Dinslaken. 200 Beschäftigte von Benteler und Pintsch beim Warnstreik der IG Metall. Sie erklären, warum 7 Prozent mehr Lohn trotz Wirtschaftskrise angemessen sind.
Der Song „The final Countdown“ dröhnt über die Hünxer Straße, dazwischen sind immer wieder Trillerpfeifen zu hören. Die IG Metall hat zum Warnstreik aufgerufen. Beschäftigte der Firma Benteler Steel sind mit Transparenten in der Hand und Wut im Bauch in einem Demonstrationszug über die Luisenstraße zum Firmengelände von Pintsch gelaufen: Streikkundgebung. Es gibt Reden und Currwurst, es geht um mehr Lohn, auch für Azubis. Auch Delegationen der Duisburger Grillo-Werke, der GEZ Rail Solutions Dinslaken und von Thyssenkrupp Steel Europe sind gekommen.
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„Was wollt Ihr?“ brüllt Uensal Başer, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Duisburg-Dinslaken, in ein Megaphon. „Sieben Prozent“, brüllen rund 200 Metaller aus Dinslaken zurück - und 170 Euro mehr für die Auszubildenden. „Sonst sind wir auf 180“ droht ein Schild. Eine vermessene Forderung in der Wirtschaftskrise? Nein. Sagt Uensal Başer. Er erzählt von Familien in Dinslaken, die Miete, Stromrechnungen, Benzin kaum noch bezahlen können. „Wir haben weniger Inflation in den vergangenen zwölf Monaten. Aber die Preise sind nicht zurückgegangen.“ Manche Lebensmittel seien viermal so teuer wie vor drei oder vier Jahren.
„Es geht nicht mehr darum, einen Kühlschrank zu kaufen. Es geht darum, den Kühlschrank vollzumachen.“
„Kollegen berichten, dass sie 25 Prozent höhere Stromrechnungen haben. Fernwärme, Gas, Kohle - alles ist weiterhin teuer“, so Başer. Es gehe nicht mehr darum, einen Kühlschrank kaufen zu wollen - sondern darum, den „Kühlschrank vollzumachen“. Die Zeiten, in denen „man den Einkaufswagen für 50 Euro voll hatte“, seien vorbei: „Man zahlt mittlerweile 100 Euro und geht mit einer Tüte aus dem Geschäft“. Es gehe auch nicht mehr darum, ein neues Auto zu kaufen. Die seien unbezahlbar. Es gehe darum, den Tank zu füllen. Oder Kitagebühren zu bezahlen. Etwas mit der Familie unternehmen zu können.
„Ich bin neulich mit meiner Nichte ins Kino gegangen“, berichtet Başer. Und mit rund 50 Euro weniger in der Tasche wieder raus. Tickets, Essen, Trinken, der Film am liebsten in 3D. „Das ist nicht mehr so, dass man am Kinotag den Film für vier Euro gucken kann.“ Dann möchte man den Kindern noch etwas bieten. Oder mal am Wochenende mit der Familie essen gehen. Das müsse ab und zu drin sein. Viele Familien würden am Urlaub sparen. Ein Kurzurlaub statt zwei, zehn statt 14 Tage.
Auszubildende sind übermüdet vom Nebenjob
170 Euro mehr für die Auszubildenden. Das seien sogar mehr als sieben Prozent - aber: „Das sind auch keine 16-jährigen Kinder mehr. Das sind junge Menschen, die alleine wohnen“, so der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Duisburg-Dinslaken. Und den Vermieter kümmere es eben nicht, ob es sich bei seinem Mieter um einen Ingenieur, Meister oder Azubi handele. „Wir bekommen immer wieder mit, dass Auszubildende bei der Arbeit übermüdet sind, weil sie Nebenjobs machen müssen, denn nur von der Auszubildendenvergütung können sie nicht leben“, berichtet Başer. Das gehe so nicht weiter: Auszubildende müssen „lernen, müssen sich qualifizieren“ können, findet Başer. Und auch die Ausbildung, die Arbeitsplätze müssten attraktiv bleiben.
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„Es geht hier um die Existenzfrage“, sagt der 37-Jährige: „Das Einkommen muss reichen, damit Menschen existieren können.“ Und bei der Metallindustrie rede man immerhin über „unsere Primus-Industrie“. „Wir fordern nicht das Unmögliche, sondern das, was wir verdienen“, ruft Ferhat Tabik von Benteler Steel/Tube später den Streikenden zu. Begeistertes Trillern und Applaus. Und, nein, sagt er, „das ist nicht zuviel, wenn wir sehen, dass immer noch Dividenden fließen und die Vorstandsgehälter explodieren.“
Das sagen die Dinslakener zum Arbeitgeber-Angebot
Das Angebot der Arbeitgeber - 1,7 Prozent mehr Geld ab Juli 2025, weitere 1,9 Prozent ab Juli 2026 für eine Laufzeit von 27 Monaten - „gleicht noch nicht einmal die zu erwartende Inflationsrate aus. Das ist zu wenig, zu spät und zu lang“, findet der Betriebsratsvorsitzende der Pintsch GmbH, Sebastian Dünnwald. Ja, Deutschland erlebe das zweite Rezessionsjahr. Aber der private Konsum sei neben dem Export das „wichtigste Standbein in Deutschland“, sagt Dünnwald. „Unsere Kaufkraft steht im direkten Bezug zum Wirtschaftswachstum.“ Privater Konsum kurbele die Wirtschaft an - auch in der Wirtschaftskrise, betont auch Uensal Başer. Und so „stehen wir hier auch für die Zukunft unserer Betriebe“. Die Metaller seien „bereit zu kämpfen.“
„Glückauf“ wünschen alle Redner. Und mit den Tönen von „Final Countdown“ im Ohr und einer Currywurst auf der Hand ziehen die Beschäftigten wieder in die Betriebe. Der Countdown läuft. Am Montag ist Verhandlungstag.