Düsseldorf. Ein Interview mit den Spitzen der Düsseldorferr Grünen, Mirja Cordes und Paula Elsholz, sowie mit CDU-Chef Thomas Jarzombek.

Im Stadtrat beginnt ein neues Kapitel: Die Mitglieder von CDU und Grünen entscheiden am Montag darüber, ob erstmals ein schwarz-grünes Bündnis zustande kommt. Der CDU-Kreisvorsitzende und die Düsseldorfer Doppelspitze der Grünen äußern sich vorab im Interview per Videokonferenz zu ihren gemeinsamen Plänen.

Wann haben Sie sich das letzte Mal persönlich getroffen?

Mirja Cordes: Ich glaube, noch vor den Herbstferien.

Thomas Jarzombek: Das war bei den ersten beiden Sondierungsrunden. Seitdem haben wir in Videokonferenzen verhandelt.

Was hat das verändert?

Paula Elsholz: Es ist persönlich immer einfacher, aber es war gut zu erleben, wie vertrauensvoll  sich digital zusammenarbeiten lässt.

Jarzombek: Teilweise hatte man das Gefühl, dass die Familien mitverhandelt haben, weil es manchmal bis in die Nacht ging. Und die Anzahl der Teilnehmer war größer als bei persönlichen Treffen. Das war gut für die Qualität. Insgesamt stimmte die Chemie.

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf das Programm?

Jarzombek: Natürlich wirkt sie sich stark auf die Finanzen aus. Die Pandemie hat aber auch einzelne Themenbereiche beeinflusst. Der Wunsch nach mehr Homeoffice hat sich in den Plänen zur Digitalisierung niedergeschlagen. Außerdem wollen wir die Stadt zum Beispiel in eine aktive Rolle versetzen, wenn es um den zu erwartenden höheren Leerstand im Handel geht.

Was heißt das konkret?

Jarzombek: Wenn tatsächlich Einzelhandel verschwindet, müssen wir Lösungen erarbeiten für leerstehende Räume. Das kann zum Beispiel mehr Co-Working sein, Gastronomie oder auch neue Wohnangebote.

Elsholz: Natürlich wollen wir unseren Einzelhandel schützen und stärken, aber die Innenstädte sind in einer massiven Veränderung begriffen. Zur Frage, wie es weitergehen soll, wollen wir die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen. Wir können uns vorstellen, dazu einen Bürgerrat einzusetzen.

Das ist neu für Düsseldorf.

Elsholz: Ja. Bürger werden nach  soziodemographisch repräsentativen Kriterien  eingeladen, um einen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden. Sie treffen sich mit Experten und entwickeln gemeinsam Empfehlungen. Diese Ergebnisse werden dann von der Politik verarbeitet.

Ist es nicht gefährlich, wenn man in einer solchen Vereinbarung etwas offen lässt?

Cordes: Andere kritisieren, wir hätten zu viel festgelegt. Niemand weiß, wie sich die Auswirkungen der Pandemie in den nächsten fünf Jahren entwickeln.

Jarzombek: Bei den Verhandlungen gab es reife Vorhaben und solche, wo noch konzeptionell gearbeitet werden muss. Hier können wir nicht jetzt schon jedes Detail festschreiben. Wir haben stattdessen Ziele und einen Prozess definiert.

Was wollen Sie tun, damit Düsseldorf gut durch die Krise kommt?

Elsholz: Wir wollen uns nicht gesundsparen. Wir wollen Zukunftsinvestitionen trotz Corona-Krise angehen, etwa in Klimaschutz und Bildung. Das unterstützt auch das lokale Handwerk.

Jarzombek: Bei den Wirtschaftshilfen setzen wir im Bund die Programme auf. Wir als Stadt investieren in Infrastruktur, etwa in den Glasfaserausbau. Und wir sichern die niedrige Gewerbesteuer von Joachim Erwin. Das sind Dinge, die helfen werden.

Der Leitbegriff Ihres Programms ist „zukunftsfest“. Das klingt, als wollten Sie eine Bastion errichten. Ist Düsseldorfs Zukunft bedroht?

Jarzombek: Wenn man sich anschaut, wie manche Firmen, die über Jahrzehnte wie eine Bastion wirkten, in den letzten Jahren gebröckelt sind, dann sieht man, dass in dieser Welt nichts statisch ist. Der Begriff ist gut, weil er zwei Dinge verbindet. Einerseits das Thema Zukunft, also Fortschritt und Innovation, und „fest“, das heißt Sicherheit. Wir müssen uns bewegen, um unseren Standard und Wohlstand zu erhalten.

Elsholz: Es bedeutet vielleicht noch mehr. „Zukunftsfest“ heißt, dass Veränderungen stattfinden und wir uns ebenfalls verändern müssen, um ihnen zu begegnen. Wir gehen die gesellschaftlichen Aufgaben, die vor uns liegen, also beispielsweise den Klimaschutz und die Mobilitätswende, mit einem großen Wurf an. Wenn wir in den nächsten Jahren die richtigen Schritte gehen, haben wir in zehn oder 20 Jahren gute Lebensbedingungen, mit sauberer Luft und ohne Hitzeinseln mit 45 Grad im Sommer.

