Düsseldorf. Ein Gespräch mit dem Düsseldorfer Schauspieler, Autor und Regisseur René Heinersdorff über die Zukunft des Boulevard-Theaters.
Am kommenden Freitag feiert ein neues Stück von René Heinersdorff Premiere im Theater an der Kö. Titel: „Helga hilft“ mit Claudia Rieschel in der Hauptrolle. Wenn auch der Autor, Hausherr und fünffache Theaterdirektor selbst Regie führt, so wird er dieses Mal nicht auf der Bühne erscheinen.
Herr Heinersdorff, mal wieder ein Stück aus der Feder des Theaterdirektors selbst: „Helga hilft“. Wie kamen Sie auf den Titel?
René Heinersdorff: Den Titel habe ich erfunden, bevor ich sah, dass es Portale gibt, die unter diesem Namen psychologische Hilfe anbieten. Ich habe ganz schlicht einen Alliteration zu dem Verb „helfen“ gesucht. Da bietet sich Helga an. Außerdem habe ich eine Nenntante, die dem Charakter der Figur aus meinen Stück in etwa entspricht.
Was für ein Charakter ist das?
Wir alle haben so jemanden in unseren Familien. Helga ist eine entfernte Tante, die in ihrem ständigen Bemühen, anderen zu helfen und sie auf den rechten Weg zu bringen, Katastrophen anrichtet. Eine Frau, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Und auch Claudia Rieschel kenne ich sehr lange und sie hat amüsante Anteile dieses Charakters.
Sie führen auch Regie in dem Stück, inwiefern kann ein Autor der bessere Regisseur sein?
Das hängt sehr von der Einstellung des Autors zu seinem Werk ab. Ich gehe gerne ohne Denkverbote, fast respektlos mit Texten um, auch mit meinen eigenen. Wenn ich das Gefühl habe, man kann verbessern, weil der Schauspieler zum Beispiel etwas ganz anderes anbietet, als ich mir dachte, bestehe ich nicht auf das geschriebene Wort. Autoren, die sich heilig finden, sollten nicht Regie führen.
Es gab Zeiten, in denen Sie als Schauspieler in Ihren eigenen Stücken auch eine zentrale Rolle übernommen haben. Das ist jetzt anders. Warum?
Ich habe aber auch eine Reihe von Stücken geschrieben, in denen gar keine Rolle für mich drin war. „Zärtliche Machos“ mit Jürgen von der Lippe oder „Endstation irgendwo“ mit Jenny Jürgens etwa. Meistens habe ich Rollen für mich reingeschrieben, weil die Weggefährten, die das bei uns spielen sollten, wollten, dass ich dabei bin.
Sie wollen in Zukunft seltener in Theaterstücken auftreten. Warum?
Ich spiele momentan noch zwischen 250 und 300 Vorstellungen pro Jahr in ganz Deutschland, das ist ohnehin viel, aber mit fünf zu verantwortenden Theatern viel zu viel. Ich kann kaum Abendveranstaltungen besuchen oder ins Theater gehen. Das will ich mehr und vielleicht nur noch auf 50 bis 100 Vorstellungen kommen. Das reicht ja auch.
OB Keller hat mich so oft zu schönen Abenden eingeladen, aber ich konnte nie hin, der muss denken, ich will nicht.
Viele Ihrer Kollegen klagen über eine Krise. Sie haben kürzlich (neben Düsseldorf, Köln, Essen und München) noch ein weiteres Theater in Neuwied übernommen. Wie kam’s?
Das war eine Entscheidung von Stadt und Land, die früh erkannt haben, dass die Einbindung einer Landesbühne in ein Netzwerk Vorteile für alle bringt, gerade in knapper werdenden Mitteln. Denn die Krise kommt ja erst noch, wenn die Corona-Schonfrist vorbei ist.
Neuwied ist nicht unbedingt als Theateradresse bekannt, oder?
Neuwied ist ein sehr traditionsreiches Haus. Die Neuwieder lieben ihr Theater, und die Landesbühne hat seit jeher den Auftrag, im ganzen Land zu spielen. Es ist die einzige Landesbühne in Rheinland Pfalz. NRW zum Beispiel hat vier. Der Auftrag also führt zu einer Strahlkraft dieses schönen Schlosstheaters. Ich empfehle jedem auf der Durchreise etwa einen Besuch.
Wie schätzen Sie – auch als Sprecher des Bundesverbandes der Privattheater – die Lage des Boulevard heute ein?
Die Lage ist schwierig, viele private Bühnen haben zu wenige Mittel, um spektakulär zu werben, oder opulent zu produzieren. Die Zuschauer sind noch nicht in der gewohnten Anzahl zurück, die Gemengelage aus deutschen Sorgen und der Erkenntnis während Corona, es sei ja nicht unbedingt nötig, macht es nicht leichter. Wenn dann noch unlautere hochsubventionierte Schnäppchenangebote öffentlich getragener Häuser, die uns schon vor Corona das Leben schwer gemacht haben, dazukommen und vom Subventionsgeber stillschweigend geduldet werden, dann haben die privat getragenen Theater wenig Spielraum.
Wie schauen Sie in die Zukunft?
Grundsätzlich positiv. Ich glaube in einer immer digitaleren Welt an die analoge Kraft des Theaters und die Entwicklung des Boulevards. Aber über die Zukunft entscheiden letztlich die Zuschauer und ob ihnen das gefällt, was wir machen.
Wird es das Theater an der Kö auch noch in zehn oder 20 Jahren geben?
Ich hoffe nach dem unverantwortlichen Verlust der Komödie, dass es in Düsseldorf weiterhin zumindest ein Kabarett und ein Boulevardtheater geben wird. Das macht letztlich eine Großstadt aus. Ob ich das dann noch mache, bezweifle ich.
Info:
Beim alljährlich stattfindenden Osterfest der Familie Wethmeyer hat sich in diesem Jahr Tante Helga angesagt, die bekannt dafür ist, dass sie stets an das Gute im Menschen glaubt, das man nur aufdecken muss. Und in ihrem Willen, allen zu helfen, ruft sie ein Chaos hervor, das ohne sie nie entstanden wäre. Das ist die Story des neuen Heinersdorff-Stücks „Helga hilft“, das am kommenden Freitag, 2. Dezember, um 20 Uhr Premiere feiert. Auf der Bühne zu sehen sind Claudia Rieschel, Moritz Lindbergh, Walter Gontermann, Tina Seydel und Carolin Klütsch. Das Stück läuft bis 15. Januar. Infos und Karten unter theateranderkoe.de.