten Buchbinderhandwerks auf. „Der Rand der Seiten ist schonmal überklebt worden, weil er wahrscheinlich davor zu abgenutzt war“, vermutet sie. Löcher wurden einfach mit anderen Papierschnipseln geflickt. Eher unfachmännisch? „Nein, in der damaligen Zeit war das so üblich“, erklärt die Restauratorin.
Die alte Dietenberger-Bibel sei ein Familienerbstück, erklärt Birgit Mühlenbeck. Bei ihrer Mutter stand es deshalb schon seit vielen Jahren im Regal – und kommt inzwischen auf einen stolzen Wert. „In einem sehr guten Zustand wird dieses Buch für etwa 1700 Euro gehandelt“, erklärt Vaillant. Die zahlreichen Narben und Gebrauchtspuren würden den Wert allerdings stark senken. „Ich würde ihn auf rund 300 Euro schätzen“, rät der Bibleothekar der Dormagenerin, das Erbstück zu behalten.
Birgit Mühlenbeck will die Tradition fortführen und die Bibel in der Familie halten. „Wer sie vor meiner Mutter alles in seinem Besitz hatte, weiß ich leider nicht“, erzählt die Dormagenerin, die sogar noch mehr Bücher zur Sprechstunde mitgenommen hat.
Alte Bücher: Vorsicht vor giftiger Farbe
Das nächste Exemplar ist wesentlich kleiner, die Größe erinnert an ein Taschenbuch, aber es ist deutlich dicker. „Dieses Buch hat noch den Originaleinband, allerdings hatte es früher noch Schließen. Die sind scheinbar abgemacht worden, wodurch das Buch jetzt immer leicht geöffnet ist“, merkt Ringelkamp an. Auch dieses Buch ist schon mehr als 400 Jahre alt. Es ist das Werk „Meditaciones de los Mysterios de Nuestra Sancta Fe“ (übersetzt: „Betrachtungen über die vorzüglichsten Geheimnisse des Glaubens“) des spanischen Jesuiten Luis de la Puente aus dem Jahr 1605.
Nächste Büchersprechstunde im Dezember
Wer auch ein altes Buch im Familienbesitz hat und mehr über dessen Geschichte, den Wert oder die Restaurierungsmöglichkeiten erfahren möchte, kann die nächste Büchersprechstunde an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf besuchen.
Die Experten aus der Bibliothek beraten dabei kostenlos. Für eine bessere Vorbereitung wird um eine vorzeitige Anmeldung gebeten. Die nächste Büchersprechstunde ist am 11. Dezember von 15 bis 17 Uhr. Weitere Informationen gibt es online unter: www.ulb.hhu.de/buechersprechstunde.
Doch der türkisgrüne Einband, der inzwischen schon dunkel angelaufen ist, bringt die Restauratorin ins Grübeln. „Die Farbe deutet darauf hin, dass Arsen enthalten sein könnte.“ Ein toxischer Stoff, der früher häufig für grüne Farbe genutzt wurde. Staub, der auf solchen Büchern liegt, sollte man möglichst nicht einatmen. Hat man eins in den Händen gehalten, empfiehlt Ringelkamp, sie danach wieder gründlich zu waschen. „Und auf keinen Fall beim Umblättern die Finger ablecken.“ Trotzdem käme das Werk noch auf einen Wert von rund 200 Euro, schätzt Vaillant.
Ein Atlas für mehr als 100.000 Euro?
Bei ihrer Büchersprechstunde konnten er und Restauratorin Ringelkamp schon die eine oder andere Rarität untersuchen. „Alte Bibeln, die innerhalb der Familie immer weitergegeben wurden, sind da sogar recht oft dabei“, erzählt der Bibliothekar. Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihm aber ein originaler Blaeu-Atlas. Er enthält dutzende handkolorierte Karten und zählt zu den wichtigsten Atlanten des 17. Jahrhunderts. Wer so einen Zuhause hat, kann sich glücklich schätzen: Im guten Zustand kann er mehrere hunderttausend Euro wert sein.