Dinslaken. 2023 erleidet die Dinslakener Medizinstudentin Lea einen Hörsturz. Seitdem braucht sie ein Hörgerät. Wie sich ihr Leben dadurch verändert hat.

Es ist ein Morgen im Mai 2023 als Lea Topp das erste Mal spürt, dass mit ihrem rechten Ohr etwas nicht stimmt. „Ich bin aufgewacht und habe gedacht, dass es vielleicht verstopft ist. Es hat sich dumpf angefühlt“, erklärt die Dinslakenerin. Da sie das schon einmal hatte, habe sie zunächst nicht weiter nachgedacht, ist an dem Tag ganz normal zur Uni gegangen. Niemals habe sie an die Diagnose Hörsturz geglaubt. Die damals 27-Jährige steckte mitten in der Lernphase für ihre finalen Klausuren im Medizinstudium, arbeitete parallel schon an ihrer Doktorarbeit. Im Gespräch mit der NRZ beschreibt sie sich selbst als „stressresistent“, habe die Zeit des Lernens und das Schreiben der Doktorarbeit „gar nicht bewusst als Stress wahrgenommen“, erklärt sie. Chirurgin wollte sie damals noch werden, das war schon immer ihr Traum, seit sie über ihre Berufswahl nachgedacht hat.

Doch das ist seit dem Tag im Mai 2023 nicht mehr möglich. Denn als das dumpfe Gefühl im Ohr nicht weggeht, sucht Lea einen Arzt auf. Sie bekommt Medikamente verschrieben, nimmt Cortison ein. „Das hat auch zeitweise gewirkt“, sagt sie rückblickend. Doch dann erkrankt ihre Mutter schwer, eine große psychische Belastung für die junge Dinslakenerin. Ungefähr zur selben Zeit als ihre Mutter die Diagnose erhält, fliegt Lea in den Urlaub. Dort wollte sie eigentlich abschalten, etwas runterkommen nach den vergangenen anstrengenden Monaten. Doch angekommen auf ihrer Lieblingsinsel Fuerteventura beginnt die Krankheit so richtig auszubrechen.

Dinslakenerin Lea hat nur noch 40 Prozent Hörvermögen auf ihrem rechten Ohr

„Mir war zeitweise so schwindelig, dass ich nicht richtig geradeaus gehen konnte“, beschreibt sie. Eine erneute Cortisonbehandlung nach den Ferien brachte keine Besserung mehr. Der Hörtest zeigte: Lea hat eine mittlere bis schwere Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr, sie hat lediglich noch 40 Prozent Hörvermögen. Das Schockierende: 0 Prozent sind es sogar beim Sprachverstehen. „Töne höre ich, aber ich kann keine Wörter verstehen“, erklärt sie.

Nur von der Seite und wenn die Haare aus dem Gesicht sind, kann man sehen, dass Lea ein Hörgerät trägt.
Nur von der Seite und wenn die Haare aus dem Gesicht sind, kann man sehen, dass Lea ein Hörgerät trägt. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Seitdem trägt Lea nun ein Hörgerät – mit nicht mal 30 Lebensjahren. „Klar war mein Leben vorher einfacher“, sagt sie, zeigt sich aber optimistisch: „Es gibt Menschen, denen es viel schlechter geht als mir und ich bin froh, dass es die Möglichkeit gibt.“ Ob sie sich geschämt hat, das Hörgerät zu tragen? Sie schüttelt den Kopf: „Nein, ich finde das eigentlich sogar ganz cool. Ich werde oft darauf angesprochen. Viele fragen, was das für ein Piercing ist und ob das Stechen wehgetan hat“, erklärt sie und lacht. Tatsächlich fällt das kleine schwarze Gerät in ihrem Ohr kaum auf, wenn sie die Haare offen trägt, sieht der Betrachter es überhaupt nicht.

„Töne höre ich, aber ich kann keine Wörter verstehen“

Lea Topp über ihre Schwerhörigkeit

Dinslakenerin kaufte Hörgerät für 3500 Euro

Dennoch war ihr die Optik auch wichtig, sagt Lea: „Deshalb wollte ich eigentlich ein Hörgerät, das man einfach nur ins Ohr steckt und das nicht außen am Ohr befestigt ist.“ Doch dafür sei der Schweregrad ihres Hörverlustes zu hoch gewesen. „Diese Geräte können nur bei leichter Schwerhörigkeit benutzt werden“, weiß Lea zu berichten. Sie probierte verschiedene Modelle aus bis sie sich für ein Hörgerät – bis zu 700 Euro übernehme die Krankenkasse – im Wert von 3500 Euro entschied, das sie auch per App auf dem Handy steuern kann. „Man gibt so viel Geld für so viele andere Dinge aus. Da kann man auch mal richtig in die Gesundheit investieren“, begründet sie, warum sie sich für ein so teures Modell entschieden hat.

