Voerde. Änne Rühl erhält als erste Frau den Voerder Vogel. Für dieses ehrenamtliche Engagement erhielt die 79-Jährige den Heimatpreis der Stadt.

Die bewegendsten Worte zur Verleihung des Heimatpreises an Änne Rühl finden sich am Nachmittag im evangelischen Gemeindehaus in Spellen in einer spontanen Rede. Nachdem die Preisträgerin das Mikrofon nach ihren Dankesworten aus der Hand gelegt hat, kommt eine junge Frau ans Rednerpult. „Darf ich etwas sagen?“, fragt sie schüchtern.

Dankbarkeit zahlreicher geflüchteter Menschen

Es ist die 27-jährige Maroua Sahari, eines von vielen Flüchtlingskindern, die Änne Rühl in über 30 Jahren Flüchtlingsarbeit mit dem ökumenischen Asylkreis Spellen-Friedrichsfeld betreut hat. „Frau Änne“, wie sie von den Kindern damals genannt wurde, habe den jungen Menschen, die als Fremde in einem neuen Land aufwuchsen „außergewöhnliche Arbeit und Unterstützung“ gewidmet. „Sie haben nicht nur unsere Kindheit bereichert, sondern uns inspiriert und waren ein Vorbild“, sagt Maroua Sahari. Sie erinnert sich an lange Fahrradtouren und Übernachtungen bei der ehrenamtlich engagierten Spellnerin. „Ihre Arbeit ist von unschätzbarer Bedeutung“, sagt die 27-Jährige und schließt mit einem „Danke, Frau Änne“, das von Herzen kommt.

Der Voerder Vogel wird in seinem neuen Design seit 2015 verliehen. Änne Rühl ist die erste Frau, die vom Heimatverein mit der Auszeichnung geehrt wurde.
Der Voerder Vogel wird in seinem neuen Design seit 2015 verliehen. Änne Rühl ist die erste Frau, die vom Heimatverein mit der Auszeichnung geehrt wurde. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Von Herzen kommen auch die zahlreichen Glückwünsche, die Änne Rühl an diesem Nachmittag bekommt: Von Mitstreiterinnen in der Flüchtlingsarbeit. Von weiteren Geflüchteten, die sie im Laufe der über 30 Jahre ihres ehrenamtlichen Engagements betreut hat. „Sie ist die Mama von uns allen“, kommentiert eine Frau und deutet in Richtung der neuen Trägerin des Voerder Heimatpreises. „Man gehört zur Familie“, erklärt diese daraufhin. So sehr, das eine der Familien, die sie betreut hat, sogar ihren Urlaub unterbrochen hat, um bei der Preisverleihung mit dabeizusein.

Mehr als 30 Jahre im Einsatz für Geflüchtete

Und man merkt den Redebeiträgen zur Preisverleihung an, dass Änne Rühls Engagement ein ganz besonderes ist. „Bei ihrer Arbeit stehen immer und ausschließlich die Menschen im Mittelpunkt“, sagte Bürgermeister Dirk Haarmann in seinen Grußworten. Änne Rühls Motivation seien dabei eine „tiefe christliche Überzeugung und Nächstenliebe.“ Und auch wenn der ganze Asylkreis die Arbeit trage, könne die 79-Jährige wohl durchaus als dessen „Gallionsfigur“ gelten. Einen Szenenapplaus erntete der Bürgermeister mit dem Hinweis, dass Änne Rühl als erste Frau den Voerder Vogel erhalte.

Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Dinslaken, Voerde, Hünxe

Als durch den Bosnienkrieg ab 1992 mehr Flüchtlinge nach Voerde kamen, startete Änne Rühl mit ihrem Engagement in der Flüchtlingsarbeit. Gisbert Meier lobte in seiner Laudatio den scharfen Blick des Heimatvereins, denn: „Das Allermeiste bei der Arbeit mit Flüchtlingen spielt sich ohne große Aufmerksamkeit ab“, sagte der Pfarrer im Ruhestand. Nur Negatives im Zusammenhang mit Geflüchteten finde in der Öffentlichkeit sehr schnell Aufmerksamkeit. Und nur selten das Positive, wie Änne Rühl es mit ihren Mitstreiterinnen in Spellen und Friedrichsfeld geschaffen hat.

Keine Solospielerin im Ehrenamt

„Die Arbeit mit und für Kinder war Ihnen immer eine Herzensangelegenheit“, sprach Gisbert Meier die Geehrte direkt an. Diese habe sich bei der Gestaltung von Kinder- und Kochbüchern auch kreativ ausleben können. Mit der Kleiderkammer, Nikolausfeiern und dem Internationalen Café habe Änne Rühl aber auch zahlreiche andere Aktionen mitinitiiert. Dabei sei sie „keine Solospielerin“, wie Meier ihr attestierte, sondern eine Netzwerkerin.

„Mir wird oft nachgesagt, dass ich einen Vogel habe. Und, naja: Jetzt habe ich einen“

Änne Rühl
Die Preisträgerin des Voerder Heimatpreises freute sich über den Voerder Vogel.

Dementsprechend nimmt Änne Rühl die Auszeichnung auch stellvertretend für ihre zahlreichen Mitstreiterinnen entgegen. „Ohne diese Menschen hätte ich nicht das Durchhaltevermögen gehabt“, sagt sie. Dabei dankt sie auch dem früheren Flüchtlingspfarrer Gerhard Greiner, der „immer für die Ehrenamtlichen da war.“ Und auch Gisbert Meier dankt sie für seine Unterstützung. Die Auszeichnung mit dem Voerder Vogel nimmt die 79-Jährige auch mit Humor: „Mir wird oft nachgesagt, dass ich einen Vogel habe. Und, naja: Jetzt habe ich einen“, kommentiert sie die kleine, zur Auszeichnung gehörende Statuette. Applaus gibt es für Änne Rühl von den zahlreich versammelten Gästen aus Politik und Gesellschaft.

Der Voerder Vogel

Der Voerder Vogel wurde 1988 vom Künstler Gerhard Finke geschaffen. In Anlehnung an den ersten Lehensträger von Haus Voerde, der drei Vögel als Wappentiere ausgewählt hatte. 1988 wurde er erstmals an Helmut Pakulat verliehen. Zu den Preisträgern gehören unter anderem die Schützenvereine der Stadt (1994) und die Gesangsvereine der Stadt Voerde (2001), außerdem Hanns Dieter Hüsch (1996).

2015 wurde die Tradition der Preisvergabe neu belebt. Die bisherigen Preisträger sind Hermann Klein, Leonhard Spitzer, Friedrich Potz, Wilhelm Josten und Helmut Schneider. In diese Riege reiht sich jetzt auch Änne Rühl ein.