Klimaschutz und Mobilitätswende sind klassisch grüne Themen. Herr Jarzombek, wie grün ist die Düsseldorfer CDU geworden?

Jarzombek: Nachhaltigkeit ist bei uns schon immer ein Thema, es nahm auch im Wahlprogramm einen großen Platz ein. Wir haben darüber hinaus auch zu Sicherheit, Wirtschaft und Digitalisierung starke gemeinsame Positionen mit den Grünen gefunden.

Noch vor vier Jahren hat die CDU auf einem Parteitag die Haltung vertreten, dass Radwege möglichst über Nebenstraßen verlaufen sollen. Davon ist keine Rede mehr.

Jarzombek: Das stimmt. Als wir unser Programm für die jüngste Wahl beschlossen haben, gab es aber über diesen Punkt eine intensive Diskussion. Es hat sich sehr klar eine Mehrheit dafür herausgebildet, dass wir keine Politik mehr machen wollen, in der Radfahrer generell auf Nebenstraßen verbannt werden.

Wie viel ist den Autofahrern für eine Mobilitätswende zuzumuten?

Jarzombek: Für die Autofahrer ist es eine gute Botschaft, dass wir die Umweltspuren ersetzen. Wichtig für uns ist insgesamt Pragmatismus. Wir werden es an vielen Stellen zum Beispiel schaffen, Radwege zu bauen, ohne dafür eine Autospur zu opfern. Man muss nicht immer alles in einen Konflikt bringen. Das ist unsere Philosophie.

Cordes: Nichtsdestotrotz ist es schon eine Frage von Pull- und Push-Faktoren, um eine klimafreundliche Mobilitätswende einzuleiten. Natürlich brauchen wir gute Angebote für Pendler. Man muss aber auch über solche Sachen reden wie Parkraummanagement oder eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raums. Da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun.

Eine konkrete Zielvorgabe für den Radverkehr gibt es im Bündnisvertrag nicht. Im grünen Wahlprogramm war noch die Rede davon, dass das Radhauptnetz mit seinen rund 300 Kilometern bis 2025 ausgebaut werden soll.

Cordes: Das ist richtig. Das liegt daran, dass die Beschlusslage zum Radhauptnetz unklar ist. Wir wollen das Thema Radwegebau aber auch insgesamt anders angehen. Ein paar Kilometer Radweg auf einer Straße am Stadtrand bringt uns am Ende nicht viel. Wir haben uns Ziele gesetzt, die schnell spürbare Verbesserungen bringen werden. Wir wollen stärker in durchgehenden Routen denken. Die schönste Radspur nutzt nichts, wenn sie in einer gefährlichen Kreuzung endet.

Manche sagen, es würden Leuchtturmprojekte für die Stadtplanung fehlen. Sehen Sie das auch so?

Cordes: Ich frage mich, womit man mehr für die Lebensqualität der Düsseldorferinnen und Düsseldorfer tut: Mit noch einem Prestigeprojekt, das im Alltag kaum eine Rolle spielt, oder damit, dass man die Aufenthaltsqualität  im Quartier erhöht oder  den Arbeitsweg verbessert. Dazu zählt auch die Umgestaltung des Vorplatzes des Hauptbahnhofs. Wir wollen zum Beispiel mit neuen Fahrradparkplätzen das Pendeln vereinfachen und ihn endlich optisch aufwerten. Wenn das geschafft ist, wäre das auch ein Leuchtturmprojekt.

Jarzombek: Ich habe die Zeit von Oberbürgermeister Joachim Erwin erlebt, ich war 1999 sein Wahlkampfleiter. Die großen Projekte seiner Zeit standen auch nicht im Koalitionsvertrag. Die Eigenschaft von Erwin war, dass er allen zugehört hat, die mit ihm reden wollten. Und wenn ihn etwas überzeugt hat, dann hat er sich das zu eigen gemacht. Diese Eigenschaft sehe ich bei Stephan Keller jetzt wieder. Auf Teufel komm raus in einem Vertrag irgendwelche Projekte festzulegen, halte ich nicht für seriös.

Ein neues Opernhaus wäre aber doch schön.

Elsholz: Wenn die Pläne die nötige Reife erreicht haben, werden wir darüber sprechen. Es wird aber weder der Oberbürgermeister noch die Politik alleine entscheiden. Wir werden mit Experten und Bürgern einen Prozess der Beteiligung auf den Weg bringen.

Jarzombek: Wir haben die Augen-zu-und-durch-Politik von Geisel kritisiert. Das wird sich verändern. Am Montag müssen die Mitglieder der Parteien zustimmen, auch die Parteitage werden digital ausgerichtet.

Treffen Sie sich wenigstens zur Vertragsunterzeichnung persönlich?

Elsholz: Die Pandemielage ist sehr ernst, wir müssen sehen, ob ein sehr kurzer Termin mit viel Abstand im Raum möglich ist.

Jarzombek: Oder wir stellen einen Tapeziertisch auf den Markplatz? Das werden wir noch absprechen.