Zudem sei sie mit dem teuren Gerät am besten klargekommen: „Es nimmt mir das Druckgefühl.“ Sie beschreibt es wie den Druck auf dem Ohr beim Fliegen, der bei ihr jedoch nicht mehr weggeht. Dass dieses Gefühl aufhört, sei für sie am wichtigsten gewesen, denn das sei „wirklich lebenseinschränkend“. Und dennoch hat Lea auch mit Hörgerät in bestimmten Situationen mit der Schwerhörigkeit zu kämpfen, zum Beispiel, wenn sie Auto fährt und der Beifahrer auf ihrer rechten Seite sitzt. Ihr fällt es schwer, sich dann zu unterhalten. „Ich bin immer ein Mensch gewesen, der beim Essengehen mit vielen Leuten gerne in der Mitte gesessen hat, damit ich mich immer mit allen unterhalten konnte“, nennt sie ein weiteres Beispiel, „mittlerweile sehe ich aber immer zu, dass ich rechts außen sitze.“

„Klar war mein Leben vorher einfacher. Aber es gibt Menschen, denen es viel schlechter geht als mir und ich bin froh, dass es die Möglichkeit gibt.“

Lea Topp über die Nutzung eines Hörgerätes

Konzert- oder Diskobesuch nach Hörsturz schwierig

Auch ein Konzertbesuch oder ein Besuch in der Disko sei für sie immer noch anstrengend. „Das erste Mal nach meinem Hörsturz war ich nach meinem bestandenen Examen im Club. Ich musste nach fünf Minuten gehen, weil ich das mit den vielen Geräuschen nicht ausgehalten habe“, erklärt sie. Dabei habe sie sich gerade auf diesen Abend gefreut, wollte ihren Erfolg mit Freunden feiern. Unterhaltungen seien für sie in solch einer Umgebung gar nicht möglich. „Mir ist es dann auch immer unangenehm zig mal nachzufragen, wenn ich einfach nicht verstehe, was man zu mir gesagt hat“, gibt sie zu.

3500 Euro hat das Hörgerät von Lea gekostet. 700 Euro übernimmt die Krankenkasse.
3500 Euro hat das Hörgerät von Lea gekostet. 700 Euro übernimmt die Krankenkasse. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Diese Situationen ereilen sie auch im OP-Saal. Lea erinnert sich an einen bestimmten Moment. Die 29-Jährige ist nämlich ausgebildete Operationstechnische Assistentin (OTA) und arbeitet neben ihrem Medizinstudium weiter in ihrem erlernten Beruf. Lea geht mit ihrem Hörschaden offen um, die Kollegen auf ihrer Station wüssten über ihre Krankheit Bescheid. Und doch: „Eine Ärztin ist mich einmal richtig angefahren, weil ich etwas nicht verstanden habe. Sie hatte mich wohl angesprochen, aber das habe ich nicht gehört“, erklärt sie. Gerade aber eben im OP-Saal, wenn die Kollegen Masken tragen und Lippenlesen nicht möglich ist, merke Lea am meisten ihre Einschränkung.

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Dinslakenerin nach Hörsturz: „Ich hab manchmal richtig schlechte Tage, auch mit Hörgerät“

Vor allem auch, weil es im Saal nie ruhig ist, sagt sie. Maschinen piepsen, Ärzte sprechen durcheinander. „Ich hab manchmal richtig schlechte Tage, auch mit Hörgerät“, beschreibt sie. Was ihr dann am Abend helfe, um dem dumpfen Gefühl im Ohr entgegenzuwirken, sei über Kopfhörer Musik zu hören oder Serien zu schauen. Gerade viel Stress müsse sie vermeiden. Deshalb hat sie sich dazu entschieden, ihren Schwerpunkt von der Chirurgie auf die Anästhesie zu verschieben. „Man hat in jedem Bereich Stress“, betont sie, „aber ich glaube, ich habe genug Erfahrungen, sodass ich einschätzen kann, dass das als Chirurg nochmal eine andere Hausnummer ist.“ Den Beruf komplett wechseln, komme für Lea nicht in Frage. Ärztin sein, Menschen helfen, das sei eben schon immer ihr Traum gewesen. Und den lasse sie sich auch nicht durch ihre Schwerhörigkeit kaputtmachen.