Wie hoch werden Händler entschädigt, die unter den Bauarbeiten für die Wehrhahnlinie leiden? Die Stadt bleibt schwammig. Und die Kaufleute sind misstrauisch.
Auf Andreas Hermel dürfte viel Arbeit zukommen. Denn der Mann im Amt für Verkehrsmanagement, der sich noch im Urlaub erholt, ist die erste Adresse für jeden, den die Bauarbeiten zur Wehrhahnlinie wirtschaftlich an die Wand drücken: Er ist der städtische Ansprechpartner für Entschädigungen. Denn die gibt's. Wenn auch noch mit einem Nebelschleier überzogen, durch den nicht alle Details dringen.
Erste Gastronomen haben schon Umsatzeinbußen beklagt, und besonders Händler, die an der Kasernenstraße nur noch über regelrechte Landungsbrücken oder Irrgärten erreichbar sind, stöhnen über Verluste. Von 30, teilweise gar 50 Prozent ist der Rede (die berichtete). Am Wehrhahn, verrät Haus und Grund, habe auch der erste private Anwohner seine Miete gekürzt.
Eine Mitarbeiterin des Rechtsamtes versprach bei einer Informationsveranstaltung der Industrie- und Handelskammer im November: Besonders Geschäftsleuten mit berechtigten Ansprüchen will die Stadt schneller helfen als üblich. Das indes besagt zunächst nicht viel. Denn „üblich” heißt nach den Buchstaben des Gesetzes: nach Abschluss der Bauarbeiten. In diesem Fall also 2014.
„Das können wir natürlich keinem zumuten, das halten manche so lange ja gar nicht aus”, räumt Andrea Blome ein, Chefin im Amt für Verkehrsmanagement. Selbst ein ganzes Jahr, versichert sie, müsse niemand warten. „Viele Händler machen ja alle drei Monate ihre Umsatzsteuervoranmeldung, dann haben sie ja Vergleichszahlen.”
Denn ums Vergleichen geht es, und wer über Umsatzeinbrüche stöhnt, muss das anhand seiner Bilanzen schwarz auf weiß nachweisen. Wer Geld will, muss ein zweiseitiges Formular ausfüllen, das die Stadt zum Herunterladen im Internet anbietet. Gerüchte, wonach nur Ladenbesitzer, nicht aber Mieter von Läden berechtigt sind, Entschädigung zu verlangen, weist Blome zurück. „Mit Ladenbesitzer meinen wir ja nicht im rechtlichen Sinne den Besitzer der Immobilie, sondern den, der den Laden führt.”
Wieviel Geld es gibt? Nichts genaues weiß man. Oder sagt man. „Es gibt individuelle Opfergrenzen, die berücksichtigt werden”, lässt Blome sich entlocken. Heißt: Pocht eine große Immobiliengesellschaft auf Ersatz wegen Mietminderung, wird sie prozentual schlechter gestellt als jemand, der ausschließlich von einer einzigen Immobilie lebt. „Da”, so Blome, „geht es ja um Existenzgefährdung.” Händlern werde ihr Gewinnausfall ersetzt, beharrt sie auf Nachfrage.
Die sind nämlich skeptisch. Friedrich Wippich, der mit seinem Jeansladen an der Kasernenstraße derzeit am meisten unter den Arbeiten zu leiden hat, formuliert es drastisch: „Als ich mir die Bedingungen durchgelesen habe, habe ich gesagt, die wollen mich verarschen. Da gibt's eh' kein Geld.”
Was den Kaufmann aufbringt, ist ein Passus im Merkblatt, das dem „Antrag auf Gewährung einer Entschädigung” beigefügt ist. Darin heißt es unter anderem: „Die Rechtsprechung erkennt z.B. einen enteignungsgleichen Eingriff erst dann als gegeben an, wenn er eine ,fühlbare Beeinträchtigung' verursacht und stellt heraus, dass z.B. ein Gewerbeanlieger es entschädigungslos dulden muss, wenn vorübergehende Verkehrsbeschränkungen dazu führen, dass der Umsatz für Wochen oder Monate zurückgeht und zeitweise überhaupt kein Gewinn erzielt wird.” „Das”, winkt Wippich ab, „lässt doch alles offen.”
Hilflos lässt ihn und seine Leidensgenossen ein weiterer Abschnitt im Papier zurück: „Der Antragsteller muss sich den Ausgleich der wirtschaftlichen Vorteile anrechnen lassen, die der Bau der Stadtbahn künftig erwarten lässt.” Da muss der Händler schmunzeln: „Was soll ich damit anfangen? Ich kann für mich nur sagen, die U-Bahn bringt mir nur Nachteile, denn dann fahren die Leute nicht mehr an meinem Schaufenster vorbei.”
„Kommt auf der Grundlage des Bescheides eine Einigung nicht zustande, kann der Betroffene ein zu diesem Zweck eingerichtetes Gutachtergremium anrufen”, ist dem Merkblatt abschließend zu entnehmen. Wie schnell das tagt und entscheidet, ist freilich völlig offen. Kommt es gar zum Rechtsstreit, können leicht Jahre vergehen.
Wer Häuser und Geschäfte an der dreieinhalb Kilometer langen Strecke zusammenzählt, kann sich nicht vorstellen, dass das Kapitel Schadenersatz schnell erledigt sein wird. Vieles wird geprüft, um manches wird gestritten. „Da kommt viel auf uns zu”, seufzt Andrea Blome, „es wird ja auch Eigentümer geben, die ihre Büros ewig nicht vermietet haben und versuchen, das auf die Baumaßnahme zu schieben.”
Auf jeden Fall wird's komplizierter als an der Kölner Straße, die ebenfalls jahrelang unter der U-Bahnbuddelei ächzte. Heinrich Traupe, Vorsitzender der Werbegemeinschaft „Erlebnis Einkauf Oberbilk” erinnert sich „an keinen Fall, wo jemand gesagt hat, er habe zu wenig Geld von der Stadt bekommen.” Allerdings hätten wohl auch nur wenige überhaupt einen Antrag gestellt. „Da muss man ja einiges offenlegen”, lächelt Traupe, „und da wollte mancher sich wohl nicht in die Karten gucken lassen.”