Essen/Düsseldorf. “Wir hatten ja schon Kunst, aber einige Wände waren noch frei“: Die Witwe des Aldi-Erben Berthold Albrecht erzählt vom Geschäft mit dem Kunstberater.
Sie gilt als drittreichste Frau Deutschlands, aber ein abgehobenes, elitäres Denken ist Babette Albrecht nicht anzumerken. Die 54 Jahre alte Witwe des verstorbenen Essener Aldi-Erben Berthold Albrecht erntet sogar manchen Lacher, wenn sie als Zeugin im Achenbach-Prozess Fragen von Richter Johannes Hidding direkt und ungekünstelt beantwortet. Die Hausfrau aus Essen, so ihre Angaben zur Person, ist die Frau, die den einstmals renommierten Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach (62) vor Gericht und hinter Gitter gebracht hat.
Die Opferrolle spielt sie gar nicht erst. Dass ihr bei einem geschätzten Vermögen von acht Milliarden Euro die 23 Millionen Euro, um die Achenbach ihren Ehemann bei der Vermittlung von Oldtimern und Kunstwerken betrogen haben soll, nicht weh tun, ist anzunehmen. Ein Vertrauter der Familie hatte das schon vor Monaten bestätigt: „Betrügen lassen die Albrechts sich nicht.“ So ähnlich, allerdings drastischer, klang das aus der Umgebung von Pharma-Unternehmer Christian Boehringer, der in der vergangenen Woche als Zeuge im Achenbach-Prozess aussagte: „Bescheißen lassen wir uns nicht.“
Verständlich, dass die wohlhabenden Schichten der Bevölkerung Angst vor den Menschen haben, die sich in ihr Vertrauen einschleichen und es nur auf ihr Geld abgesehen haben. Achenbach lernte das Ehepaar Albrecht 2007 bei Nachbarn in Essen kennen. Schnell seien sie ins Gespräch gekommen, erzählt Babette Albrecht: „Er erzählte von seinen acht Kindern, ich von meinen fünf.“ Sympathisch sei er gewesen: „Er kann ja gut erzählen.“ Ihr Mann, der eigentlich nicht zu dem Treffen gehen wollte, sei sehr interessiert gewesen: „Ich wunderte mich, wie er aufblühte.“
"Wir hatten ja schon Kunst, aber einige Wände waren noch frei"
Achenbach hätte sie danach in sein Monkey’s-Restaurant in Düsseldorf eingeladen, auch zu seinem Geburtstag. Irgendwann hätte Achenbach sie gefragt, ob sie an Kunst interessiert seien. Da hatte er den richtigen Nerv getroffen: "Wir hatten ja schon Kunst, aber einige Wände waren noch frei.“
Vor voll besetzten Zuhörerreihen erzählt sie weiter. Auch Achenbachs Ehefrau sitzt hinten und lauscht der Frau, deren Anzeige dafür sorgte, dass Helge Achenbach seit dem 10. Juni 2014 in U-Haft sitzt. Babette Albrecht erzählt von der mündlichen Vereinbarung zwischen dem Kunstberater und ihrem Ehemann, eine Kunstsammlung als Geldanlage aufzubauen: „Mein Mann wollte investieren, weil die klassischen Zinsen keine Rendite mehr brachten.“ Sie fand die Investition auch sinnvoll: „Eine Aktie ist eine Aktie – Kunst kann man sich wenigstens anschauen, kann man sich dran erfreuen.“ Ein wenig nervös ist die Milliardärin bei ihrer Aussage, haut schon mal vor das Mikro auf dem Zeugentisch.
Ein Bild fand Albrecht "besonders teuer" - dann kaufte er es
Aber bereitwillig erzählt sie die Kriterien für die Sammlung. Ausschlaggebend sei die Empfehlung Achenbachs und die Entscheidung ihres Mannes gewesen. Aber sie hatte auch ein Mitspracherecht. Einen Picasso mit drei Mädchen lehnte sie ab: „Da fehlte mir ein Mädchen, schließlich habe ich vier.“ Oder ein Bild, das laut Berthold Albrecht „besonders teuer“ war, siebeneinhalb Millionen Euro. „Ich fand es so schön“, sagt Babette Albrecht, „abends fragte mein Mann mich: Findest Du das toll? Und dann wurde es gekauft und kam zu uns.“
Juristisch ist ihre Aussage im Prozess nicht mehr entscheidend, denn Achenbach hat ja eingeräumt, Rechnungen über die Einkäufe von Kunst und Autos gefälscht zu haben, um seine Gewinnmarge zu steigern. Laut Anklage hätte er nur fünf Prozent Provision auf den Einkauf kassieren dürfen, so die mündliche Vereinbarung mit Berthold Albrecht. Auch dessen Witwe weiß nur von dieser Provision. Achenbach sollte günstig einkaufen und dafür die Provision erhalten: „Er stellte sich uns als Mann vor, der handeln und für uns den bestmöglichen Preis erzielen kann. Wir wollen doch keine Albrecht-Aufschläge zahlen.“
Die "Dinger", sagt sie einmal zu den Bildern
Achenbachs Rechnungen seien immer an den Privatmann Albrecht gegangen, erzählt sie weiter. Der habe die Käufe auch von seinem privaten Geld bezahlt, sagt sie und fügt ungefragt hinzu: „Auch versteuertem Geld.“ „Davon ging ich aus“, kommentiert Richter Hidding knapp. Er spricht schon mal von „den Dingern“, wenn er Kunst meint. Das sieht Babette Albrecht ähnlich praktisch. Einmal hätten sie 100 000 Euro einem Museum gespendet: „Wenn wir spenden, können wir auch die Dinger, äh die Kunst kaufen.“
Von ihrem 2012 verstorbenen Ehemann spricht sie nur in der Gegenwart: „Mein Mann ist so eine Erscheinung. Dem sehen Sie nicht an, dass er ein normaler Albrecht ist.“ Nach seinem Tod hatte sie überregional eine riesige Todesanzeige mit einem Foto ihres Mannes geschaltet, unterzeichnet mit „Babette Albrecht mit Kindern und Familienhund“. Gespickt mit zahlreichen Bibelzitaten beschrieb sie ihn: „Berthold Albrecht war ein sehr lieber, überaus großzügiger Mensch, ein vorbildlicher Ehemann und Familienvater.“
Dass seine Großzügigkeit offenbar ausgenutzt wurde, bemerkte sie erst, als ihre Anwälte den Nachlass des Verstorbenen auswerteten und auf die Manipulationen Achenbachs aufmerksam wurden. Da erstattete sie Anzeige und stellte sich der Öffentlichkeit. Wie sie sich fühle, hatte ein Reporter sie auf ihrem Weg zum Gerichtssaal gefragt. „Spitze“, antwortete sie.