Voerde. Markus Gehling hat zum Schicksal der Jüdin Hilde Buschhoff recherchiert. Bei einer Lesung in Spellen wird er über ihre Lebensgeschichte erzählen.
Markus Gehling, Pastoralreferent in St. Peter und Paul, recherchiert seit Längerem die Schicksale jüdischer Familien in der NS-Zeit. „Es ärgert mich, wenn Familien verschwinden und es an den Orten keine Erinnerung mehr gibt“, erklärt er sein Engagement. Oft seien es nur prominente Namen, über die man etwas wüsste, nicht aber die einfachen Leute, die oft jahrzehntelang an einem Ort gelebt hätten. „Es erinnert nichts mehr an sie“, hat Markus Gehling festgestellt – was er schade findet. Im Zuge seiner Recherchen ist der Pastoralreferent der Lebensgeschichte der Familie Buschhoff nachgegangen, ist in diesem Kontext auf Leo Buschhoff aus Xanten gestoßen und dabei auch auf Hilde Buschhoff aufmerksam geworden. „Keiner kannte ihre Geschichte, das möchte ich ändern“, sagt Markus Gehling – und zwar an diesem Wochenende, wenn zum 86. Mal an die Opfer der Reichspogromnacht erinnert wird.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden zahlreiche Menschen jüdischen Glaubens von den Nationalsozialisten zu Tode gefoltert oder ermordet, ihre Geschäfte und Wohnungen verwüstet und zerstört, Synagogen in Brand gesteckt. Da der Antisemitismus auch heute noch lebendig sei und sich zunehmend öffentlich zeige, ist es den Voerder Kirchen wichtig, dass die Schicksale der aufgrund ihrer Herkunft verfolgten Menschen nicht vergessen werden, heißt es in einer Mitteilung. In ökumenischer Verbundenheit wird am Sonntag, 10. November, ab 19 Uhr, bei einer Lesung in der Kirche St. Peter in Spellen daher das Schicksal von Hilde Buschhoff im Mittelpunkt stehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sie ihre Erlebnisse im KZ aufgeschrieben. Ihre Aufzeichnungen werden im Archiv von Yad Vashem aufbewahrt. Dort hat Markus Gehling sie zufällig bei seiner Suche nach dem Schicksal der Familie Buschhoff entdeckt. Die Dichte und Realitätsnähe des Textes haben ihn so beeindruckt, dass er ihn nun bei der Lesung am Sonntag erstmals öffentlich vortragen möchte.
Nur wenige kennen Hildes Geschichte
Vermutlich werden nur wenige Menschen bisher diese Aufzeichnungen und auch Hilde Buschhoffs Lebensweg kennen. Sie war weitläufig mit Leo Herz, dem letzten jüdischen Voerder, verwandt. Leo Herz – der zufällig den gleichen Namen trägt wie die Familie Herz aus Spellen, über die Markus Gehling bereits umfassend recherchiert hat – verließ Voerde bereits Ende der 1920er Jahre, um nach Dresden zu gehen. Auch Hildes Vater hatte seine Heimatstadt Xanten aufgrund von antisemitischer Hetze verlassen, Hilde Buschhoff kam daher 1913 in Frankfurt zur Welt. Die Krankenschwester folgte ihren Eltern nach Amsterdam und als diese nach Westerbork deportiert wurden, folgte sie ihnen freiwillig ins KZ, weil sie sie nicht allein lassen wollte. Von dort aus kam Hilde über Theresienstadt nach Auschwitz, wo sie als eine der wenigen Insassen eines zum KZ gehörenden Arbeitslagers das Kriegsende erlebte. Gemeinsam mit einer Freundin schlug sie sich nach Deutschland durch und kehrte schließlich nach Amsterdam zurück. Dort hat sie im September 1945 ihre Erlebnisse im Konzentrationslager aufgeschrieben.
Später ging Hilde Buschhoff nach Amerika und gab ihre Aufzeichnungen ihrer Freundin Clara. Deren Sohn hat sie 1996 nach Yad Vashem geschickt, wo sie archiviert werden und von Markus Gehling gefunden wurden. Hilde Buschhoff sei 1950 noch bei einer Volkszählung in Amerika zu finden, berichtet der Pastoralreferent, danach verliere sich ihre Spur. Bei der Lesung werden nach einer kurzen Einführung zumindest ihre Worte, Erinnerungen, Empfindungen und Erlebnisse wieder lebendig.
„Es ärgert mich, wenn Familien verschwinden.““