Dinslaken. Ort und Publikum der Sommerkultur hatten auf den Elektromusiker eine besondere Wirkung. So reagierte er auf die „Energie“ in Dinslaken
Die Bühne ist ganz in dunkelblaues Licht getaucht, zwischen technische Aufbauten auf drei Seiten steht ein einzelner Mensch: Christopher von Deylen, das Mastermind des Elektroprojekts Schiller. Von Deylen steht breitbeinig mit gestreckten Armen, die eine Hand auf einem kleinen Synthesizer mit nur zwei Oktaven, dafür um so mehr Drehreglern, die andere Hand auf der Tastatur eines Keyboards im Echtholzgehäuse. Ruhig, fast regungslos steht er da, aber er ist es, der die Luft im Burgtheater vibrieren lässt. Elektronische Beats pulsieren, Flächensounds breiten sich sanft wie Nebelschwaden aus. Harmoniefolgen, musikalische Motive, wie schillernde Farben changierende Sounds legen sich über die gefüllten Ränge des Burgtheaters, bewegen dort die Menschen im Inneren. Die Musik endet. Eine Moment der Stille, dann Applaus. Deutschlands erfolgreichster Elektro- und Ambient-Musiker hat sein erstes Konzert in Dinslaken eröffnet und das Publikum im gefüllten Burgtheater mit den ersten Beats in seinen Bann geschlagen.
Mit Martin Fischer (Schlagzeug) und Guenter Haas (E-Gitarre, E-Bass und E-Oud) ist das Line-up des Abends komplett. Schiller ist ein Elektro-Projekt, aber das bedeutet eben nicht, dass die Musik künstlich ist. Das Trio leistet auf der Bühne Handarbeit an allen Instrumenten und das besondere am Synthesizer ist es, dass es das einzige Instrument ist, das beim Spielen die Tonfolge beibehalten und gleichzeitig die Frequenzen, die Hüllkurven des Klangs nicht nur in Nuancen, sondern komplett verändern kann.

Schiller, das sind treibende Beats, eine durchaus rockige E-Gitarre, aber vor allem minimalistische Motive auf harmonischen Flächensounds, die zum Abtauchen und sich Versenken in atmosphärische Klangwelten einladen. Für die volle Wirkung der sie illustrierenden Lichteffekte ist es in der einsetzenden Dämmerung noch zu früh, aber das Zusammenspiel von Musik und Ort alleine lässt schon nicht unberührt. Das Burgtheater gleicht durch seine architektonische Anlage einem Becken.
Und so, wie der Ententeich auf der anderen Seite der Steige zwischen Rittertor und Burgtor mit Wasser gefüllt ist, so schwimmt man an diesem sommerlich warmen Freitagabend in den Ambientklängen, mit denen Schiller den Raum zwischen Burgturm und den alten Kastanienbäumen erfüllt. Eine Libelle schwirrt ungewöhnlich hoch zwischen den Baumkronen hin und her - es ist, als erlebe sie die Klangwellen ebenfalls auf diese Weise, überfliege diese niedrig, wie sie sonst knapp über der Wasseroberfläche auf Jagd geht.
Nur die Musik sprach
Wieder endet die während der Titel endlos fließende Musik. Christopher von Deylen begrüßt das Publikum - und sagt: „Bis später“. Doch er verlässt keineswegs die Bühne, er taucht nur wieder ab in seine Klangwelten. War Schiller, nach dem der Musiker sein Projekt Ende der 90er benannt hat, ein Mann des Wortes, so lässt von Deylen an diesem Abend nur die Musik sprechen. Eine Stunde dauert es - Halbzeit des gut 120-minütigen Konzerts - dann erklärt der Musiker, was dieses Debüt in Dinslaken so besonders macht: „Eigentlich hätte ich zu dieser Zeit schon ein ganzes Hörbuch erzählt“. Aber jeder Ort habe eine besondere Energie. Und Christopher von Deylen ließ die besondere Atmosphäre des Burgtheaters, in dem man von der Bühne aus die Nähe der Fans auf den von Bäumen überschatten Rängen so unmittelbar spürt, ganz ruhig werden. „Enjoy the silence - words are very unnecessary“ - „Genieß die Stille, Worte sind sehr überflüssig“ heißt es bei Depeche Mode. Und an diesem Freitagabend auch bei Schiller in der Sommerkultur.
Und so fließt die Musik in ihrer eigenen, unmittelbaren Aussagekraft dahin. Es wird dunkel, es beginnt leicht zu regnen. Es gehört an diesem Abend dazu wie der Lichterwechsel von Nachtblau über Glutrot zu Regenbogenfarben auf der Bühne. Fans tanzen im Regen und dann tanzen die Handylichter. Ein letztes Mal schlägt sich Christopher von Deylen still lächelnd aufs Herz und breitet die Arme zum Publikum aus. Beseelter Applaus.